Mario Dobovisek: Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stehen an diesem Wochenende auf dem Programm der Jungsozialisten, und zwar auf ihrem Bundeskongress in Weimar. Über wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft will der SPD-Nachwuchs diskutieren und über die Antworten, die der Mutterpartei auf die drängenden Fragen dieser Zeit einfallen. Am Telefon begrüße ich Franziska Drohsel. Sie ist die Bundesvorsitzende der Jusos. Guten Morgen, Frau Drohsel!
Franziska Drohsel: Guten Morgen!
Dobovisek: Welche Antworten auf jene Fragen erwarten Sie sich von der neuen SPD-Doppelspitze Müntefering und Steinmeier, Frau Drohsel?
Drohsel: Ich erwarte mir zum einen, dass wir in der Partei eine lebhafte und partizipative Diskussion darüber haben, wie man der wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland begegnen kann. Und dann erwarte ich, dass man natürlich im Bereich Chancengleichheit Schwerpunkte setzt, aber auch bei der Frage, dass jeder Mensch würdig leben kann, auch wenn er arbeitslos geworden ist, wo ich bei unserem ALG-II-System Zweifel dran habe. Das erwarte ich mir. Aber auch Umverteilung. Also Erbschaftssteuer ist ja in der Debatte, und wir fordern auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Dobovisek: Nächsten Samstag wird ihn der Parteitag wählen, ist das die richtige Entscheidung, mitten in dieser Finanzkrise und mit Ihren Zielen, Frau Drohsel, Franz Müntefering als Schröders Agenda-Mann, als Verfechter der Arbeitsmarktreformen zurück an die Parteispitze zu holen?
Drohsel: Wir als Jusos fanden es sehr bedauerlich, dass Kurt Beck zurückgetreten ist, also einmal die Umstände, und dass er dann tatsächlich als Person eben auch zurückgetreten ist. Aber die Situation ist jetzt, wie sie ist. Und ich glaube, das Entscheidende ist, dass es jetzt zum einen kein Zurück zur Basta-Politik gibt und dass zum anderen soziale Gerechtigkeit weiterhin im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik steht.
Dobovisek: Braucht die Partei vielleicht doch ein bisschen Basta-Politik in einer solchen Krise?
Drohsel: Ich glaube, dass die Zeit, in der es Basta-Politik in unserer Partei gegeben hat, dass das keine guten Folgen gehabt hat, sondern dass es an der Parteibasis eher für Zerrüttung gesorgt hat, zur Frustration. Und ich glaube auch weiterhin, wenn man die ganze Partei motivieren will, nächstes Jahr auf die Straße zu gehen und für die SPD zu kämpfen, dann muss man die Partei auch bei der Frage mitnehmen, für was man denn im Schwerpunkt in den Bundestagswahlkampf ziehen will.
Dobovisek: Wer wäre denn Ihr Wunschkandidat in der Parteispitze?
Drohsel: Ach, ich beteilige mich da jetzt gar nicht an irgendwelchen Personaldiskussionen, ich finde, das macht auch überhaupt keinen Sinn. Es gibt jetzt sozusagen einen Vorschlag, und das Entscheidende ist, dass wir jetzt halt mit der inhaltlichen Aufstellung beginnen für 09.
Dobovisek: Oskar Lafontaine und viele Linken fühlen sich durch die Finanzmarktkrise bestätigt. Erleben wir dieser Tage eine Renaissance linker Politik, Frau Drohsel?
Drohsel: Ich nehme das schon so wahr, dass es eine Renaissance gibt, weil zumindest gibt es wieder größere Spielräume auch für linke Ideen. Ich glaube, dass der Neoliberalismus auf jeden Fall in der Krise ist, wenn nicht offensichtlich gescheitert ist. Das sehen wir zum einen an den Folgen der wachsenden sozialen Ungleichheit, und das sieht man jetzt auch an dem Zusammenbruch am Finanzmarkt. Und von daher ist es natürlich schon so, dass das, was Linke schon seit langer Zeit gefordert haben, dass das jetzt eben auch Leute fordern, die uns vorher als Sektierer und Spinner abgetan haben.
Dobovisek: Wäre dann vielleicht auch Oskar Lafontaine in dieser Situation der richtige SPD-Chef, wenn er dann noch Mitglied wäre?
Drohsel: Ach, also Oskar Lafontaine ist jetzt ja nun weiß Gott lange nicht mehr in unserer Partei und greift ja nun die SPD auch oftmals an. Dazu muss man sagen, es gab sozusagen viele gesellschaftliche Linke, die immer wieder diskutiert haben und gefordert haben, dass man die Finanzmärkte regulieren muss. Ich erinnere letztes Jahr an Heiligendamm, da waren wir alle auf der Straße unterwegs und sind da noch mit Wasserwerfern weggeräumt worden für genau die Punkte, die jetzt eben auch in der öffentlichen Diskussion sind.
Dobovisek: Es gibt aber auch einen anderen, Ihnen gut bekannten Spitzenpolitiker, der hat vor vier Jahren gewarnt, und das klang damals so:
"Das ist wie ein Heuschreckenschwarm, der über die Welt zieht und die Länder und die Äcker leer frisst und eigentlich sich keine Gedanken darüber macht, wie es weitergehen kann."
Gewarnt hat da ausgerechnet Franz Müntefering vor gierigen Managern, und die sind es heute, die die Krise auslösten. Hätten wir vor vier Jahren besser zuhören sollen?
Drohsel: Damals hatten wir ja auch eine Diskussion, wie man bestimmte Regularien verankern kann. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass man nicht eine moralische Diskussion über Manager führt oder über das einzelne Verhalten von Managern, sondern dass man Strukturen in den Blick nimmt und sich Gedanken darüber macht, wie man eben so was zukünftig verhindern kann. Und da ist ja beispielsweise ein Diskussionspunkt, dass gesagt wird: Es kann nicht sein, dass Verluste nur sozialisiert werden und Profite privat eingestrichen werden und man deshalb auch über Verstaatlichung sprechen muss, also die Verstaatlichung relevanter Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das finde ich auf jeden Fall einen richtigen Diskussionsanstoß.
Dobovisek: Das haben Sie auch gestern zum Auftakt Ihres Bundeskongresses in Erfurt gesagt. Aber was soll die Verstaatlichung der Bank bringen?
Drohsel: Na ja, also jetzt zum einen ist es ja so, dass der Staat ja sowieso für die Verluste einspringen muss, und ich finde, zum anderen würde ich dann sagen, wenn man dafür schon einspringen muss, dann muss es doch aber auch die Kontrollmöglichkeiten geben, also da muss es die Möglichkeit geben, staatlich zu entscheiden, wie hoch Managergehälter sein sollen oder an welchen Spekulationsgeschäften man sich beteiligt. Weil ich würde zum Beispiel sagen, dass öffentliche Banken sozusagen als Ziel haben, ein öffentliches Finanzwesen, was sozusagen jedem Bürger die Möglichkeit gibt, sich am Finanzwesen zu beteiligen, aber nicht die Aufgabe hat, sich an hoch spekulativen Geschäften zu beteiligen.
Dobovisek: Kann Ihrer Meinung nach ein Verwaltungsbeamter im Finanzministerium das Bankensystem eher retten als ein gelernter Investmentbanker?
Drohsel: Ich würde sozusagen sagen, das Entscheidende ist, dass es letztlich eine demokratische Kontrolle auch darüber gibt und dass letzten Endes dann auch die Bevölkerung darüber entscheiden kann, wie eben öffentliche Daseinsvorsorge sich gestaltet und wer da im Zweifelsfall die Kontrolle auch drüber hat. Das ist für mich der entscheidende Punkt.
Dobovisek: Nun gibt es aber auch genügend zeitgeschichtliche Beispiele, die belegen, dass staatlich geführte Finanzsysteme keinen Deut besser sind, im Gegenteil. Der Transferrubel des früheren Ostblocks zum Beispiel brach zusammen, und selbst Chinas Banken kämpfen heute trotz staatlicher Kontrolle mit der Finanzkrise. Also noch mal die Frage: Was soll die Verstaatlichung bringen?
Drohsel: Natürlich muss man auch aus gemachten Fehlern lernen. Und beispielsweise, dass Landesbanken sich an hoch spekulativen Geschichten beteiligt haben, das wäre für mich auch, da muss man sagen, sollte zukünftig nicht passieren. Das ist nicht die Aufgabe von Landesbanken. Aber grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass es einen Unterschied macht, weil wenn man sich entscheidet, dass es sich um Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt, die für das gesellschaftliche Zusammenleben von entscheidender Bedeutung sind, finde ich, dann muss auch ein demokratisch legitimiertes Organ darüber entscheiden, was in diesen Bereichen passiert. Dann hat man nämlich eine demokratische Kontrolle darüber. Und vor allem kann man dann kontrollieren, dass diese Bereiche eben nicht für Profite eingesetzt werden, sondern dafür, dass sie allen Menschen hier zugute kommen.
Dobovisek: Wenn wir aber über soziale und freie Marktwirtschaft reden und dann gleichzeitig über Ihre Pläne der Verstaatlichung, das klingt ein bisschen nach Sozialismus?
Drohsel: Na ja, also wir Jusos kämpfen ja auch für den demokratischen Sozialismus. Von daher, also für mich ist das jetzt kein Schimpfwort, sondern was Positives. Zum anderen muss man doch schon auch ganz klar sagen, dass man sieht, also wir Jusos verstehen uns als kapitalismuskritisch, und ich finde, diese Entwicklung gerade ist doch das beste Beispiel, wo man sieht, dass der Kapitalismus zu Krisen führt, zu großen, und dass es deshalb richtig ist, auch über Alternativen nachzudenken, ob es nicht möglich ist, eine Gesellschaft zu haben, die eben nicht durch derartige soziale Ungleichheit und derartige Krisen gekennzeichnet ist.
Dobovisek: Sie, Frau Drohsel, das sagen Sie, wollen mit den Jusos die SPD auch linker positionieren, als sie es unter Schröder war. Wie soll das gehen mit Schröders Schatten als Kanzlerkandidat? Ist Frank-Walter Steinmeier, der damalig engste Mitarbeiter Schröders, der Richtige für diesen Weg?
Drohsel: Na ja, das Entscheidende ist doch, dass wir in der Partei gemeinsam diskutieren, wo es hingehen soll. Und mein Eindruck ist eben schon, dass die Mehrheit in der Partei eine Antwort darauf haben will, wie man der wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland begegnet. Und ...
Dobovisek: Also ja? Er ist der Richtige für diesen Weg?
Drohsel: Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich, dass uns das gelingt, sozusagen einen Prozess und dann später auch ein Wahlprogramm zu haben, womit man genau auf diese Fragen auch Antworten gibt. Stichwort Mindestlohn, Stichwort Leiharbeit, das sind sozusagen entscheidende Fragen.
Dobovisek: Und das kann Frank-Walter Steinmeier gut verkaufen?
Drohsel: Ja, selbstverständlich. Wir werden uns in der Partei, man diskutiert da demokratisch, und dann werden natürlich die Personen, die da in Verantwortung sind, sich an den Debatten entsprechend beteiligen und das auch vertreten, da bin ich sehr zuversichtlich. Warum nicht?
Franziska Drohsel: Guten Morgen!
Dobovisek: Welche Antworten auf jene Fragen erwarten Sie sich von der neuen SPD-Doppelspitze Müntefering und Steinmeier, Frau Drohsel?
Drohsel: Ich erwarte mir zum einen, dass wir in der Partei eine lebhafte und partizipative Diskussion darüber haben, wie man der wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland begegnen kann. Und dann erwarte ich, dass man natürlich im Bereich Chancengleichheit Schwerpunkte setzt, aber auch bei der Frage, dass jeder Mensch würdig leben kann, auch wenn er arbeitslos geworden ist, wo ich bei unserem ALG-II-System Zweifel dran habe. Das erwarte ich mir. Aber auch Umverteilung. Also Erbschaftssteuer ist ja in der Debatte, und wir fordern auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Dobovisek: Nächsten Samstag wird ihn der Parteitag wählen, ist das die richtige Entscheidung, mitten in dieser Finanzkrise und mit Ihren Zielen, Frau Drohsel, Franz Müntefering als Schröders Agenda-Mann, als Verfechter der Arbeitsmarktreformen zurück an die Parteispitze zu holen?
Drohsel: Wir als Jusos fanden es sehr bedauerlich, dass Kurt Beck zurückgetreten ist, also einmal die Umstände, und dass er dann tatsächlich als Person eben auch zurückgetreten ist. Aber die Situation ist jetzt, wie sie ist. Und ich glaube, das Entscheidende ist, dass es jetzt zum einen kein Zurück zur Basta-Politik gibt und dass zum anderen soziale Gerechtigkeit weiterhin im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik steht.
Dobovisek: Braucht die Partei vielleicht doch ein bisschen Basta-Politik in einer solchen Krise?
Drohsel: Ich glaube, dass die Zeit, in der es Basta-Politik in unserer Partei gegeben hat, dass das keine guten Folgen gehabt hat, sondern dass es an der Parteibasis eher für Zerrüttung gesorgt hat, zur Frustration. Und ich glaube auch weiterhin, wenn man die ganze Partei motivieren will, nächstes Jahr auf die Straße zu gehen und für die SPD zu kämpfen, dann muss man die Partei auch bei der Frage mitnehmen, für was man denn im Schwerpunkt in den Bundestagswahlkampf ziehen will.
Dobovisek: Wer wäre denn Ihr Wunschkandidat in der Parteispitze?
Drohsel: Ach, ich beteilige mich da jetzt gar nicht an irgendwelchen Personaldiskussionen, ich finde, das macht auch überhaupt keinen Sinn. Es gibt jetzt sozusagen einen Vorschlag, und das Entscheidende ist, dass wir jetzt halt mit der inhaltlichen Aufstellung beginnen für 09.
Dobovisek: Oskar Lafontaine und viele Linken fühlen sich durch die Finanzmarktkrise bestätigt. Erleben wir dieser Tage eine Renaissance linker Politik, Frau Drohsel?
Drohsel: Ich nehme das schon so wahr, dass es eine Renaissance gibt, weil zumindest gibt es wieder größere Spielräume auch für linke Ideen. Ich glaube, dass der Neoliberalismus auf jeden Fall in der Krise ist, wenn nicht offensichtlich gescheitert ist. Das sehen wir zum einen an den Folgen der wachsenden sozialen Ungleichheit, und das sieht man jetzt auch an dem Zusammenbruch am Finanzmarkt. Und von daher ist es natürlich schon so, dass das, was Linke schon seit langer Zeit gefordert haben, dass das jetzt eben auch Leute fordern, die uns vorher als Sektierer und Spinner abgetan haben.
Dobovisek: Wäre dann vielleicht auch Oskar Lafontaine in dieser Situation der richtige SPD-Chef, wenn er dann noch Mitglied wäre?
Drohsel: Ach, also Oskar Lafontaine ist jetzt ja nun weiß Gott lange nicht mehr in unserer Partei und greift ja nun die SPD auch oftmals an. Dazu muss man sagen, es gab sozusagen viele gesellschaftliche Linke, die immer wieder diskutiert haben und gefordert haben, dass man die Finanzmärkte regulieren muss. Ich erinnere letztes Jahr an Heiligendamm, da waren wir alle auf der Straße unterwegs und sind da noch mit Wasserwerfern weggeräumt worden für genau die Punkte, die jetzt eben auch in der öffentlichen Diskussion sind.
Dobovisek: Es gibt aber auch einen anderen, Ihnen gut bekannten Spitzenpolitiker, der hat vor vier Jahren gewarnt, und das klang damals so:
"Das ist wie ein Heuschreckenschwarm, der über die Welt zieht und die Länder und die Äcker leer frisst und eigentlich sich keine Gedanken darüber macht, wie es weitergehen kann."
Gewarnt hat da ausgerechnet Franz Müntefering vor gierigen Managern, und die sind es heute, die die Krise auslösten. Hätten wir vor vier Jahren besser zuhören sollen?
Drohsel: Damals hatten wir ja auch eine Diskussion, wie man bestimmte Regularien verankern kann. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass man nicht eine moralische Diskussion über Manager führt oder über das einzelne Verhalten von Managern, sondern dass man Strukturen in den Blick nimmt und sich Gedanken darüber macht, wie man eben so was zukünftig verhindern kann. Und da ist ja beispielsweise ein Diskussionspunkt, dass gesagt wird: Es kann nicht sein, dass Verluste nur sozialisiert werden und Profite privat eingestrichen werden und man deshalb auch über Verstaatlichung sprechen muss, also die Verstaatlichung relevanter Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das finde ich auf jeden Fall einen richtigen Diskussionsanstoß.
Dobovisek: Das haben Sie auch gestern zum Auftakt Ihres Bundeskongresses in Erfurt gesagt. Aber was soll die Verstaatlichung der Bank bringen?
Drohsel: Na ja, also jetzt zum einen ist es ja so, dass der Staat ja sowieso für die Verluste einspringen muss, und ich finde, zum anderen würde ich dann sagen, wenn man dafür schon einspringen muss, dann muss es doch aber auch die Kontrollmöglichkeiten geben, also da muss es die Möglichkeit geben, staatlich zu entscheiden, wie hoch Managergehälter sein sollen oder an welchen Spekulationsgeschäften man sich beteiligt. Weil ich würde zum Beispiel sagen, dass öffentliche Banken sozusagen als Ziel haben, ein öffentliches Finanzwesen, was sozusagen jedem Bürger die Möglichkeit gibt, sich am Finanzwesen zu beteiligen, aber nicht die Aufgabe hat, sich an hoch spekulativen Geschäften zu beteiligen.
Dobovisek: Kann Ihrer Meinung nach ein Verwaltungsbeamter im Finanzministerium das Bankensystem eher retten als ein gelernter Investmentbanker?
Drohsel: Ich würde sozusagen sagen, das Entscheidende ist, dass es letztlich eine demokratische Kontrolle auch darüber gibt und dass letzten Endes dann auch die Bevölkerung darüber entscheiden kann, wie eben öffentliche Daseinsvorsorge sich gestaltet und wer da im Zweifelsfall die Kontrolle auch drüber hat. Das ist für mich der entscheidende Punkt.
Dobovisek: Nun gibt es aber auch genügend zeitgeschichtliche Beispiele, die belegen, dass staatlich geführte Finanzsysteme keinen Deut besser sind, im Gegenteil. Der Transferrubel des früheren Ostblocks zum Beispiel brach zusammen, und selbst Chinas Banken kämpfen heute trotz staatlicher Kontrolle mit der Finanzkrise. Also noch mal die Frage: Was soll die Verstaatlichung bringen?
Drohsel: Natürlich muss man auch aus gemachten Fehlern lernen. Und beispielsweise, dass Landesbanken sich an hoch spekulativen Geschichten beteiligt haben, das wäre für mich auch, da muss man sagen, sollte zukünftig nicht passieren. Das ist nicht die Aufgabe von Landesbanken. Aber grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass es einen Unterschied macht, weil wenn man sich entscheidet, dass es sich um Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt, die für das gesellschaftliche Zusammenleben von entscheidender Bedeutung sind, finde ich, dann muss auch ein demokratisch legitimiertes Organ darüber entscheiden, was in diesen Bereichen passiert. Dann hat man nämlich eine demokratische Kontrolle darüber. Und vor allem kann man dann kontrollieren, dass diese Bereiche eben nicht für Profite eingesetzt werden, sondern dafür, dass sie allen Menschen hier zugute kommen.
Dobovisek: Wenn wir aber über soziale und freie Marktwirtschaft reden und dann gleichzeitig über Ihre Pläne der Verstaatlichung, das klingt ein bisschen nach Sozialismus?
Drohsel: Na ja, also wir Jusos kämpfen ja auch für den demokratischen Sozialismus. Von daher, also für mich ist das jetzt kein Schimpfwort, sondern was Positives. Zum anderen muss man doch schon auch ganz klar sagen, dass man sieht, also wir Jusos verstehen uns als kapitalismuskritisch, und ich finde, diese Entwicklung gerade ist doch das beste Beispiel, wo man sieht, dass der Kapitalismus zu Krisen führt, zu großen, und dass es deshalb richtig ist, auch über Alternativen nachzudenken, ob es nicht möglich ist, eine Gesellschaft zu haben, die eben nicht durch derartige soziale Ungleichheit und derartige Krisen gekennzeichnet ist.
Dobovisek: Sie, Frau Drohsel, das sagen Sie, wollen mit den Jusos die SPD auch linker positionieren, als sie es unter Schröder war. Wie soll das gehen mit Schröders Schatten als Kanzlerkandidat? Ist Frank-Walter Steinmeier, der damalig engste Mitarbeiter Schröders, der Richtige für diesen Weg?
Drohsel: Na ja, das Entscheidende ist doch, dass wir in der Partei gemeinsam diskutieren, wo es hingehen soll. Und mein Eindruck ist eben schon, dass die Mehrheit in der Partei eine Antwort darauf haben will, wie man der wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland begegnet. Und ...
Dobovisek: Also ja? Er ist der Richtige für diesen Weg?
Drohsel: Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich, dass uns das gelingt, sozusagen einen Prozess und dann später auch ein Wahlprogramm zu haben, womit man genau auf diese Fragen auch Antworten gibt. Stichwort Mindestlohn, Stichwort Leiharbeit, das sind sozusagen entscheidende Fragen.
Dobovisek: Und das kann Frank-Walter Steinmeier gut verkaufen?
Drohsel: Ja, selbstverständlich. Wir werden uns in der Partei, man diskutiert da demokratisch, und dann werden natürlich die Personen, die da in Verantwortung sind, sich an den Debatten entsprechend beteiligen und das auch vertreten, da bin ich sehr zuversichtlich. Warum nicht?