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Kacheln, Klebstoff und Kanonen

Technik. - Im Gebäude 32 des Johnson Space Centers der Nasa in Houston wird seit ein paar Tagen wieder experimentiert, was das Zeug hält. Die große Vakuum-Kammer mitten in der Halle war zuletzt zu Apollo-Zeiten genutzt worden, als die US-Raumfahrtbehörde dort ihre Mondfahrzeuge testete. Nun ist sie wieder entmottet worden, um eine künstliche Weltraumumgebung für die Materialien zu schaffen, mit denen Astronauten künftig im All eventuelle Schäden an den Raumfähren provisorisch beheben sollen.

Guido Meyer |
    Von außen sieht Gebäude 32 aus wie eine unscheinbare, wenngleich überdimensionale Lagerhalle. Und genauso unverfänglich ist ihr offizieller Name EVA: Exposed Hardware Thermal Vacuum Test Facility, eine Vakuum-Kammer, in der Werkstoffe thermischen und sonstigen Bedingungen des freien Weltraums ausgesetzt werden. Andre Silvester ist Chef-Ingenieur bei der NASA. Und die hat sich nach der Columbia-Katastrophe überlegt, wie man dort, im All, Raumfähren inspizieren und gegebenenfalls reparieren kann.

    Zunächst haben wir überprüft, ob wir mit den Roboterarmen von Raumfähren und Raumstation die Unterseite der Fähren inspizieren können. Der hintere Teil der Shuttles lässt sich damit jedoch nicht komplett abdecken. Auch nach Hinzunahme der Kameras an der Außenseite der ISS bleiben immer noch Lücken. Sie entstehen genau an den kritischen Stellen, den äußeren Flügelkanten. Um auch diese beobachten zu können, haben wir eine Verlängerung des Arms konstruiert, an deren Ende eine Kamera sitzt, die mögliche Schäden aufnehmen kann.

    Neben die Kamera wird ein Laser montiert, der außerdem die Tiefe eventueller Risse und Spalten untersuchen und bestimmen kann. Brad Files, Material-Ingenieur bei der NASA, erläutert ein Instrument, das aussieht wie die kleinen Papierschirme auf Torten oder Eisbechern.

    Wenn ein Riss in den kohlenstoffverstärkten Panelen entstehen sollte, kann man es mit diesem kleinen Schirm flicken. Man steckt ihn zusammengefaltet durch das entstandene Loch und zieht an dieser Schnur, wodurch der Schirm auf der Innenseite der Öffnung aufspringt. Auf der Unterseite der Schirmlamellen ist eine weiche, keramikartige Isoliermasse angebracht, die dann freigesetzt wird und den Spalt von innen abdeckt.

    Schwieriger wird es, wenn die Kacheln verrutschen oder selbst Risse aufweisen. Sie müssen dann notdürftig vor Ort, im All, geflickt werden. Zu diesem Zweck soll ein dickflüssiges Gemisch aus zwei Silikon-Komponenten aufgetragen werden, das wie Baiser-Masse aussieht. Laura Bailey, Chef-Ingenieurin für Reparaturen an Kacheln und Außenhaut.

    Die beiden Komponenten werden in einem Rucksack aufbewahrt, der dem Astronauten bei Außenbordeinsätzen noch auf seinen Sauerstoffkanister aufgesetzt wird. Er ist über einen Schlauch mit einer Spritzkanone verbunden, die der Astronaut in der Hand hält. Wird ihr Abzug gedrückt, vermischen sich beide Stoffe und kommen als Fertigmix aus dem Schlauch.

    Diese karminrote Substanz muss dann möglichst glattgestrichen werden, damit sich keine Löcher oder Dellen bilden, die beim Wiedereintritt das Gleitflugverhalten der Fähre stören könnten. Dann wird das Gemisch hart, sieht aus und fühlt sich an wie ein Radiergummi. Mike Falling, Material-Ingenieur der NASA.

    Die Fragen sind nun: Wird das Material an den Kacheln haften und wird es den Wiedereintritt überstehen? Dazu haben wir als erstens einen Tests gemacht, indem wir reparierte Kacheln mit der geflickten Seite nach unten aufgehängt haben, was natürlich noch härter ist als einfach nur null g, weil die Schwerkraft so an ihnen zieht. Dieses Experiment war erfolgreich. Blieb die Frage, ob sie der Hitze beim Wiedereintritt standhalten. Also haben wir die Kacheln einer künstlichen heißen Plasma-Strömung ausgesetzt, mit dem Ergebnis, dass die Temperaturen auf den Originalkacheln und auf den reparierten ungefähr gleich hoch waren, das Material also hält.

    Eine schwarze Rußschicht bedeckt die ehemals roten, geflickten Stellen nach den Hitzetests. Die schlechte Nachricht ist, dass eben diese Stellen durch die Hitze etwas angeschwollen sind, was wegen des Flugverhaltens möglichst vermieden werden sollte. Daran wird in der großen Reparaturwerkstatt der NASA derzeit also noch gearbeitet.