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Käferplage rund ums Mittelmeer

In den Ländern rund um das Mittelmeer gehören Palmen einfach dazu - aber vielleicht nicht mehr lange. In immer mehr Regionen gefährdet ein Käfer die Palmenbestände - er ist rot mit schwarzen Punkten, ungefähr von der Größe eines Maikäfers. Die Tiere fressen sich erst durch die Blätter und dann durch die Pflanze selbst - so lange, bis sie abstirbt. Betroffen ist unter anderem der Süden Italiens.

Von Thomas Migge |
    Im Hinterland erheben sich, gut sichtbar auf einer Hügelkette, die berühmten antiken griechischen Tempel von Agrigent. Das Meer liegt in Sichtweite. Südsizilien. Eine traumhafte Landschaft - wenn da nur nicht diese traurig aussehenden Palmen wären. Ihre langen Blätter hängen am Stamm herab. Sie wirken wie tot.

    Sie waren ein herrlicher Anblick: die Palmen im Park Villa Trabia, mitten in Palermo. Von der Straße aus sind sie zwar noch zu sehen, doch auch sie lassen ihre Blätter hängen. Einige wurden bereits entfernt. Siziliens Palmen rückt ein Käfer zuleibe. In der Fachsprache der Biologen heißt er Rhynchophorus ferrugineus. Im Volksmund wird er Roter Palmrüssler genannt. Ein Name mit Programm. Das rund drei Zentimeter kleine Insekt liebt Palmen über alles, meint der römische Insektenexperte Franco Marinetti:

    "Wir haben es mit einem Phänomen zu tun, das seit einigen Jahren immer bedrohlicher wird. Der Palmrüssler ist ein rostbrauner Käfer. Das Weibchen legt seine Eier vorzugsweise an Wunden am Palmenstamm, an die Schnittflächen vom Blattschnitt und an junge Blättern im Inneren der Krone. Der an Schnittstellen austretende süße Palmsaft ist ein starkes Lockmittel für den Käfer, den Geruch kann er über größere Entfernungen aufnehmen. Er fliegt, ohne eine Pause einzulegen, bis zu einem Kilometer weit."

    Die Käfer kommen auf verschiedenen Wegen nach Sizilien. Auf Handelsschiffen und auch mit jenen Booten, in denen jährlich tausende von Flüchtlingen aus Nordafrika nach Sizilien gelangen. Beheimatet ist der Rote Palmrüssler in Südasien. Seit Mitte der 80er Jahre breitet er sich westwärts aus. 1985 erreichte er die Vereinigten Arabischen Emirate, 1990 den Irak und den Iran, dann Ägypten, Israel, Jordanien und auch Spanien.

    Ein weiterer Grund für diese schnelle Ausbreitung ist der Transport von befallenem Pflanzgut über große Distanzen. EU-Verordnungen, die den Import von Palmen aus Ländern mit Palmrüsslerbefall verbieten, werden durch Umwege über saubere Drittländer umgangen. Viele der auf Gran Canaria befallenen Palmen stammen aus Ägypten. 2006 wurden in Italien die ersten Roten Palmrüssler an Phoenix canariensis, der Kanarenpalme und an Phoenix dactylifera, der Dattelpalme, festgestellt. Dazu die an der römischen Hochschule lehrende Biologin Carla Del Ponte:

    "Für die südlichen Mittelmeeranrainer bedeutet dies eine große Bedrohung für ihre Dattelproduktion, für die nördlichen Anrainer Gefahr für die garten- und landschaftsprägenden Palmen. Auf Sizilien sind Palmen vielerorts landschaftsbestimmende Pflanzen. Stellen Sie sich die Insel ohne Palmen vor! Wir wissen nicht, was wir gegen diese Insekten tun sollen."

    Das Palmrüsslerproblem weitet sich zunehmend aus. Betroffen sind inzwischen auch Palmen in anderen süditalienischen Regionen und sogar in Rom. Auch im norditalienischen Ligurien, wo rund 220.000 Palmen wachsen, fürchtet man sich vor den Käfern, die sich von der Palmenspitze aus durch den Stamm hinunter bis zu dessen Wurzeln fressen und so dem Baum seinen Lebenssaft rauben. Die Folge: die Palme trocknet von innen heraus aus und stirbt. Die kranken Bäume müssen rasch gefällt werden, damit die Käfer nicht auch benachbarte Bäume befallen. Keine leichte Sache, meint der Umweltexperte Claudio Lanza von Italiens wichtigster Umweltorganisation Legambiente:

    "Die Wissenschaft arbeitet mit verschiedenen Methoden, um dem Roten Palmrüssler auf den Leib zu rücken: Zum Beispiel mit Pheromonfallen, das sind Gefäße oder Klebefolien, die spezifische Sexuallockstoffe der zu fangenden Schädlinge enthalten und die Käfer so anlocken. Mit den auf diese Weise gefangenen Käfern vermindert man die Anzahl der geschlechtsreifen Tiere und damit die Ausbreitung des Schädlings."

    Die Anzahl der gefangenen Tiere lässt Rückschlüsse auf die Befallsstärke zu. Seit einigen Jahren wird an verschiedenen Methoden zum Aufspüren der Larven des Palmrüsslers gearbeitet. Mit bereits existierenden Geräten können die Larven schon zehn Tage nach der Infektion im Palmenstamm geortet werden. Werden die Biologen mit Hilfe dieser Geräte auf die Larven aufmerksam, müssen die betroffenen Palmen unverzüglich gefällt und vernichtet werden, um andere zu schützen. Mehr können die Baumexperten momentan nicht gegen diese Plage tun.