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Just in Sequence

Logistikkonzepte stehen vor einem Paradigmenwechsel: So wie auch Datenpakete im Internet sich selbst Ihren weg durch das Netz bahnen, sollen es demnächst auch Güter und Waren auf ihrem Transportweg tun. Lösungen dazu zeigte die Industriemesse in Hannover.

Von Wolfgang Noelke |
    Montageprozesse in Fabriken sind ohne Digitalisierung gar nicht mehr vorstellbar – "Just in Time"- die Verlagerung des Zulieferlagers in Lastwagen auf der Autobahn und das sekundengenaue Flottenmanagement sind längst Standard. Vernetzt ist das alles mit dem gesamten Produktionsprozess und der heißt "Just in Sequence", also "der Reihe nach". Holger Lapschies, Fachbereichsleiter des für die Automobilproduktion spezialisierten Hard- und Softwarehauses gedas erklärt das System, wie es innerhalb eines Automobilwerks funktioniert. In seinem Beispiel sind Karosserieteile inzwischen vormontiert:

    "Dort macht es natürlich Sinn, optimale Sequenzen, insbesondere für die Lackiererei, zu bilden. Das heißt, darauf zu achten, dass möglichst viele Fahrzeuge in die Lackiererei reinkommen, um halt den Abstand zwischen den Fahrzeugen möglichst gering zuhalten und andererseits auch die Reinigungskosten für die Düsen zu reduzieren. Die jede Düsenreinigung kostet einige Euro und je seltener ich so etwas machen muss, desto günstiger wird es natürlich. Zwischen Lack und Montage, dem nächsten Arbeitsschritt, gibt es in der Regel ein Karossenlager, um optimale Sequenzen für die Montage planen zu können. Beim einen Lauf in die Montage kommt dann der "in Sequence "-Abruf für die Zulieferer, sodass die dann genau über die Reihenfolge informiert sind. Mit Montageeinlauf gibt es dann besondere Druckanweisungen, die dann erfolgen, und diverse andere Steuerungen innerhalb des Werkes, die dann darüber informiert werden, in welcher Konfiguration das Fahrzeug dann innerhalb der nächsten Zeit bei ihnen vorbeikommen wird, um die Roboter auch steuern zu können. Dass der richtige Füllroboter für Benzin vielleicht auch Benzin in den Tank des Benzin-Fahrzeugs schüttet, anstatt Diesel, das wäre vielleicht auch ganz angenehm."

    Das "Internet der Dinge" ist in modernen Automobilwerken bereits Realität. Just in Sequence ähnelt in etwa dem, was das Internet-Protokoll mit den Datenpaketen macht: die virtuellen Pakete werden nämlich auch erst in unseren Rechnern wieder in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt. Da im zunehmenden Maße die Teile, aus denen ein Auto hergestellt wird, mit Funkchips, den RFIDs ausgestattet werden, funktioniert "Just-In-Sequence", also die "Bitte der Reihe nach"- Anweisung an die Zulieferer schneller, erklärt Holger Lapschies am Beispiel eines Kabelbaums für Autos: Es ist heute aus Kostengründen üblich...

    "... dass die Hersteller von Fahrzeugen darauf achten, dass sie die Kabelbäume so in ein Fahrzeug einbauen, wie Sie auch tatsächlich gebraucht werden. Das heißt: wenn ein Kunde zwei Lautsprecher bestellt, werden auch genau diese beiden Kabel für die Lautsprecher vorhanden sein und nicht die für die Lautsprecher, die vielleicht auch hinten eingebaut sein könnten. Das heißt für jedes Fahrzeug wird ein individueller Kabelbaum zusammengestellt, um einfach Kosten zu sparen, in der Herstellung der Kabelbäume. Das ist der eine Aspekt."

    Der andere: Man will den Kunden möglichst kurzfristig individuelle Ausstattungsänderungen gestatten. Bis 90 Minuten vor Produktionsbeginn wäre beispielsweise noch eine Änderung am Cockpit eines Autos möglich. Ein Tastenklick genügt. Und wie in der digitalen Welt wird alles, was mit dem Fahrzeug während des gesamten Produktionsprozesses geschieht, dokumentiert. Dafür gibt es eine so genannte "Digi-Box", die das Auto bis zur Auslieferung begleitet:

    "All diese Geräte, Bauteile müssen dokumentiert werden, aus welchen Chargen einzelne Komponenten kommen, um einmal während des Baus dieser einzelne Komponenten sicherzustellen, dass die richtige Konfiguration gebaut wird, um vielleicht Prozesse zu verriegeln. Das heißt: wenn falsche Geräte oder Teile zusammengebaut worden, dass das nicht an den Kunden ausgeliefert werden kann und zum anderen auch, um im Sinne von Rückruf Aktionen die Kosten möglichst gering zu halten, weil nämlich dann gezielt einzelne Objekte angesprochen werden können und nicht so, wie es heute in der Zeitung häufiger steht: wir rufen mal die Serie von eins bis 10.000 zurück, weil wahrscheinlich sieben Fehler dabei waren, aber der Kundendienst musste sich alle 9993 ansehen und das treibt die Kosten in die Höhe. Mit solchen Systemen ist es dann möglich, exakt diese sieben zu identifizieren, oder wie viele es sein mögen und dann auch genau diese sieben Kunden nur anzusprechen, wenn man das aufgenommen hat, während seiner Verkaufsprozesse."

    Bis dahin bleibt die Digi-Box im Fahrzeug. Selbst nachdem es fertig ist, könnte der mit 20 Gigabyte Speicherplatz ausgestattete Minirechner weiter aufzeichnen, wie sich die einzelnen Komponenten in der Realität vertragen und welche Prozesse Fehler verursachen. Doch bislang nutzen die Hersteller diese Möglichkeit nur für ihre Testfahrzeuge. Die Boxen sind einfach noch zu teuer.