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Justin Reiter
Allein gegen das IOC

Der US-Snowboarder Justin Reiter ist dabei, Sportgeschichte zu schreiben. Denn: Er hat das Internationale Olympische Komitee verklagt. Vor einem Zivilgericht. Eine Premiere. Der Grund: Das IOC hat Reiters Disziplin, den Parallelslalom, aus dem olympischen Programm gestrichen.

Von Andrea Schültke | 26.09.2015
    Justin Reiter will's wissen: Der Snowboarder verklagt das IOC.
    Justin Reiter will's wissen: Der Snowboarder verklagt das IOC. (dpa / picture alliance / Caroline Seidel)
    Zwei Snowboarder im Wettkampf. Im direkten Duell rasen sie nebeneinander die Piste herunter. Der Parallelslalom war im vergangenen Jahr in Sotschi zum ersten Mal olympisch. Justin Reiter am Ziel seiner Träume. Der olympische Traum fesselt ihn nach wie vor, sagte der ehemalige WM-Zweite einmal im Interview mit dem US-Fernsehsender Fox31 - doch es ist gut möglich, dass er diesen olympischen Geist nicht noch einmal erleben kann.
    Denn im Juni dieses Jahres hat das IOC entschieden: Reiters Disziplin, der Parallelslalom, wird aus dem Olympiaprogramm der Winterspiele 2018 gestrichen. Zu Unrecht, meint der Amerikaner. Und Reiters Schweizer Anwalt Rocco Taminelli ist überzeugt: das IOC hat seine eigenen Regeln gebrochen: "Das IOC darf ein Olympia-Programm ändern, aber das darf er nur bis drei Jahre vor den nächsten Olympischen Spielen. Und das ist in unserem Fall zu spät passiert und deswegen sind wir der Meinung, dass dies unregelmäßig erfolgt ist."
    Denn von Juni 2015 bis Februar 2018 sind es nur zweieinhalb und nicht drei Jahre. Deshalb hat sein Mandant Justin Reiter das IOC verklagt. Die Richter haben die Klage vor einem Zivilgericht in Lausanne jetzt zugelassen. Ein erster Erfolg.
    Premiere: Das IOC vor einem Zivilgericht
    Dass es ein Verfahren gibt, hat das IOC auf Anfrage des Deutschlandfunks bestätigt. Eine inhaltliche Stellungnahme gibt es aber nicht. Rocco Taminelli ist da auskunftsfreudiger. Der Schweizer Anwalt ist ein erfahrener Sportrechtler. Er hat schon viele namhafte Athleten in Verfahren gegen große Sportorganisationen vertreten. Einen Fall wie diesen mit dem Parallel-Slalom hat Taminelli aber noch nicht erlebt: "Wir sind nicht mehr vor einem Sportgericht sondern vor einem Zivilgericht und wir bringen das IOC in ein Terrain das nicht sein beliebtestes Terrain ist."
    Justin Reiter allein gegen das mächtige IOC - das könnte teuer werden. So teuer, dass er die Kosten ohne Hilfe nicht stemmen kann, sagt Reiter. Er rechnet mit 175.000 Dollar, versucht, das Geld durch einen Spendenaufruf zusammen zu bekommen. In einem Internetvideo will er potenzielle Unterstützer überzeugen: Es geht nicht allein um ihn.
    Reiter geht es auch um Kinder und ihren Olympischen Traum. Aber den schreibt sich doch eigentlich auch das IOC auf die Fahnen. Die Jugend der Welt soll zusammenkommen - offenbar bis auf die, die Parallel-Slalom fährt. Nicht allein diese Disziplin ist betroffen, meint die deutsche Snowboard-Weltmeisterin Isabella Laböck. Für sie geht es auch ganz allgemein um die Rechte von Sportlern:
    "Es wird auf jeden Fall ein Beispiel sein für alle Athleten auch aus verschiedenen Sportarten, dass man sich nicht von Funktionären, die willkürlich entscheiden alles gefallen lassen muss und darf als Sportler, wo einem einfach unbegründet die Existenz unter den Füßen weggezogen wird."
    Hoffnung auf Unterstützung durch andere Athleten
    Die internationale Snowboardgemeinde habe schon im Sommer viele Aktionen gestartet. Gegen den Rauswurf aus dem Olympiaprogramm 2018. Es gab eine Unterschriftensammlung und einen Protestbrief der Athleten an das IOC, so Laböck. Bisher ohne Erfolg. Sollte es dabei bleiben hätte das schwerwiegende Folgen: "Da hängen Fördergelder dran da sind Trainerposten, mit denen man schon lange geplant hat und auch gegenüber Sponsoren hat man eine Verantwortung, die haben damit gerechnet."
    Deshalb kann Justin Reiter wohl mit der Unterstützung vieler Athleten rechnen. Die ist auch nötig. Denn von den 175.000 US-Dollar für seine Klage gegen das IOC hat er gerade mal fünf Prozent erreicht. In der kommenden Woche wollen Reiters Anwälte die ausformulierte Klageschrift beim Bezirksgericht Lausanne einreichen. Die Zeit drängt. Justin Reiter und seine Kollegen müssen wissen, ob sie ihren Olympischen Traum weiter verfolgen können. Es wird ein langer Kampf, glaubt Reiter. Er will vor Gericht gewinnen, damit Snowboarder auf der Piste siegen können. Hochachtung von Isabella Laböck:
    "Wirklich Hut ab, was der Justin da im Moment macht und er kann sich sicher sein, dass natürlich alle Athleten hinter ihm stehen und die Aktion unterstützen werden und ihm auf seinem Weg beistehen und belgeiten natürlich."
    Auch seine Anwälte wollen ihrem Mandanten helfen. Rocco Taminelli hat signalisiert, manche Tätigkeiten ehrenamtlich auszuführen: "Weil allein gegen das IOC das ist wirklich wie der Kampf David gegen Goliath, das wird nicht sehr einfach sein."