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Kämpfer für das freie Wort

Pressefreiheit. - Anfang April hat der Ungar Miklós Haraszti seine Arbeit als neuer OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit in Wien aufgenommen. Weil sein Vorgänger Freimut Duve vielen Ländern in der Organisation zu kritisch war, hatte sich die Nominierung des Nachfolgers monatelang verzögert.

Von Gabor Paàl |
    Haraszti wirkt jung, jünger jedenfalls als 59. Vielleicht kommt das von dem roten Pullover, der gleiche wie auf dem offiziellen Foto im Internet. Ich treffe Miklos Haraszti an einem historischen Ort: Dem Café Central in seiner Heimatstadt Budapest. Das Café Central war Anfang des letzten Jahrhunderts der Treffpunkt der Schriftsteller und Journalisten, und hier bearbeiteten die Redakteure einiger Zeitungen ihre Artikel. Ein Café, das im Kommunismus zugrundeging, und nach der Wende wieder belebt wurde.

    Erstmal ist es eins der wenigen Cafés ohne Musik. Das gibt es seit dem Ende des Kommunismus kaum noch. Andererseits ist es ein großer schöner kulturträchtiger Ort, der auch für die Freiheit des Wortes steht, wenn Sie so wollen.

    Meint Haraszti, dessen Lebenslauf so wirkt, als sei er auf sein neues Amt regelrecht zugeschnitten. Denn für die Freiheit des Wortes kämpft er seit über 30 Jahren. Haraszti war Mitbegründer der Samisdatbewegung, die verbotene Literatur auf den Markt brachte. Auch seine Werke waren verboten. 1973 gelang es ihm jedoch, sein systemkritisches Buch "Stücklohn" außer Landes zu bringen. Das Buch wurde von Hans Magnus Enzensberger nach Deutschland geschmuggelt und erschien dort schließlich mit einem Vorwort von Heinrich Böll. Anschließend wurde es noch in viele andere Sprachen übersetzt. Aus dieser Samisdatbewegung gingen schließlich Ende der 80er Jahre die oppositionellen Parteien

    Diese Untergrundbewegung wurde dann ein richtig großer Laden und eine Grundlage, die auch die Zivilgesellschaft zum Leben erweckte und die in der zweiten Hälfte der 80er zur Gründung der oppositionellen Parteien führte. Und schließlich habe ich mich darum gekümmert, Freiheitsrechte in Ungarn zu institutionalisieren, erst durch die runden Tische, dann im Parlament und schließlich in den postkommunistischen Medienkriegen, die es ja noch immer gibt. Und diese Erfahrung ist sicherlich für meine jetzige Aufgaben die Relevantere.

    Die Wahl von Miklos Haraszti zum neuen Medienwächter der OSZE stand wochenlang auf der Kippe. Sein Vorgänger, der deutsche Sozialdemokrat Freimut Duve, war etlichen Staaten doch zu unbequem, er monierte unverblümt die Medienkonzentrationen in Italien ebenso wie die Inhaftierung von Journalisten in Russland und anderen Ländern. Das passte vielen nicht. Dennoch hat sich Haraszti vorgenommen, mit ähnlichem Eifer für die Medienfreiheit zu kämpfen wie sein Vorgänger.

    Freimut Duve, dieser leidenschaftliche Freiheitskämpfer äußerte sich zuletzt sehr pessimistisch darüber, was mit der Medienfreiheit geschieht. Er meinte sogar, die Situation sei jetzt schlimmer als vor ein paar Jahren, als er sein Amt antrat. Ich glaube, dass sein Pessimismus zum Teil von seinen vergeblichen Bemühungen herrührt, mit Regierungen über diese Probleme zu reden. Ich bin von Natur aus sehr optimistisch, ich würde in der Hinsicht gerne noch einmal von vorne anfangen.

    Woher er seinen Optimismus nimmt, verrät Haraszti allerdings nicht, nur dass er die Öffentlichkeit auch in den einzelnen Ländern für seine Themen stärker mobilisieren wolle. Denn er hat sich viel vorgenommen. Er will die Kampagne gegen inhaftierte Journalisten weiterführen, er will den Konflikt thematisieren zwischen Meinungsfreiheit im Internet und staatlicher Internetkontrolle im Zusammenhang mit Anti-Terrormaßnahmen. Und er wird sein Augenmerk richten auf neue Probleme, wie "Hate Speech", also die Verbreitung volksverhetzender, rassistischer oder sonstwie diskriminierender Propaganda, wie sie in einigen osteuropäischen Rundfunksendern zu hören ist. Hier setzt Haraszti jedoch mehr auf Aufklärung als auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit

    Ich glaube zutiefst, dass die Meinungsfreiheit sehr weit gehen kann. Allerdings geht mit der Freiheit des Wortes auch eine große Verantwortung einher. Es ist sehr schwer, für die Journalisten in diesen jungen Demokratien, zu verstehen, dass Freiheit nicht einfach bedeutet, unabhängig von jeglicher Verantwortung zu sein. Nehmen Sie die Gewaltausbrüche im Kosovo: Es gab irreführende Berichte über den Tod zweier Kinder. Diese Berichte haben eine Welle der Gewalt entfacht. Auch das ist ein Beispiel für fehlende Verantwortung von Journalisten, wenn sie über Konflikte berichten, gerade wenn es um Minderheiten geht.

    Am Ende unseres Gesprächs bedankt sich Haraszti. "Es wäre nett, wenn sie das über Freimut Duve in ihrem Beitrag nach vorne nehmen können", Mit dieser höflichen Bitte verabschiedet sich der neue Wächter über die Freiheit der Medien.