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Käfer als Feuermelder

Biologie. - Kiefernprachtkäfer legen ihre Eier nur in abgebrannte Bäume. Um das tote Holz zu finden, besitzt der Käfer winzige Infrarotsensoren, mit denen er Waldbrände orten kann - vermutlich über viele Kilometer hinweg.

Von Jennifer Wengler | 24.07.2012
    Im Poppelsdorfer Schloss in Bonn gibt es Käfer – Feuer liebende Käfer getrocknet in einer Schublade. Ein aufgespießtes Exemplar davon legt Prof. Helmut Schmitz unter ein Mikroskop in seinem Büro. Man sieht stark vergrößert den nur einen Zentimeter kleinen Kiefernprachtkäfer. Sonderlich prächtig ist er nicht: Schwarz und unscheinbar liegt er auf einem Styropor.

    Doch so unscheinbar, wie er scheint, ist er nicht, denn er kann Waldbrände aus großer Entfernung erkennen. Und zwar mit Hilfe von kleinen Infrarotsensoren.

    "Die sitzen an der Körperunterseite, die Sensoren. Und wenn Sie so ein kleines bisschen den Blick höher wandern lassen, dann sehen Sie so eine kleine Grube, die ist so ein bisschen gelblich. Und das sind wahrscheinlich 70, 80 dieser winzigkleinen Kügelchen."

    Kügelchen, die den Schwarzen Kiefernprachtkäfer, Melanophila acuminata, zu etwas besonderem machen. Mit diesen höchst sensiblen Signalempfängern nehmen die Insekten Wärmestrahlung wahr und orten somit Waldbrände. Diese Fähigkeit ist für sie überlebenswichtig, denn nur in verbranntes Holz legen sie ihre Eier.

    Jedoch sind Waldbrände in unseren Breiten nicht gerade häufig und oft nicht in unmittelbarer Nähe zu finden. Die Tiere brauchen daher ein starkes Ortungssystem.

    Wie empfindlich die Infrarotsensoren des Kiefernprachtkäfers sind, wollte Helmut Schmitz von der Universität Bonn wissen. Die wohl naheliegendste Lösung, die Käfer mit Minipeilsendern auszustatten und die Flugdistanz zu den angeflogenen Brandorten zu ermitteln, schließt sich aus. Denn Kieferprachtkäfer sind zu klein, um solche Sender über viele Kilometer zu tragen.

    Daher wählten Helmut Schmitz und sein Kollege Herbert Bousack vom Forschungszentrum Jülich einen anderen Weg: Sie kalkulierten aus historischen Daten die Flugdistanz des Kiefernprachtkäfers.

    "Es hat nämlich 1925 in einer großen Wüste in Kalifornien gebrannt. Und zwar in der Nähe von Coalinga, im großen Kalifornischen Becken, hat über drei Tage ein großer Öltank gebrannt. Und da ist es nun interessant in der Literatur zu lesen, dass dieser große Brand dieses Öltanks unglaubliche Mengen, also wir gehen davon aus, Hunderttausende von Melanophila-Käfern angezogen hat."

    Das Kalifornische Becken ist unbewaldet. Die Käfer mussten das Feuer über eine weite Strecke geortet und angeflogen haben.
    Die Berechnungen von Schmitz und Bousack deuten darauf hin, dass die Käfer aus den Wäldern der westlichen Gebirgsausläufer der Sierra Nevada stammten – ganze 130 Kilometer von dem brennenden Öltank in Coalinga entfernt.

    Das heißt, dass der Kiefernprachtkäfer in der Lage ist, Signale wahrzunehmen, an denen selbst die besten technischen Infrarotsensoren scheitern. Damit ist der kleine Käfer so sensibel wie große Radioteleskope, die Signale aus dem Weltraum auffangen. Aber: Es handelt sich bisher nur um theoretische Berechnungen.

    "Wir müssen natürlich jetzt versuchen, diese durchaus als spektakulär zu bezeichnenden Hinweise - dass der Käfer auf Entfernung von 130 Kilometer ein Feuer detektieren kann - das wirklich zu beweisen. Und dazu müssen wir solche elektrophysiologischen Untersuchungen machen. Da führt kein Weg dran vorbei."

    Mit kleinen Metallelektroden wollen die Forscher direkt an den Sensorkügelchen elektrische Signale ableiten, um so die berechnete Empfindlichkeit zu belegen. Leider lieferte diese Methode bisher nur sehr ungenaue Ergebnisse.

    Und dennoch sieht der Biologe bereits jetzt ein gewisses technisches Potenzial in ihren Ergebnissen:

    "Zum Beispiel für den Bau von Sensoren, die man zur Waldbrandfrüherkennung einsetzen kann. Und das ist genau das, wo wir eben auch dran arbeiten und wo wir versuchen das Ganze in die Technik umzusetzen, um zum frühestmöglichen Zeitpunkt Informationen zu bekommen, wo eventuell ein Waldbrand gerade dabei ist zu entstehen."

    Nachgebaute Infrarotsysteme à la Kiefernprachtkäfer könnten so bestehende Waldbrand-Frühwarnsysteme ersetzen. Den aufgespießten Käfer in Helmut Schmitz Bonner Büro ersetzt so schnell leider niemand: Der Schwarze Kiefernprachtkäfer ist im Westen Deutschlands bereits ausgestorben.