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(K)eine katholische Alternative

Die Alt-Katholische Kirche ist ein Zusammenschluss von selbstständigen katholischen Kirchen. Sie ist 1870 entstanden, weil sich die katholischen Bonner Theologieprofessoren mehrheitlich weigerten, das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zu akzeptieren. Seit Sonntag haben die deutschen Alt-Katholiken in Bonn eine Kathedralkirche.

Von Henning Hübert | 07.06.2012
    Nach dem ersten Vatikanischen Konzil von 1870 weigerten sich die katholischen Bonner Theologieprofessoren mehrheitlich, das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zu akzeptieren. Ausgehend von diesem Protest entstand ab 1873 das Seminar der Alt-Katholiken an der Bonner Universität.

    Zwei Jahre nach seiner Bischofweihe hat Matthias Ring genaue Zahlen auf den Tisch gelegt: Das Bistum der deutschen Alt-Katholiken zählte 2011 mit 15.420 Mitgliedern gut 100 Gläubige mehr als im Vorjahr. Mehr Alt-Katholiken als in Deutschland gibt es mit gut 19.000 Gläubigen nur in Polen, etwas weniger in Österreich und der Schweiz. Zusammen mit Gläubigen in den Niederlanden und Tschechien kommt die Utrechter Union, der europäische Gesamtverbund der Alt-Katholiken, auf 70.000 Mitglieder. Bischof Matthias Ring sagt für Deutschland: Die Alt-Katholiken wachsen, wenn auch nur leicht. Auf einen Austritt kommen schon seit vielen Jahren drei bis vier Eintritte. Und unter diesen neu Eingetretenen stamme mehr die Hälfte aus der römisch-katholischen Kirche – so wie auch Ring selbst:

    "Eine Kirche, die eine Beitrittskirche ist, hat eine gewisse innere Dynamik. Jeder Mensch, der neu dazu kommt, bringt neue Ideen mit. Das ist nicht immer einfach. Gerade auch auf Gemeindeebene. Wo ja auch in kleinen Gemeinden zwei, drei Neue sehr bestimmend wirken können. Das ist natürlich auch eine Chance. Also ich kann mich in dieser kleinen Kirche auch vielmehr einbringen wie in einer großen. Aber das ist ein dynamischer Prozess, der nicht immer schmerzfrei verläuft."

    Matthias Ring ist ein Reisebischof. Zwischen Ostern und Advent hat er mehr als 100 Termine, an denen er Gottesdienste fern von seinem Bischofssitz Bonns feiert. Mal auf dem platten Land, mal in Großstädten wie München, Augsburg oder Hannover:

    "Wir sind ein städtisches Phänomen. Das ist im 19. Jahrhundert so gewesen - in der Stadt konnte man einer Minderheit angehören. Und ich glaube, das wird auch so bleiben. Wir haben natürlich auch ländlichere Regionen, wo wir quasi Volkskirche sind. Im Südbadischen nehme ich eine sehr positive Entwicklung wahr. Aber so kleine Gemeinden auf dem Land tun sich einfach schwer."

    Beispiel Oberfranken im Freistaat Bayern. Lothar Adam besucht in der Pfarrkirche Weidenberg bei Bayreuth, wenn es geht, die wöchentlichen Gottesdienste. Ein alt-katholischer Pfarrer betreut die Gläubigen, die verstreut zwischen Coburg, Bayreuth, Weidenberg und Neustadt an der Orla leben. In Münchberg wurden die Gottesdienste mangels Nachfrage eingestellt. Im Zentrum Weidenberg findet sich dagegen, so Lothar Adam, ein lebendiges Gemeindeleben. Es gibt einen Chor, einen Flötenkreis und Brettspielabende.

    "Bedingt durch eine engagierte Kirchengemeinde und einen sehr engagierten Pfarrer sind bei uns auch die vielen Dinge möglich. In den Außenstationen, in denen ganz selten Gottesdienst ist: Da sind dann nur noch sehr wenige Alt-Katholiken. Bei uns in Nordostbayern ist die Vergangenheit unserer Kirche eng gekoppelt mit der Vertreibung der Leute aus dem Sudetenland. Die ihren alt-katholischen Glauben mitgebracht haben. Von denen sind nicht mehr so viele da. Sehr oft war es dann auch so, wenn die Ehepartner hatten, die nicht alt-katholisch waren, sind die Kinder auch nicht mehr alt-katholisch. Insofern haben wir in den Extremst-Diaspora-Außenstellen das Problem, dass es immer weniger wird."

    Für die gegenteilige Entwicklung, das Wachstum in Großstädten, stehen Kirchenneubauten der Alt-Katholiken in Hannover und Augsburg. Dass die Altkatholiken in Bonn nun auch eine eigene Kathedralkirche besitzen, demonstriert ebenfalls ein gewachsenes Selbstbewusstsein. 7,5 Millionen Euro hat das Land Nordrhein-Westfalen als Eigentümer in die Renovierung der Namen-Jesu-Kirche unweit von Beethovens Geburtshaus gesteckt. Die Kirche ist nun dem Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland zur liturgischen Nutzung überlassen, nachdem die römisch-katholische Hochschulgemeinde ausgezogen war.

    Der Bonner Ordinariatsrat und Pfarrvikar Ralph Kirscht hofft auf viele Begegnungen in der Namen-Jesu-Kirche, auch mit Innenstadt-Passanten, die zufällig vorbeischauen:

    "Man kann hier auch mal hinten erstmal sitzen bleiben, erstmal gucken. So reinschnuppern. Die Idee ist, dass Menschen Alt-Katholizismus kennen lernen. Und dann vielleicht auch mal nach St. Cyprian kommen und bleiben. Manch einer wird immer nur Gast bleiben und das ist auch in Ordnung."

    Von den 640 Mitgliedern der Bonner Pfarrgemeinde Sankt Cyprian sind nicht einmal einhundert älter als 65 Jahre. In Bonn gibt es einen alt-katholischen Kindergarten und an der Universität das Seminar der Alt-Katholiken – der einzige Ort in Deutschland für ihre Theologenausbildung. Nach dem ersten Vatikanischen Konzil von 1870 hatten sich die katholischen Bonner Theologieprofessoren mehrheitlich geweigert, das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zu akzeptieren. Ausgehend von diesem Protest entstand ab 1873 die Ausbildungsstätte an der Bonner Universität. 40 Studierende gibt es dort heute, etwas mehr als in früheren Semestern, darunter vier Priesteramtskandidatinnen und Kandidaten für das gesamte deutsche Bistum, weiß Anja Goller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar:

    "Für uns ist das, was wir haben, gut. Wir müssen die Leute auch irgendwie später unterbringen können. Sonst hat das keinen Sinn. Wir haben etwa 40 hauptamtliche Stellen. Dazu kommen noch ein paar Sonderstellen, aber das war es dann auch schon."

    Der niederländische Erzbischof der Alt-Katholiken, Joris Vercammen, ist Vorsitzender der Utrechter Union, dem 1889 gegründeten europäischen Verbund mehrerer kleiner, von Rom unabhängiger nationaler katholischer Kirchen. Er bedauert die gegenwärtige Austrittswelle in der römisch-katholischen Schwesterkirche, weil sich viele mit einem Austritt generell vom Christsein verabschieden würden. Die synodal organisierten und kirchensteuer-finanzierten Alt-Katholiken stünden aber bereit, Enttäuschte aufzunehmen. Hat er eine Vision, etwa um den Faktor zehn zu wachsen? Erzbischof Joris Vercammen sagt: kein Problem.

    "Das muss man organisieren. Das muss strukturiert werden. Das ist eine andere Aufgabe für eine Million von Leuten als für 100.000 oder 200.000 Leute. Das ist deutlich. Aber wir sind in der Lage, das zu organisieren, das ist kein Problem. Aber die Ideale müssen bleiben, weil das ist unsere Berufung."