Archiv

Justin Trudeau im Wahlkampf
Mr. Kanada muss kämpfen

Es läuft nicht glatt für den einstigen Polit-Darling: Kanadas Premier Justin Trudeau hat durch Skandale und leere Wahlversprechen viel Glaubwürdigkeit verspielt. Davon profitiert sein konservativer Herausforderer Andrew Scheer. Für die Wahl am 21. Oktober wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet.

Von Antje Passenheim |
Mehrere Hände halten Justin Trudeau Mikrofone entgegen. Er gibt eine Erklärung zu einem Foto aus dem Jahr 2001 ab, das ihn mit einem dunkel geschminkten Gesicht, einem Gewand und einem Turban zeigt.
Entschuldigung im Brownfacing-Skandal: Auf einem Maskenball vor 20 Jahren hatte Justin Trudeau sein Gesicht dunkelbraun geschminkt. (The Canadian Press/AP)
"Das ist Kanada. Und in Kanada ist 'besser' immer möglich!"
Mr. Kanada, der vielumschwärmte Regierungschef des kleinen Nachbarn der USA. Nach seinem Wahlsieg vor vier Jahren. Einen sonnigen Weg sagte Justin Trudeau voraus. Das könne positive Politik ausrichten. Doch der Weg für ihn ist weniger sonnig als steinig geworden. Ein Popstar ist Trudeau vor allem im Ausland geblieben. Im eigenen Land ist der Hype um den jungen Regierungschef um einiges kleiner geworden. Und seine Töne leiser.
Lasst uns ein Ahornbäumchen pflanzen. Kanadas Premierminister zeigt sich in diesen Tagen gern mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und Spaten in der Hand. Wie hier in der wichtigen Wahl-Provinz Ontario.

"Das machen wir nochmal. Er hat nicht in die Kamera geschaut", sagt ein Wahlhelfer. Und eins, zwei, drei, Trudeau setzt den Spaten noch einmal an. Ob ihm das auch nach dieser Wahl gelingt, ist offen. Es läuft nicht glatt für den einstigen Polit-Darling. Als Senkrechtstarter hat der Sohn des langjährigen und beliebten Regierungschefs Pierre Trudeau das Land nach mehreren konservativen Regierungszeiten übernommen. Stand für den Wechsel der Generationen, den Wechsel in der Politik. Ist angetreten, Kanada in eine liberale, tolerante und moderne Zeit zu führen. Das Ausland umjubelte ihn als Kanadas Kennedy. Als Anti-Trump. Das Magazin 'Rolling Stone' feierte den jungen Politiker als "beste Hoffnung der freien Welt". Doch Mr. Charming – er muss jetzt kämpfen, und sei es mit Bäumen.
"So what we’re going to do is: plant two billion trees over the next decades in our cities and in other places where needed."
Baumpflanzaktion von Premier Justin Trudeau mit Tochter Ella-Grace während des Wahlkampfs
Baumpflanzaktion von Premier Justin Trudeau mit seiner Tochter Ella-Grace während des Wahlkampfs. (The Canadian Press/AP Images/Ryan Remiorz)
Trudeau muss von Skandalen und leeren Wahlversprechen ablenken
Zwei Milliarden Bäume will seine Regierung in die Erde setzen, wenn sie wiedergewählt wird. Nicht nur ein symbolischer Akt. Trudeau weiß: Er muss was Bodenständiges tun, um von seinen Skandalen und leeren Wahlversprechen abzulenken. Und er muss besonders um verprellte Umweltschützer kämpfen, will er genug Stimmen für eine zweite Amtszeit haben. Denn es ist nicht klar, ob es für seine Liberale Partei reicht. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Justin Trudeau gegen seinen konservativen Herausforderer Andrew Scheer.
Fernsehdebatte auf Französisch: links der liberale Premier Justin Trudeau, rechts sein Rivale,der Führer der Konservativen, Andrew Scheer. 
Fernsehdebatte auf Französisch: der Liberale Trudeau streitet mit seinem Rivalen, dem Konservativen Andrew Scheer (The Canadian Press/AP/Chris Wattie)
Trudeau kann es förmlich hören, als er in seinem roten Kampagnenbus vor dem Historischen Museum in der Hauptstadt Ottawa anrollt. Zur ersten englischsprachigen TV-Debatte mit seinen fünf Rivalen. "Vier weitere Jahre", singen die rot-bemützten Trudeau-Anhänger. Viele von ihnen junge Kanadier wie der 17-jährige Matthew. Hope and Hard Work steht auf seinem Button – Hoffnung und harte Arbeit. Und das gilt Trudeau:
"Er sollte weitermachen. Sie haben hier gute Arbeit gemacht, haben viel gegen Kinderarmut getan. Sie kämpfen gegen den Klimawandel. Es gibt noch viel zu tun. Und sie sollten weitermachen."
Blasser Gegenkandidat mit guten Chancen
Doch der weitaus ältere Chor der blau-gekleideten Herausforderer hält dagegen. Nicht "Four more years", sondern Andrew Scheer. Chef der Konservativen und mit 40 nochmal sieben Jahre jünger als Trudeau. Ein blasser Politiker, verglichen mit dem charismatischen Trudeau.
Der Führer der kanadischen Konservativen, Andrew Scheer, auf Wahlkampftour in Fredericton.
Der eher solide und auf viele langweilig wirkende Anführer der Konservativen im Parlament sorgt nicht für Exzesse wie Popstar Trudeau. (The Canadian Press/Adrian Wyld)
Der in einer Politikerfamilie aufgewachsen ist und als Kind schon Staatsmännern wie Helmut Schmidt, Ronald Reagan oder Maggy Thatcher begegnete. Ein Star gegen eine graue Maus. Doch gerade das könnte dem ehemaligen Versicherungsvertreter Scheer zugutekommen. Der eher solide und auf viele langweilig wirkende Anführer der Konservativen im Parlament sorgt nicht für Exzesse wie Popstar Trudeau.
"Wir haben den Kanadiern gezeigt, dass Justin Trudeau sie in die Irre geführt hat. Er hat gelogen und den Kanadiern dabei in die Augen geschaut. Wir denken, dass er die moralische Berechtigung verloren hat, zu regieren."
Ausgerechnet Trudeau, der seinem Land einen offenen Politikstil versprochen hat, ist in einen Korruptionsskandal verwickelt. Der Vorwurf: Er soll Ermittlungen seiner damaligen Justizministerin gegen einen Baukonzern in seinem Wahlkreis unterdrückt haben. Zwei Ministerinnen traten zurück. Mitte August rügte die Ethik-Kommission des Landes: Trudeau hat sich falsch verhalten. Der Premier entschuldigte sich:
"Das war eine Situation, die nicht hätte passieren dürfen. Ich übernehme die Verantwortung für meine Fehler."
Doch er drückte gleich wieder die Löschtaste:
"Auf der anderen Seite kann ich mich auch nicht dafür entschuldigen, dass ich kanadische Jobs retten wollte."
"Herr Trudeau, Sie sind ein Schwindler"
Trudeau begrüßt Bürger in Tilbury, Ontario, Oktober 2019
Wahlkampftour in Tilbury, Ontario: Trudeaus Regierung hat in vier Jahren mehr als eine Million Jobs geschaffen. (The Canadian Press/AP/Sean Kilpatrick)
Eine von vielen Entschuldigungen, die Trudeau in den vergangenen Monaten aussprechen musste. Unter anderem soll er sich einer Journalistin gegenüber sexistisch verhalten haben. Ausgerechnet Trudeau, der vor vier Jahren für die Integration, die Gleichberechtigung, für alles politisch Saubere und Bessere angetreten war. Scheer triumphiert:
"Herr Trudeau, Sie sind ein Schwindler, Sie sind ein Betrüger und Sie haben es nicht verdient, dieses Land zu regieren."
Trudeau stehe nicht wirklich für Kanada. Er täusche seine Wähler, schimpft Scheer in der Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten. Trudeau trage immer eine Maske. Gemeint ist der jüngste Skandal um den Premier. Ausgelöst durch 20 Jahre alte Fotos, die ganz plötzlich vor der Wahl in den sozialen Medien auftauchten. Darauf hatte sich der damalige Privatschul-Lehrer Trudeau auf einem Maskenfest für seine Verkleidung als Aladin sein Gesicht dunkelbraun geschminkt. Das so genannte Brownfacing hat Trudeau im Nachhinein selbst als rassistisch bezeichnet und sich dafür entschuldigt.
"This is something that obviously I deeply regret and I never should have done."
Doch es bleibt etwas haften vom Brownfacing-Skandal. Vor allem bei den Konservativen Wählern, die vor dem Museum mit ihren blauen Bannern warten:
"Terrible, terrible, it’s terrible. It’s embarrassing for us as Canadian Citizens."
"Es ist furchtbar. Es ist peinlich für uns Kanadier."
Enttäuschung über Trudeau auch bei weiblichen Wählerinnen
Es sind vor allem viele Frauen, die sich die Haare raufen. Trudeaus stärkste Wählergruppe. Was gemessen am amerikanischen Wahlkampf noch harmlos erscheint - für viele Kanadier ist es eine einzige Schmutzkampagne.

"Das gab es früher nicht. Da haben sich die unterschiedlichen Parteien respektiert, auch wenn sie anderer Meinung waren."
Eleanor Renaud hat viel zu viel zu tun, als sich um die Skandale in Ottawa zu kümmern. Eineinhalb Auto-Stunden entfernt betreibt sie eine Getreide- und Rinder-Farm. Beackert vier Quadratkilometer Land. Da oben regieren Kleinkinder, sagt sie, als sie ihre Jungkühe und Kälber ruft.
"Die benehmen sich als wären sie zwei. Alle reden durcheinander. Statt einfach anzupacken, unsere Sorgen ernst zu nehmen."
Hier an der Ecke beginnt unsere Farm, zeigt Eleanor stolz. Die abgelegene Straße, an der sie wohnt, trägt ihren Mädchennamen: Leacock Road. Wenn sie aus dem Fenster schaut, blickt die Farmerin auf ihre "Mädels". Eleanor schüttelt den Kopf über die Spitzenkandidaten. Wie sie sich mit Schlamm bewerfen. Aber auch für das Meckern vieler Wähler hat sie kein Verständnis.
"Ich verstehe nicht, wenn jemand XYZ von einer Regierung fordert. Und alles kostenlos, und sich dann wundert, dass die Steuern steigen. Und bei der nächsten Wahl sagt der Gegenkandidat: Ich senke die Steuern. Und wird gewählt. Und senkt die Steuern, aber streicht dafür Leistungen. Das regt mich auf, dass die Leute nicht kapieren, dass sie nicht beides gleichzeitig haben können.
Trudeaus stärkste Wählergruppe sind Frauen. Hier im Kreise von Unterstützerinnen.
Seine stärkste Wählergruppe waren bislang Frauen - hier wird der Premierminister von Unterstützerinnen umringt. (The Canadian Press/AP/Frank Gunn)
"Unsere Regierung muss den Klimawandel ernst nehmen"
Die langhaarige Frau in Jeans, Flanellhemd und mit funkelnden Augen und fast so funkelnden Ohrringen hat immer für sich selbst gesorgt. Sechs Schwestern hat sie. Doch sie blieb als einzige auf der Farm. Der Vater starb. Sie rückte nach. Übernahm Haus und Hof und zahlte ihre Schwestern aus.
"Ich habe vieles verbessert."
Trudeau muss besonders um verprellte Umweltschützer kämpfen, will er genug Stimmen für eine zweite Amtszeit haben
Trudeau muss besonders um verprellte Umweltschützer kämpfen, will er genug Stimmen für eine zweite Amtszeit haben (The Canadian Press/AP/Frank Gunn)
Stolz zeigt sie auf ihr kleines Solarzellenfeld. Da ist die Farmerin dem Ruf der Trudeau-Regierung gefolgt.
"Die Regierung hat uns einen Deal angeboten: Sie hätten nie gedacht, wie viele Farmer da mitmachen: Wir kaufen die Panels und bekommen Geld für den Strom: 82 Cent pro KW/Stunde. Meine Panels habe ich in fünf Jahren abbezahlt."
Trudeau sei für den Schutz des Klimas angetreten. Und die Farmer betreffe der Wandel des Wetters am meisten. Eleanor zeigt auf ein mickriges Feld mit Sojabohnen. Da, wo jetzt Pflanzen zur Ernte stehen sollten, ist viel Fläche braun und leer.
"Ich wollte das ganze Feld bepflanzen. Aber es regnete bis Ende Juni. Und ich meine: Es regnete."
Es goss derart, dass viele Regionen in den Provinzen Ontario, Quebec und New Brunswick wochenlang unter Wasser standen. Viele Menschen mussten zeitweise ihre Häuser verlassen. Die Regierung rief den Notstand aus. Keine Chance, da rechtzeitig zu pflanzen, sagt Eleanor:
"Wir haben es wieder und wieder mit dem Bohnenfeld versucht. Ein paar Pflanzen habe ich setzen können. Aber der Rest wäre im Matsch versunken."
Das Biosphärenreservat 1000 Islands nahe Ontario, Kanada
Landwirte beklagen, dass der Klimawandel wechselweise mit starken Regenfällen, Überschwemmungen oder Dürrephasen die Ernte zerstört. (imago)
"Wenn du was verändern willst, musst du dafür zahlen"
Ende Juni wurde es dann heiß. Und es regnete gar nicht mehr. Bis Ende September.
"Unsere Regierung muss den Klimawandel ernst nehmen. Sie muss die Landwirtschaft ernst nehmen. Wir füttern Euch."
Schließlich seien die Farmer auch immer da, wenn es darum gehe, Veränderungen anzustoßen.
Raus aus der Kohle, meint die Farmerin. Und eine CO2-Abgabe für die großen Verschmutzer. So, wie Justin Trudeau sie trotz der Vorwahlzeit für das ganze Land eingeführt habe. Der Klimaschutz sei für die meisten Kanadier das Thema Nummer eins. Und sie seien bereit, etwas dafür zu geben:
"Wenn du was verändern willst, musst du dafür zahlen. Die einzige Partei, die einen Plan zum Schutz des Klimas hat, sind die Liberalen. Sie haben den Plan, ob sie ihn erfüllen oder nicht. Irgendwo musst du anfangen."
Umweltschützer werfen Trudeau seine Nähe zu Wirtschaftsunternehmen vor
Ankündigen und Anfangen ist nicht genug, meinen dagegen viele enttäuschte Umweltschützer, die Trudeau vor vier Jahren gewählt haben. Sie haben seinem Plan geglaubt und fühlen sich nun getäuscht. Viele wenden sich der Grünen Partei zu. Einer von ihnen ist Doug – verprellt von Justin Trudeau:
"Er hat gelogen. Er hat auch versprochen, Subventionen für Öl und Gas zu kappen. Auch das hat er nicht getan."

Umweltschützer werfen Trudeau seine Nähe zu Wirtschaftsunternehmen vor. Sie schimpfen, weil er sich einerseits für den Umweltschutz stark macht, andererseits eine umweltgefährdende Ölpipeline genehmigt, die mitten durch das Gebiet indigener Völker geht. Die umstrittene Leitung, die sein Kabinett genehmigt hat, soll Bitumenöl aus den Teersandfeldern von Alberta an die Pazifikküste bringen. Umweltschutz ist besonders kniffelig in einem Land, das die drittgrößten Ölreserven der Welt hat und damit auch Geld verdienen will, sagt Angela Keller-Herzog, die für die Grünen in Ottawa ins Parlament ziehen will.
"Kanada exportiert Energie und da hat es große wirtschaftliche Interessen. Und bis da mal eine Wende kommt, da müssen wir uns wirklich ganz energisch dranhalten."
Proteste indigener Bevölkerungsgruppen in Toronto (Archivbild März 2018)
Proteste indigener Bevölkerungsgruppen in Toronto (imago/Bernard Weil)
Frühe Energiewende im flächenmäßig zweitgrößten Land der Welt
Die Kanadierin ist mit elf Jahren mit ihren Eltern aus Konstanz hierher gezogen. In Ottawa führt sie ein ökofreundliches Bed and Breakfast.
Solarstrom, Naturprodukte, bewusstes Wirtschaften. Die Aktivistin engagiert sich seit Jahren für den Umweltschutz. Sorgen darüber hört sie oft, wenn sie in ihrem Wahlkreis von Tür zu Tür geht und mit den Wählern spricht.
"Wir müssen eine Wende machen, so wie in Deutschland. Da haben sie die Energiewende. Wir müssen also eine ganze wirtschaftliche Wende machen."
Immerhin: Lange bevor Deutschland sie überhaupt beschlossen hat, hat Trudeaus Regierungspartei landesweit die CO2-Abgabe bereits durchgedrückt, in einem Ölland, das dreißig mal so groß ist wie die Bundesrepublik, gegen konservativ dominierte Provinzen, die sich dagegen mit Händen und Füßen gewehrt haben. Trudeau betont das in jeder Debatte, wenn Grünen-Spitzenkandidatin Elizabeth May ihm vorwirft, die Ölindustrie zu unterstützen:
"Die Kanadier brauchen einen Plan, der gleichzeitig umweltfreundlich ist und die Wirtschaft stärkt."
"Wenn du regierst, musst du auch mit Trump klarkommen"
Der Konservative Andrew Scheer während einer Fragestunde in Toronto im Oktober 2019.
Scheer sagt, Kanada könne sich weitere vier Jahre Trudeau nicht leisten. (The Canadian Press/Adrian Wyld )
Er habe 900.000 Menschen aus der Armut geholt, Programme gegen Kinderarmut verwirklicht, die Steuer für die Mittelklasse gesenkt und die Abgaben der Reichen erhöht. Seine Regierung habe mehr als eine Million Jobs geschaffen. Tatsächlich war die Arbeitslosenquote in Kanada jahrzehntelang nicht so niedrig wie heute. In dem großen Staat mit 37 Millionen-Einwohnern liegt sie bei fünfeinhalb Prozent. Doch Trudeaus konservativer Herausforderer Scheer warnt: Weitere vier Jahre Trudeau kann sich das Land nicht leisten.
Das Mantra im Wahlkampf des Konservativen, sagt der Politikstratege der Universität Ottawa, David Moscrop:
"Der Kern der konservativen Kampagne dreht sich um Justin Trudeaus Fehler und 'Wir wollen Steuererleichterungen'."
Scheer verspricht: Wird er gewählt, wird er Trudeaus CO2-Steuer gleich wieder einkassieren. Der Ton wird nationaler: Weniger Geld ins Ausland. Mehr Geld für Kanada. Die Liberalen sind vorsichtig damit, die konservativen Rivalen in die Nähe von Donald Trump zu rücken:
"Auf der einen Seite ist er ein Gegenbild, über das sie sagen: So sind wir nicht. Auf der andern Seite: Wenn du regierst, musst du auch mit Trump klarkommen."
Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto (l.), US-Präsident Donald Trump und Kanadas Premierminister Justin Trudeau (r.) haben in Buenos Aires ein neues Handelsabkommen unterzeichnet. 
Wer Kanada regiert, muss auch mit Trump klarkommen, meint Politikstratege Moscrop. Premier Trudeau begrüßt den mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto. (AFP / Saul Loeb )
Selten zuvor gab es einen derart langen Gleichstand vor einer Wahl
Vielleicht hat Trudeau seinen Herausforderer Scheer auch stärker gemacht, indem er ein weiteres zentrales Wahlversprechen von 2015 gebrochen hat: Dass er das alte kanadische Mehrheitswahlrecht reformieren will. Mit diesem Versprechen hatte er sich die Stimmen vieler Anhänger kleinerer Parteien gesichert, die sich im bisherigen System politisch nicht durchsetzen können. Weder die Grünen, noch die sozialdemokratische NDP, weder der regionale Bloc Québécois, noch die rechtspopulistische Volkspartei hätten - ohne Verhältniswahlrecht wie etwa in Deutschland - wirklich eine Chance, das Ruder zu übernehmen. Den Kuchen teilen sich traditionell die beiden großen untereinander auf. Politstratege Moscrop wagt die These, dass es am Montag für Premier Trudeau reicht.
"Meine Theorie ist, dass wir am Ende eine Liberale Mehrheit haben. Weil die Leute Angst vor einem Wechsel haben. Die Liberalen stehen gut in Quebec und in den wichtigen Vororten von Toronto."
Beobachter sind sich einig: Selten zuvor gab es einen derart langen Gleichstand vor einer Wahl wie diesmal. Und alle schauen gebannt darauf: Wird Trudeau es weiter schaffen? Wenn nicht, es wäre – mit Ausnahme der 1930er Jahre - das erste Mal, dass ein Regierungschef im gesetzgeberisch unabhängigen Kanada vor seiner zweiten Amtszeit gehen muss. Ausgerechnet dieser Premierminister, der durch seine besonders hoch gesteckten Ziele auch besonders tief fallen würde.