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Kälteliebende Bäume in heißer Dürre

Botanik.- Selbst in trocken-heißen Gebieten finden sich heute mancherorts Pflanzenpopulationen, die normalerweise eine kühl-feuchte Witterung bevorzugen. Es sind Überreste einer Verbreitung, wie sie während der letzten Eiszeit vorherrschte. Forscher untersuchen, was diese Klimarelikte so standhaft macht.

Von Lucian Haas | 25.10.2011
    Im Hayedo de Montejo, einem Gebirgszug rund 100 Kilometer nördlich von Madrid, wachsen Buchenwälder. Normalerweise dürfte es die Bäume dort gar nicht geben. Buchen bevorzugen ein feuchtes, relativ kühles Klima – etwas, das man im trocken-heißen Zentralspanien kaum finden wird. Und doch sind die Buchen seit Jahrtausenden dort präsent. Es sind Überbleibsel aus der letzten Eiszeit, als in Spanien ein gemäßigtes Klima wie heute in Mitteleuropa herrschte. Die Buchen stehen in Tälern, wo sich lokal etwas mehr Feuchtigkeit sammelt als in der Umgebung. Für die Bäume ist dieses Mikroklima immer noch extrem, doch sie haben sich soweit angepasst, dass sie darin bestehen können.

    "Wir sprechen hier von Populationen die von den Hauptverbreitungsgebieten ihrer Art isoliert sind. Obwohl das regionale Klima für sie ungeeignet ist, können sie in begrenzten Zonen mit den passenden Klimabedingungen überleben."

    Der Pflanzenökologe Alistair Jump von der Universität von Stirling in Schottland studiert seit Jahren sogenannte Klimarelikte. Er versucht herauszufinden, wie die Pflanzen es schaffen, in klimatisch unpassenden Regionen zu bestehen. Er erhofft sich Erkenntnisse darüber, wie der aktuelle Klimawandel sich auf die Verbreitung von Pflanzenarten auswirken wird. Bisher simulieren Klimaforscher solche Entwicklungen in biogeografischen Modellen.

    "Die Verteilungsmodelle zeigen, dass wir manche Arten in bestimmten Regionen großräumig verlieren werden. Nur weil es regional wärmer und trockener wird, heißt das aber nicht, dass die Populationen auch lokal völlig verschwinden werden. Einige Arten werden vielleicht in einem sehr, sehr lokalen Bereich erhalten bleiben, selbst wenn sie regional große Verluste erleiden. Das könnte unsere Vorhersagen verändern, wie der Klimawandel sich auf die Artenvielfalt auswirken wird."

    Alistair Jump hält es für wichtig, im Rahmen der Klimafolgenforschung stärker als bisher auf die heute schon vorhandenen Klimarelikte zu achten.

    "Klimarelikte könnten unser Verständnis darüber verbessern, wie Arten auf Klimaextreme reagieren und diese tolerieren können. Zum Beispiel wissen wir, dass in manchen Gegenden Trockenheit künftig häufiger, stärker und länger auftreten wird. Es gibt aber Populationen, die solche Bedingungen schon über eine bemerkenswert lange Zeit überstanden haben."

    Studien zeigen, dass Klimarelikte diverser Pflanzenarten an unterschiedlichen Standorten häufig vergleichbare Eigenschaften besitzen: Viele der Pflanzen vermehren sich vegetativ durch Sprossung oder Ableger aus den Wurzeln. Sie brauchen also keine Samen, um sich zu verbreiten. Andere wie die Buchen Zentralspaniens werden sehr alt und haben damit viel Zeit, um ein feuchteres Jahr für ihre Fortpflanzung abzuwarten. Alistair Jump sieht Klimarelikte und ihre Standorte als besonders schützenswert an – nicht nur zum Erhalt der lokalen Artenvielfalt.

    "Wenn es um die Frage geht, warum wir die Klimarelikte erhalten sollten, warum sie uns Menschen nützen könnten, dann liegt die Antwort darin, dass diese Populationen heute schon an Bedingungen angepasst sind, die viele Arten erst in Zukunft erleben werden. Klimarelikte könnten als genetische Ressource dienen, wenn wir versuchen die Arten in anderen Regionen ihres Verbreitungsgebietes zu halten."

    Interessant wäre es zum Beispiel, jene Gene zu identifizieren, die den spanischen Buchen im Hayedo de Montejo ihre erstaunliche Resistenz gegen Trockenheit verleihen. Damit ließen sich vielleicht Buchen züchten, die auch in den künftigen neuen Trockenzonen weiter im Norden eine Überlebenschance hätten.