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Kälte auf Vorrat

Technik. - Schon 1973 entstand im heutigen Chemnitz ein nahezu einzigartiges Versorgungssystem: das zweite Fernkältenetz in Europa, bei dem kühles Wasser durch die Stadt gepumpt wurde, um verschiedene Gebäude zu klimatisieren. Weil der Klimatisierungsbedarf weiter steigt, gehen die Chemnitzer jetzt ein neues Kälteprojekt an.

Von Arndt Reuning |
    Am westlichen Rand der Chemnitzer Innenstadt, in Fußnähe zum Bahnhof, steht eine riesige, weiße Tonne. Eine gigantische Thermoskanne, gefüllt mit kaltem Wasser.

    "Das ist ein oberirdischer Kurzzeitkältespeicher. Der Speicher hat eine Höhe von ungefähr 19 Metern, die Füllhöhe beträgt 17 Meter, der Innendurchmesser ungefähr 16,5 Meter, das heißt in den Speicher passen 3500 Kubikmeter Wasser."

    Thorsten Urbaneck von der Technischen Universität Chemnitz. Er ist einer der Väter des Kältespeichers und steht gerade vor zwei Bullaugen, die in Augenhöhe die Speicherwand durchstoßen. Das Glas ist beschlagen, denn von innen wird es von fünf Grad kaltem Wasser gekühlt, erklärt Ulf Uhlig von den Stadtwerken Chemnitz.

    "Ich schalt Ihnen mal das Licht an, und Sie sehen auch gleich im Hintergrund die Beleuchtung. Haben Sie sie entdeckt? In der Nacht sehen Sie innen jetzt auch die Einbauten."

    Der Kaltwasserspeicher soll die Effizienz des Fernkältenetzes erhöhen. Die Idee für dieses Projekt wurde im Rekordsommer 2003 geboren. Die Kältemaschinen der Stadtwerke Chemnitz liefen damals auf Hochtouren. Und trotzdem mussten gerade in den heißen Phasen des Tages zusätzliche Generatoren eingeschaltet werden.

    "Wir gehen jetzt ins Kältemaschinenhaus, und ich zeige Ihnen die Kompressions- und Absorptionskältemaschinen der Stadtwerke Chemnitz."

    Den Grundbedarf an Kälte erzeugen die Chemnitzer mit den Absorptionskältemaschinen. Die benutzten die Abwärme eines nahe gelegenen Kohlekraftwerkes, um damit Kälteenergie zu erzeugen. Sie veredeln sozusagen das Abfallprodukt Wärme, das normalerweise über die Kühltürme in die Umwelt abgegeben würde. In Spitzenzeiten aber, wie zum Beispiel im Sommer 2003, müssen die Stadtwerke dann auch noch die Kompressionskältemaschinen anwerfen. Die verbrauchen Strom, um Kälte zu erzeugen. Und das meistens zur Mittagszeit, wenn er sowieso besonders teuer ist. Ulf Uhlig:

    "Und da kam ganz einfach die Idee: Gibt es auch andere Möglichkeiten? Und warum untersuchen wir nicht, ob ein Speicher die Auslastung unseres Maschinenparks verbessern und die Abdeckung der Spitzenlasten übernehmen kann."

    Die Absorptionskältemaschinen füllen in der Nacht den Speicher mit kaltem Wasser auf und nutzen dabei die Abwärme aus dem Kraftwerk. Zu den Spitzenzeiten am Tage kann die riesige Tonne dann das kühle Wasser wieder abgeben. Ohne zusätzlichen Stromverbrauch. Bloß für die Ventile und Pumpen. Eine besondere Herausforderung war die Vorrichtung zum Befüllen des Speichers. Weil es sich um ein geschlossenes System handelt, befindet sich gleichzeitig kaltes und auch etwas wärmeres Wasser aus dem Rücklauf in dem Speicher.

    "Wir haben also zwei Zonen im Speicher. Erst mal eine kalte Zone und eine warme Zone im oberen Speicherteil. Dazwischen gibt es eine kleine Übergangszone, und diese wollen wir so gering wie möglich halten."

    Dazu haben Speicherforscher sich einen besonderen Zulauf einfallen lassen, der das Wasser nicht verwirbelt, sondern die Übergangszone vor sich her schiebt. Knapp fünfzig Temperaturfühler überwachen diesen Vorgang. Und noch einmal so viele Sensoren überwachen den Rest der Anlage. Bis zum Jahr 2009 werden die Stadtwerke und die TU Chemnitz Messwerte aufnehmen und überprüfen, ob der Kältespeicher die Erwartungen erfüllt, die seine Erbauer in ihn gesetzt haben. Eine abschließende Bewertung ist im Moment noch nicht möglich.

    "Aber die ersten Ergebnisse sind positiv. Das heißt, wir erreichen zum Beispiel mit dem Speicher die entsprechenden Leistungen. Das heißt, der Speicher ist momentan voll funktionsfähig im System. Das können wir jetzt schon bestätigen."

    Da wundert es auch nicht, dass viele andere Energieversorger, teilweise aus dem Ausland, schon bei den Sachsen angeklopft haben.
    Thorsten Urbaneck von der Technischen Universität Chemnitz ist einer der Väter des Kältespeichers.
    Thorsten Urbaneck (Arndt Reuning)