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Kärntner Geblubber

In Villach gibt es Österreichs ältestes Thermalbad, seit der Eröffnung der neuen "Kärnten-Therme" Mitte Juli 2012 aber auch gleichzeitig Österreichs modernstes Bad. Schon die Römer schätzten die heilende Wirkung des mit Edelgasen angereicherten Thermalwassers.

Von Stefan May | 16.09.2012
    Die Eisenbahnstation heißt "Villach-Warmbad", der Thermenbezirk gegenüber dem Stationsgebäude nennt sich "Warmbad Villach". Wohlgemerkt aber jeweils als "Villach" ausgesprochen, und nicht "Willach", wie es manche Nicht-Österreicher mitunter tun. Schon der Münchner Kabarettist Karl Valentin wusste: Man sagt schließlich "Vater" und nicht "Water". Villach also.

    Eines ist unstrittig: Der riesige weiße Gebäudekomplex gegenüber der Bahnstation ist Österreichs derzeit modernste Wellnessanlage, die Kärntentherme. Schräge Mauern, schräge Fensterbänder und drinnen alles, was ein modernes Spaßbad braucht: 1140 Quadratmeter Wasserfläche mit einem sechsbahnigen 25-Meter-Becken, Röhren- und Breitrutsche und einem Lazy River: Das ist ein Wasserparcours, der auf einem Schwimmreifen wie auf einer Bobbahn aus Edelstahl durchfahren wird. Eine finnische Außensauna bietet die neue Kärntentherme ebenso an wie ein Fitnesscenter oder Massage- und Beautyräume. 1100 Besucher pro Tag werden in der neuen Therme erwartet. Sie liegt zwischen Bahnstation und dem Familienhotel Karawankenhof, das zugleich mit der Therme neu eröffnet wurde. Hinter dem Hotel, bereits am Waldrand, befinden sich das Kurzentrum und das Fünf-Sterne-Haus Warmbaderhof. Sie markieren den Ursprung des Thermenbezirks. Da, wo die warmen Quellen sprudeln, wie Direktor Helmut Weiss erzählt:

    "Das Thermalheilwasser, das hier direkt aus der Erde kommt. Das sind also keine Bohrungen. Das Thermalwasser tritt frei zutage. Und das Besondere daran ist, dass mit diesem Thermalwasser Edelgase mit aufsteigen. Und diese Edelgase bewirken im Körper eine Regeneration."

    Als kleine Bläschen tanzen diese Edelgase an die Oberfläche des 29 Grad warmen und wohlig weichen Wassers. Beim Schwimmen kitzeln sie auf Bauch und Rücken. Das Urquellbecken im Kurhaus von Warmbad Villach ist ein europäisches Unikat: Denn das Bassin wurde direkt über der Quelle errichtet, statt der gewohnten Fliesen hat es einen Boden aus Kies, zwischen dessen Steinchen die Gase aufsteigen. 120 Liter pro Sekunde schüttet die Quelle unter den Kieseln aus, zehn Millionen Liter sind es pro Tag. Nach vier Stunden ist der Inhalt des Beckens ausgetauscht, es reinigt sich selbst. Die Schwimmhalle mit Säulenverkleidungen und Stirnrelief aus Marmor sowie einer Gewölbedecke aus Holz verströmt Würde. Hier wird nicht gespritzt, wettkampfmäßig gekrault oder gelärmt. Die Bewegungen der Badenden scheinen auf Zeitlupe reduziert, man tuschelt höchstens miteinander. Es herrscht ehrfürchtiger Kurbetrieb, weitab von Durchzugsverkehr und Alltagshektik.

    "Die Lage ist natürlich sehr schön. Wir liegen am Fuße des Dobratschs, das ist unser Hausberg mit 2.160 Meter. Und wenn man vom Hotel hinten rausgeht, hat man nur mehr Natur."

    Streift man ein wenig auf Wander-, Lauf- oder Radwegen durch den Wald, der hinter Kurhaus und Warmbaderhof aufsteigt, stößt man auf weitere Thermalquellen, etwa auf das Maibachl: Zwei kleine Schottergruben in Poolgröße füllen sich für kurze Zeit im Jahr, meist im Monat Mai, mit Wasser. Dann pilgern Villacher und Kurgäste hierher und nehmen im dampfenden Warmwasser mitten im Wald ein Bad. Ein Stück weiter erinnert ein unscheinbarer Stein am Ende einer langen Wiese daran, dass sich hier einst der Garnisonsschießplatz des k.-u.-k.-Feldjägerbataillons 26 befunden hat. Unterhalb des sogenannten Römerwegs, eines Hohlwegs, in dessen Bodensteinen sich antike Räderspuren eingekerbt haben, liegt die Napoleonwiese mit keltischen Grabhügeln. Napoleon selbst hatte angeblich aus Villach ein Weltbad machen wollen, was ihm aber nicht gelang.

    So brandneu die Erlebnistherme ist, so viel Tradition hat Österreichs ältestes Thermalbad. Denn die heilenden Thermalquellen am Fuß des Dobratschs waren schon den Römern bekannt. In der Empfangshalle des Kurhauses verkündet die Inschrift auf einem steinernen Weihealtar, dass sich Gaius Decius Succesinus, der damalige Bürgermeister der Region, bei den Viben, den Wassergottheiten, für seine Heilung bedankt: 400 Jahre nach Christus.

    Die Tradition hat angehalten. Seit mehr als 200 Jahren ist Warmbad Villach in Familienbesitz, derzeit in der siebten Generation. Um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts wurde eines der ersten Freibäder Österreichs, getrennt für Männer und Frauen, geschaffen. Villach stieg auf zum Exzellenzenbad: Mitglieder des Kaiserhauses, auch der König von Sachsen, kamen hierher zur Kur und gaben dem Badeort schon früh jene noble Note, die er noch heute verströmt. In erster Linie ging und geht es um Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats, daran hat sich all die Zeit über wenig verändert. Allerdings, sagt Direktor Weiss:

    "Wir merken vor allem im Kurwesen, also bei den Kurgästen, die also über die Sozialversicherung kommen, dass es immer mehr jüngere Menschen werden, die also Beschwerden im Bewegungsapparat haben. Früher war es so, dass es eher eine Alterserscheinung war, das ist es heute nicht mehr."

    Donnerstags wird im Haubenrestaurant des Warmbaderhofs ein Galadinner serviert: etwa geräucherte Entenbrust auf Löwenzahn-Cassis-Salat, Curry-Kokossuppe mit gebackener Garnele und Rehrückenfilet im Morchelmantel an Sternanisjus mit Topinamburpürree und Broccoli. Die tägliche Menükarte ist auch auf Italienisch angeschrieben, denn 17 Prozent der Gäste kommen aus Italien. Der Einzugsbereich des Warmbads, wenige Kilometer vom Dreiländereck entfernt, ist international, er reicht bis Udine in Italien und Ljubljana in Slowenien. Die größte Gästegruppe, laut Direktor Weiss, machen aber mit 21 Prozent die Deutschen aus:

    "Wir hatten früher wesentlich mehr deutsche Gäste hier bei uns, aber zurzeit gibt es ja auch einen großen Bäderboom auch in Deutschland. Und ich finde das auch gut so, da war so vieles, was brachgelegen ist. Für die deutschen Gäste sind wir natürlich insofern interessant, weil wir südlich der Alpen liegen. Wir liegen ja direkt auch an der Grenze zu Italien und zu Slowenien. Das heißt, das Besondere daran ist, dass wir auch ein mediterranes Klima haben. Wenn es in Italien regnet, regnet es bei uns auch. Und wenn dort die Sonne scheint, scheint bei uns auch die Sonne. Das ist ein großer Vorteil, den wir haben, denn somit haben wir wunderbare Sommer, mildes Frühlingswetter und Herbstwetter, was natürlich ideal ist zum Kuren und für die Gäste, die also hierherkommen, um einfach Urlaub zu machen."

    Einer der deutschen Gäste, die dem Haus schon lange die Treue halten, ist der 87-jährige Fritz Czermak. Seit 1999 ist der pensionierte Münchner Richter mit seiner Frau meist zweimal im Jahr zu Gast im Warmbader Hof.

    "Anfangs, jetzt sind das natürlich schon 13 Jahre, war ich also im Winter regelmäßig Skifahren. Und im Sommer ist eben der Tennisplatz hier ganz nah. Und dann auf die Berge kann man ja leicht. Da ist der Dobratsch hier sehr interessant, dass man mit dem Auto rauf kann und dann eben weitersteigen und die Gerlitzen am Ossiacher See, da geht die Bahn hoch. Und dann im Sommer eben auch noch der Wörthersee."

    Dieses Mal ist das Ehepaar Czermak aber auch aus medizinischen Gründen im Warmbad, weil Gattin Hanne vor einem Jahr in München schwer gestürzt ist und in Warmbad Villach Therapiebehandlung nehmen kann.

    "Es sind Therapeuten da, die sind einfach toll, einfach toll. Es ist noch etwas: Man findet hier Geborgenheit. Es ist ein hochtrabendes Wort, aber es ist so: Sie kommen an, alle sind freundlich, erinnern sich. Ach, sie waren doch da und guten Tag. Und das macht sehr viel aus für mich. Ich wollte weder schwimmen noch Berge klettern noch sonst was, ich wollte mich einfach erholen. Und das geht hier fantastisch. Es ist eine Atmosphäre der Gastfreundschaft. Und zwar nicht vom Direktor nur, sondern ganz allgemein, vom kleinsten Angestellten im Restaurant. Und das tut gut."

    Gut tut auch das Eintauchen in den Wellnessbereich, etwa im Dampfbad oder im osmanischen Bad. Man kann seinem Körper Gutes tun und ihn mit Heilerde, Talcum-Steinstempeln oder energetischen Essenzen behandeln lassen, eine Specksteinmassage mit Hanf- oder Leinöl ausprobieren.

    Nach Stunden in Dampf und Wärme und zur Abwechslung einem Essen nach der Montignac-Methode, die Abnehmen ohne Verzicht auf Genuss verspricht, lässt sich auf dem Balkon sitzend ins Grün des sanft ansteigenden Berges gegenüber blicken und die Stille genießen, die lediglich das Glucksen des Pools und das abendliche Zirpen der Grillen unterbrechen. Nicht viel anders muss es hier gewesen sein, als im vierten Jahrhundert der römische Bürgermeister Linderung seiner Leiden durch das Thermalwasser fand.