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Kader ködern

Es ist die multikulturelle Gesellschaft an sich, die wir als gescheitertes Experiment darstellen. Die Ausländer sondern sich ab, sie integrieren sich nicht. Und Cem Özdemir ist da eine Ausnahme.

Christina Janssen |
    Matthias ist 17 Jahre alt und besucht ein Gymnasium in Dortmund. Vor zwei Jahren schwor er den feierlichen Eid auf die Jungen Nationaldemokraten, die Jugendorganisation der NPD.

    Bevor ich zu einer Partei gegangen bin, wollte ich mich natürlich erstmal informieren, was sagen die einzelnen Parteien. Also, was CDU und SPD sagen und was sie tun, das sehe ich ja. Und die Republikaner, die waren mir halt zu lasch. Und die DVU ist einfach nur eine kapitalistische Partei. Dr. Frey möchte Geld machen und kauft sich, wenn er mal eben wieder genügend Geld hat, ne neue Landtagsfraktion. Und setzt da wirkliche Schwachköpfe in den Landtag. Das waren alles Schwachköpfe.

    Aus Sicht der NPD ist Matthias ein Glücksfall: Intelligent, eloquent, diskussionsfreudig, verkörpert er den Idealtypus des künftigen Parteifunktionärs. Extremistische Ansichten in einigermaßen wohlklingende Sätze zu verwandeln, hat er in Schulungen und Rhetorik-Kursen der Partei gelernt. Nach dem Abitur wird er Jura studieren und damit akademisches Potential in die NPD einbringen. Matthias kam aus eigener Initiative zu den Jungen Nationaldemokraten.

    Schon als 14-Jähriger begeisterte sich Matthias für die deutsche Sache, wie er es stolz formuliert. So leicht machen es den rechtsextremistischen Parteien nur wenige Jugendliche. Mit der Rekrutierung von Nachwuchs tun sich NPD, Republikaner und DVU nämlich schwer, wie übrigens auch die demokratischen Parteien:

    Die Republikaner: Sie haben nach Angaben des Verfassungsschutzes bundesweit etwa 14 000 Mitglieder. Davon ist nach Schätzungen der Partei knapp ein Drittel im Alter von 16 bis 30. Mit 16 Jahren kann man der Jugendorganisation Republikanische Jugend beitreten, als Student dem Republikanischen Hochschulverband. Doch haben die Republikaner seit dem Abgang des Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber an Anziehungskraft verloren.

    Die NPD: Sie hat etwa 6000 Mitglieder; ihre Jugendorganisation, die Jungen Nationaldemokraten geschätzte 350. Ein Teil zählt zum Nationaldemokratischen Hochschulbund. Insbesondere in den neuen Bundesländern werben die Jungen Nationaldemokraten vergleichsweise erfolgreich um neue Kameraden, wie sie sich im Parteijargon nennen. Schon 14jährige können eintreten. Das gibt der NPD die Möglichkeit, ihre Mitglieder in jungen Jahren ideologisch zu formen.

    Die DVU: Sie ist mit 17.000 Mitgliedern die zahlenmäßig stärkste Partei im rechtsextremen Spektrum. Als einzige der drei Parteien betreibt sie jedoch keine Jugendorganisation. Der Anteil der Mitglieder unter 30 liegt nach Angaben der DVU zur Zeit bei etwa 10 Prozent.

    Die Republikaner und vor allem die NPD bemühen sich massiv um eine Verjüngung der Partei. Eines ihrer erfolgreichsten Werbemittel ist das Internet.

    Lieber Interessent! ...

    ... wirbt etwa die Republikanische Jugend Hessen auf ihrer Internetseite.

    Wir wollen ein starkes, mächtiges und vor allem ein deutsches Deutschland. Wir wollen ein freies und einiges deutsches Volk. Ein deutsches Volk, das sein Selbstbestimmungsrecht einfordert in einem Europa, das sich gegen raumfremde Mächte wie die imperialistische USA oder den aggressiven islamischen Fundamentalismus zu behaupten vermag.

    Flotte Sprüche, revolutionärer Gestus und populistisch aufbereitete Themen zeichnen die Homepage aus. Schule, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, das Versagen der etablierten Parteien – und immer wird die Angst vor Ausländern geschürt, vor Überfremdung, vor Multikulti. Ein Auszug aus dem Mitteilungsblatt des REP-Kreisverbandes Krefeld vom vergangenen Jahr macht klar, worum es wirklich geht:

    Vergesst die verlegenen Toleranzpredigten Eurer Lehrer! Toleranz heißt gegenseitige Achtung. Euch aber will man die Heimat rauben, das Selbstbewußtsein und die Selbstachtung nehmen... Lasst Euch nicht irre machen: Es gibt kein Recht auf Einwanderung. Nirgendwo. Wohl aber ein Recht auf Heimat. Das nimmt man Euch.

    Militanter und pathetischer im Duktus nimmt sich die Homepage der Jungen Nationaldemokraten aus, die inzwischen gesperrt wurde. Von Stützpunkten und Widerstandszellen ist dort die Rede, von strenger Disziplin, Einsatz- und Opferbereitschaft der Kameradinnen und Kameraden im politischen Kampf. Es geht um die Rekrutierung von Partisanen:

    Der politische Soldat wird mittels seiner Verhaltensweise und Taten als ein Vorbild denen dienen, die der Mut zu kämpfen verlassen hat. Wir wissen: Nationale Identität und nationale Solidarität sind die Pfeiler des sich erneuernden deutschen Volkes. Wir sind die Vorhut dieses anderen Deutschlands. Eines Deutschlands, welches ein auf der Solidargemeinschaft der deutschen Stämme begründetes neues Reich sein wird.

    Mit politischen Inhalten und Diskussionen über Zuwanderung, über National- und Sozialstaat lässt sich nur ein kleiner Teil Jugendlicher locken. Das weiß auch der Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Sascha Roßmüller. 27 Jahre alt, ein äußerlich unscheinbarer, auf den ersten Blick harmloser Parteifunktionär. Seine Ideologie kleidet er in gewandte Rhetorik, doch die Botschaft ist klar: Ausländer raus, nicht nur aus den Sozialsystemen, sondern aus Deutschland:

    Sascha Roßmüller: Wir haben ja immer schon angemahnt, was auch Helmut Schmidt, der Altbundeskanzler, 1981 formulierte, damals bei 5 Millionen Ausländern: Wenn das so weiter geht, oder beibehalten wird, dann werden soziale Konflikte entstehen; und jetzt sind wir bei 8 Millionen oder mehr. Und wir wollen hier, wenn man über eine Ausgliederung aus den Sozialsystemen spricht, eher Gelder auch freisetzen, die die Rückkehrwilligkeit und Repatriierung fördert, weil wir momentan den Überfremdungsdruck im Bereich der Identitätsgefährdung sehen.

    Der Überfremdungsdruck im Bereich der Identitätsgefährdung - Sascha Roßmüller gehört zu den akademisch und rhetorisch versierten Kadern seiner Partei. Eine gebildete Parteiführung soll Vertrauen und Sympathie gewinnen. Diese Strategie hat sich in der rechten Szene durchgesetzt. Das beobachtet auch der Verfassungsschutz, berichtet Heiner Wegesin, Leiter des Verfassungsschutzes Brandenburg:

    Heiner Wegesin: Alle rechtsextremistischen Parteien bemühen sich um Professionalität und Schlagkraft. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die sehr häufig etwas plump daher kommende Verknüpfung rechts ist dumm und links ist intelligent, durchbrochen werden soll, indem man eben nun Aktivisten auf die Öffentlichkeit loslässt, die von ihrem äußeren Erscheinungsbild, ihrer Eloquenz und auch von der schlichten Sympathie ihrer Erscheinung überzeugend wirken. Das hat man erkannt, dass man nicht nur mit harten Parolenknüppeln weiter kommt; und insofern gibt man sich da sehr große Mühe und steckt da auch finanzielle Mittel hinein, die eigene Mitgliedschaft und die eigenen Funktionäre zu schulen. In der Tat gibt es zunehmend Funktionäre rechtsextremistischer Parteien, die nicht mehr mit den üblichen Klipklap-Schemen der überzeugten Antifa zu schlagen sind.

    Der 17-jährige Matthias aus Dortmund befindet sich auf dem Weg, ein solcher Funktionär zu werden. Seine Klassenkameraden wüssten um seine radikale Haltung und akzeptierten ihn dennoch, behauptet er. Auch seine Eltern lassen ihn, wenngleich widerwillig, gewähren. Seit seinem 15. Lebensjahr wird Matthias mit eindeutig rechtsradikaler und geschichtsverfälschender Literatur versorgt und besucht regelmäßig Schulungen und Kurse der NPD. So hatte er eigentlich keine Chance, ein anderes Weltbild zu entwickeln als ein extremistisches. Auf die Frage, ob die Jungen Nationaldemokraten mit Deutschland in seinen derzeitigen Grenzen einverstanden seien, antwortet er unumwunden:

    Nein, sind wir nicht. Die Ostgebiete, die nach dem Zweiten Weltkrieg völkerrechtswidrig abgetreten wurden, sollen wieder an Deutschland angegliedert werden, die deutschen Ostgebiete in den Grenzen von 1939.

    Und sein Freund Nico, ebenfalls ein Gymnasiast, ergänzt:

    Die Regionen wären dann Hinterpommern, Westpreußen, Ostpreußen, Ostbrandenburg und auch ganz Schlesien. Einige Jahrhunderte war das deutscher Volksboden und das ist eben rechtswidrig Deutschland genommen worden. Und man kann dann nicht einfach hingehen und sagen, ihr hattet eine bösartige Regierung an der Macht, und deshalb wird euch jetzt ein Viertel eures Territoriums geraubt. Das grenzt schon an Völkermord. Man kann ja nicht sagen, das wird jetzt zu Recht erklärt, und wir machen jetzt einen auf Friede, Freude, Eierkuchen.

    Extremisten dieses Schlages helfen den Parteien, weitere Jugendliche zu ködern. Gerade solche, denen sie selbst intellektuell überlegen sind. Eine Möglichkeit, sie zu locken, ist geschickt aufbereitetes Propagandamaterial, das hauptsächlich vor Schulen verteilt wird.

    Zum Beispiel vor der Rosa-Luxemburg-Gesamtschule in Potsdam. Lars, 16 Jahre alt, ist dort schon seit einiger Zeit in der rechten Szene aktiv. Das Thema Ausländerkriminalität hat ihn und seine Freunde dazu gebracht:

    Seitdem ich das mal erlebt habe, wie die Ausländer auf eine alte Oma losgegangen sind. Mit welcher Brutalität. Auf ne 80-jährige Frau muss ich doch nicht mit sieben, acht Mann draufspringen. Und schon gar nicht das Geld klauen, oder sowas. Das hab ich gesehen. Jetzt ist es vorbei, hab ich mir gesagt. Und dann haben wir gesagt, jetzt informieren wir uns ein bisschen, dann haben wir uns informiert, über die ganze Meinung und jetzt hier gerade mit den Republikanern, im Internet, und dann ein bisschen was angekiekt.

    Lars kramt eine Infozeitung der Republikanischen Jugend aus seiner Schultasche. "Junge Deutsche" heißt das Blatt: Kurze, knackig formulierte Artikel, Cartoons und Fotos der jugendlichen Verfasser – dergestalt erfährt der neugierige Leser beispielsweise, warum Deutschland an Europa und am Euro zerbrechen werde. Lars aber begeistert sich besonders für einen Artikel über den Comic Asterix:

    Das eine, ob Asterix rechtsextrem ist. Weil, die haben sich ja auch aufmüpfig verhalten, als die Römer da in Gallien eingezogen sind, als einziges Dorf weit und breit haben die sich verteidigt. Ich sag mal, es gibt überall Rechtsextreme auf der Welt, in Afrika, die Weißen, das gibt’s in Amerika, in Spanien, Italien, alles.

    Der weitgereiste Asterix, der schon bei Spaniern, Briten oder Schweizern seine Spuren hinterließ, ist gegenüber den römischen Eindringlingen absolut intolerant und verteidigt seine Heimat und Lebensart gegen jeden, der sie ihm nehmen will. Kann es sein, daß Asterix ein rechtsextremer Nationalist ist? Ein Wunder, daß sich noch keine Institution, noch kein linker Soziologe gefunden hat, der ein Verbot dieser fremdenfeindlichen Comics fordert!

    Lars erwägt aufgrund solcher Lektüre, Partei-Mitglied zu werden. Das ist ein eher seltener Fall. Deshalb versuchen die Parteien inzwischen vor allem, über den persönlichen Kontakt junge Leute zu gewinnen.

    Uli Nehls von der Bonner Organisation Aktion Courage glaubt, dass die rechtsextremen Parteien nach den Wahlschlappen der vergangenen Jahre ein neues Konzept entwickelt haben: Sie werben jetzt weniger um aktive Parteimitglieder und Wählerstimmen. Ihr Ziel sei es zunächst, ein rechtes Klima zu erzeugen, eine möglichst große Schar potentieller Mitläufer um sich zu sammeln:

    Uli Nehls: Man möchte natürlich jetzt eine andere Strategie fahren, weil das bisher keinen Erfolg brachte, man wird jetzt ein Klima zu schaffen versuchen in der Bevölkerung. In den Wohnquartieren, dort wo die Probleme zu Hause sind, beginnt man jetzt plötzlich von Seiten der Rechten ein Konkurrenzunternehmen aufzubauen, in der Form, dass man zum Beispiel Sozialarbeit anbietet, dass man Jugendliche berät ohne jede parteiliche Vorgabe zunächst, da bietet man dann bunte Nachmittage an, aber nicht bunt in dem Sinne, wie wir das verstehen, sondern das ist dann doch eher das braune Einerlei, und dort wird schon mit Musik, mit Biertrinken und solchen Dingen eine lockere Komm-Struktur vorbereitet, also eine leichte Bindung hergestellt zu diesen Gruppierungen.

    Die Parteien, so Nehls, sprechen vor allem Jugendliche an, die quasi auf der Straße herumhängen. Es mangelt ihnen an Freizeitangeboten, sie sind arbeitslos und frustriert. Ihnen bietet man gesellige Abende, aber auch Hilfe bei den Hausaufgaben, mit Lebensläufen und Bewerbungen. Nach einiger Zeit sondieren die Parteileute, welche Jugendlichen als Mitglieder in Frage kämen. Diese jungen Leute werden dann in die Hierarchien der Partei oder einer Unterorganisation eingegliedert.

    Wer erst einmal fest in den Parteistrukturen der Rechtsextremisten verankert ist, für den gibt es in der Regel kein Zurück, glaubt Uli Nehls. Denn die Partei bietet nicht nur Seminare und Rhetorikkurse. Eine ebenso große Rolle spielt die soziale Einbindung. NPD und Republikaner veranstalten Kneipenabende, Wanderungen, Zeltlager oder Sonnenwendfeiern, bei denen germanische Traditionen belebt und beschworen werden, die der Feuerrede beispielsweise:

    Das stammt aus dem alten Germanentum, von den Germanen oder Wikingern, wie auch immer man sie nennen will. Das ist halt ne Tradition und die zelebrieren wir so weiter. Da sind dann halt Vorträge über das Brauchtum der alten Germanen, dann sitzen wir halt gemeinsam in gemütlicher Runde am Feuer und singen dann unter anderem auch traditionelle deutsche Lieder: Oh Du schöner Westerwald, Schlesierland, schwarzbraun ist die Haselnuß - das sing ich persönlich nicht so gerne. Halt deutsche traditionelle Lieder.

    Auch wenn die Parteien ihren Mitgliederzahlen nach nicht besonders erfolgreich sind, so bereiten sie doch den Boden für Gewalttaten, warnt Uli Nehls von der Aktion Courage. Jugendliche mit entsprechender Neigung fänden über die Parteien sogar Zugang zu terroristischen Kleingruppen:

    Uli Nehls: Was immer man dort an Ideen, an Talenten auch mitbringt, kann man einbringen auch in sehr schlagkräftige Gruppen, die paramilitärische Übungen veranstalten, das ist in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt überall möglich, auf verlassenen Kasernenplätzen und so weiter, das kennt man auch. Aber dort wird sozusagen auch trainiert, und das ist eine Sache, die die Jugendlichen auch wirklich begeistert, und da sind die mit Herz und Hand dabei. Und es wird aber politisch missbraucht durch diese ideologische Einbindung dann. Bis hin zu solchen Gruppen, die in sehr kleinen Strukturen Terroranschläge, ganz gezielte Aktionen auch an bestimmten Festtagen, wie wir’s jetzt auch wieder erleben, wo die normale Gesellschaft eine Tradition feiert der demokratischen Kultur - dort wird hineingegangen und das Bild wird zerstört. Und diese Gruppen arbeiten sehr autonom, sind von Parteigremien auch kaum noch zu lenken, weil diese Aktionsgruppen auch sehr autonom arbeiten wollen.

    Uli Nehls geht davon aus, dass sich rechtsextremistische Parteien, insbesondere die NPD, nur pro forma von Gewaltanwendung distanzieren, de facto existiere eine Doppelstruktur:

    Uli Nehls: Es gibt die Strategie, einen sehr eloquenten, einen politischen Arm sich zu halten, das machen ja andere Gruppierungen in Irland und Baskenland und so weiter auch, dass sie sich einen politischen Arm halten, der politisch argumentiert, der sich auch offen distanziert, aber im zweiten Anlauf gibt es eine zweite Gruppierung innerhalb dieser Struktur, die mit Gewalt und Terror das Land im Grund gefügig macht und die Bevölkerung dazu bringt, sich nicht mehr zu wehren.

    Was die Gewaltbereitschaft angeht und die Kontakte zur Skinhead-Szene, unterscheidet der oberste Verfassungsschützer des Landes Brandenburg, Heiner Wegesin, deutlich zwischen Republikanern und DVU auf der einen Seite, und der NPD auf der anderen:

    Heiner Wegesin: Die Republikaner bemühen sich gezielt um eher bürgerliche Wählerschichten. Ihnen sind grölende, alkoholisierte Glatzköpfe ein Greuel, auch die DVU orientiert sich mehr am kleinbürgerlichen Milieu. Nur die NPD geht gezielt drauf zu und distanziert sich von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung aus taktischen Gründen, nicht nur im Hinblick auf die Verbotssdiskussion. Aber die Inhalte, die dann manchmal hinter verschlossener Tür geäußert werden, schließen auch Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele nicht aus. Wie wollen sie denn die propagierten befreiten nationalen Zonen schaffen? Wie anders als mit Mitteln von dann staatlicher Willkür und Gewalt.

    Befragt man Mitglieder der NPD, erhält man immer die gleiche Antwort: Man wende sich klar gegen jegliche Art der Gewalt. Der Bundesvorsitzende der Nationaldemokratischen Jugend, Sascha Roßmüller, dreht den Spieß sogar um. Er hält den etablierten Parteien vor, ihnen käme die Gewalt gegen Ausländer gerade recht. Sie benutzten fremdenfeindliche Vorfälle als Argument gegen die nationalistischen Parteien. Dabei lebten Ausländer in Deutschland relativ sicher:

    Sascha Roßmüller Wenn man die Zahl der Ausländer nimmt und die vergleicht mit der Gesamtzahl der Einwohner und hier mal den mathematischen Faktor aufzeigt, wie gering eigentlich die Gefahr für einen Ausländer ist, dass ihm hier etwas zustößt. Jeder einzelne mag zuviel sein, aber wenn man sieht, was das für ein geringer Faktor ist, reicht das natürlich nicht aus, hier so ein braunes Gespenst an die Wand zu malen.

    Ihre Nachwuchsarbeit konzentrieren die drei rechtsextremistischen Parteien inzwischen auf die ostdeutschen Bundesländer – dort sind sie erfolgreicher als im Westen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ein viel beklagter Missstand ist der Mangel an Freizeitaktivitäten, der den Extremisten Tür und Tor öffnet. Dort, wo es keine kirchliche oder staatliche Sozialarbeit gibt, greifen Jugendliche auf andere Angebote zurück. Trotzdem: der Erfolg von NPD, DVU und Republikanern beim Ködern neuer Kader ist verhältnismäßig gering.

    Nur 6 Prozent der rechtsradikalen Jugendlichen sind in Parteien organisiert. Das jedenfalls ergab eine Umfrage des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Gerade in der ehemaligen DDR sitzt das Misstrauen gegenüber etablierten Großorganisationen tief, auch in der jungen Generation. Die meisten Jugendlichen wollen frei und ungebunden bleiben, suchen action in kleineren, radikaleren Gruppen. Die Gefahr, die von den rechtsextremen Parteien ausgeht, besteht also nicht so sehr darin, dass sie in absehbarer Zeit zu Volksparteien avancieren. Nein, NPD, DVU und Republikaner sind vor allem deswegen so gefährlich, weil sie durch massive Propaganda und vor allem durch ihre Jugendarbeit zu Fremdenhaß, Antisemitismus und Gewaltbereitschaft in Deutschland beitragen.