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Kämpfer für den Urwald

Seit 1965 lebt der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler im brasilianischen Amazonasgebiet und prangert die Zerstörung der Umwelt an, kämpft gegen Sklavenarbeit und sexuelle Ausbeutung von Kindern. Wegen Morddrohungen steht er unter Polizeischutz.

Von Gottfried Stein | 06.12.2010
    Empfang in Altamira. Mitglieder der örtlichen Kirchengemeinde feiern "Dom Erwin", wie der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler hier genannt wird. Die Verleihung des alternativen Nobelpreises an den 71-jährigen Geistlichen ist für die Menschen im Amazonasgebiet eine besondere Freude:

    " "Für uns ist es eine Ehre, in diesem so wichtigen Moment im Leben von Dom Erwin hier sein zu dürfen. Diesen Preis hat er sehr verdient, und wir wollen ihm hier sehr für all das danken was er für uns getan hat. Er ist ein fantastischer Mensch, der sich für die anderen aufopfert und sich selbst dabei stets vergisst"."

    Indios in der Diözese Xingu. In der Amazonasregion entlang des gleichnamigen Flusses leben ein gutes Dutzend Eingeborenenstämme, die um ihre Lebensbasis fürchten. Hier plant die Regierung ein gigantisches Staudammprojekt, für das 500 Quadratkilometer Urwald überschwemmt werden - eine Fläche doppelt so groß wie Frankfurt am Main. Bischof Kräutler ist die Speerspitze des Widerstands:

    " "Der Xingu bedeutet Leben - sowohl für die am Fluss lebenden Indios wie auch für die anderen eingeborenen Völker, genau wie für die Menschen, die hier seit den 70er-Jahren hingezogen sind. Und wir sind dazu verpflichtet für das Leben zu kämpfen, denn wir wollen nicht, dass dieser Fluss geopfert wird. Wir können nicht zulassen, dass ein Fluss, der den ganzen Bundesstaat Pará auf 2045 Kilometer durchfließt, und der Leben für so viele eingeborene Völker bedeutet, einfach für ein sehr zweifelhaftes Projekt geopfert wird"."

    Seit 1965 lebt Kräutler in Amazonien, seit fast 40 Jahren ist er Bischof in Altamira. Der groß gewachsene Österreicher prangert die Zerstörung der Umwelt an, kämpft gegen Sklavenarbeit und sexuelle Ausbeutung von Kindern, setzt sich unermüdlich für die Randgruppen der brasilianischen Gesellschaft ein. 1987 überlebte er schwer verletzt einen Mordanschlag, mehrere seiner Mitstreiter wurden getötet, er selbst steht ständig unter Polizeischutz:

    " "Da geht es um sehr viel Geld. Und dieses Geld wollen sie nicht verlieren. Also, ein Bischof, der sich dazwischen stellt und sich gegen sie stemmt, ist natürlich ein Bischof, der weg muss. Und dann bekommt man unmissverständliche Drohungen: Entweder bist Du still, oder es kann etwas passieren. Aber damit muss man leben. Es geht tatsächlich um den Ausdruck einer Sendung: Ich kann und will das auch nicht, ich will für diese Leute da sein. Die haben ein Recht auf ihre Würde, ihr Land, ihre Traditionen, ihre Sprache, und die verteidigen wir"."

    Im Kampf gegen das Staudammprojekt "Belo Monte" hat Kräutler vergeblich versucht, Staatspräsident Lula von seinem Vorhaben abzubringen. Immerhin ist es ihm als Präsidenten des Indiomissionsrats der katholischen Kirche mitzuverdanken, dass die neue Verfassung ausdrücklich den Indios das Recht auf ihr Gebiet, ihre Kultur und ihre Naturreichtümer garantiert. Kräutler versteht sich nicht als Missionar, aber als Christ:

    " "Das gehört ja nun einfach auch zur Aufgabe des Bischofs, der ja nicht bloß nur Bischof für den Teil von Gottes Volk ist, der sich als katholisch erklärt, sondern ich verstehe mich einfach als Bischof der Menschen, die hier leben. Und da habe ich eine ganz spezielle Aufgabe, die der Verteidigung der Umwelt, in der diese Menschen leben. Und dieses Volk kann nicht überleben, wenn man das Zuhause nicht bewahrt, das Gott für sie geschaffen hat"."