Samstag, 18. Mai 2024

Archiv

Kaffeefahrten
"Veranstaltern geht es nur darum, Geschäfte zu machen"

Kochtöpfe, Heizdecken, Vitaminpräparate: Oft werden auf Kaffeefahrten minderwertige Produkte zu überhöhten Preisen angeboten. Verbraucherschützerin Regina Aschmann rät dringend zur Vorsicht. Niemand könne gezwungen werden, überhaupt an einer Verkaufsveranstaltung teilzunehmen, sagte sie im DLF. Bei Bedarf könne der Kauf auch widerrufen werden.

Regina Aschmann im Gespräch mit Georg Ehring | 16.05.2017
    In der Küche einer Senioren-WG. Eine Bewohnerin sitzt vor einer Kaffeetasse.
    Von wegen gemütlich Kaffee trinken: Den Veranstaltern von Kaffeefahrten gehe es mitnichten darum, ihren Kunden einen abwechslungsreichen Tag zu bereiten, kritisiert Verbraucherschützerin Regina Aschmann im DLF. (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    Georg Ehring: Das Programm sieht ansprechend aus: eine Fahrt mit dem klimatisierten Bus in eine schöne Gegend, ein leckeres Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen und eine interessante Besichtigung. Dass eine Kaffeefahrt in der Realität oft ganz anders verläuft, diese Erfahrung machen vor allem ältere Leute häufig. Im Mittelpunkt steht eine Verkaufsveranstaltung, auf der die Teilnehmer mit ziemlich rüden Methoden zum Kauf von überteuerten Produkten mit zweifelhaftem Nutzen genötigt werden.
    Jetzt gibt es einen besonders krassen Fall aus der Gegend von Bremen. Es geht um Nahrungs-Ergänzungsmittel für Tausende von Euro, die ein demenzkranker Teilnehmer einer solchen Tour bestellt haben soll.
    Regina Aschmann kümmert sich bei der Verbraucherzentrale Bremen um das Thema. Guten Tag, Frau Aschmann.
    Regina Aschmann: Guten Tag.
    Ehring: Frau Aschmann, was ist denn in dem Fall passiert?
    Aschmann: Eine Frau hat festgestellt beziehungsweise ist von ihrem Bankberater informiert worden, dass ihr Vater 2.500 Euro überweisen sollte an jemanden. Da ist sie stutzig geworden beziehungsweise erst einmal der Bankangestellte, und daraufhin hat sich die Verbraucherin die Kontoauszüge ihres Vaters mal genauer angesehen und hat festgestellt, dass er bereits insgesamt über 9.600 Euro an einen Herrn überwiesen hatte. Dieser war sogar ein- oder zweimal dann bei dem Verbraucher zuhause und hat zum Beispiel über Kreditkarte 1.500 Euro Anzahlung für irgendetwas abgebucht.
    Hinzu kam, dass noch zwei Rechnungen von fast 5000 Euro offen waren, aber durch Rückbuchung und Widerspruch konnte die Tochter verhindern, dass diese Überweisungen dann vorgenommen wurden.
    "Verbraucher haben 14 Tage lang Zeit, einen Widerspruch einzulegen"
    Ehring: Gibt es denn bei solchen Verkaufsveranstaltungen ein Rücktrittsrecht?
    Aschmann: Ja, das gibt es. Das ist ein Haustürgeschäft und das bedeutet, dass Verbraucher 14 Tage lang Zeit haben, einen Widerspruch einzulegen, und können dann damit von der Veranstaltung beziehungsweise von dem Kauf von Produkten zurücktreten.
    Ehring: Es gibt ja ziemlich rüde Methoden. Ich habe es am Anfang angesprochen. Wie werden Teilnehmer denn genötigt, Unsinn zu bestellen oder Dinge, die völlig überteuert sind?
    Aschmann: Erst mal muss man wissen, dass es Veranstaltern nicht darum geht, den Menschen einen schönen, abwechslungsreichen Tag zu bescheren. Es geht ihnen nur darum, Geschäfte zu machen, und zwar überteuerte Ware, wie Sie schon sagten, zu verkaufen. Und dann sind da sehr geschulte Verkäufer im Einsatz. Die bieten ihre Waren an, animieren zum Kauf von verschiedenen Produkten. Klassiker sind ja Kochtöpfe, Vitaminprodukte, Magnetdecken und so weiter. Doch diese angeblichen Schnäppchen, so wie die dargestellt werden, sind oft nutzlos, überteuert oder von minderer Qualität oder alles zusammen.
    Ehring: Was ist denn Ihr Rat für Menschen, die sich trotzdem einen schönen Nachmittag erhoffen und da mitreisen möchten, weil vielleicht die Verkaufsveranstaltung nicht der einzige Programmpunkt ist?
    "Sie müssen ihren Angehörigen warnen"
    Aschmann: Man kann so eine Fahrt mitmachen, ja, soll aber sehr vorsichtig sein, wenn es ums Verkaufen geht. Verbraucher können nicht gezwungen werden, im Rahmen einer solchen Fahrt überhaupt an einer Verkaufsveranstaltung teilzunehmen. Allerdings wird der Druck sehr hoch sein, mit dem Menschen genötigt werden, dann doch in dieser Veranstaltung zu bleiben.
    Wer dann doch etwas kauft, sollte sich genau das Vertragsdatum angucken. Häufig datieren die Anbieter das Datum zurück. Das heißt, man kann dann gar nicht mehr ordnungsgemäß ein Widerrufsrecht ausüben. Wenn man nicht über dieses Widerrufsrecht gut belehrt oder richtig belehrt wurde, hat man für den Widerruf sogar ein Jahr und 14 Tage Zeit.
    Ehring: Was können denn Angehörige tun, wenn sie feststellen, Verwandte von mir werden auf diese Weise abgezockt?
    Aschmann: Warnen! Sie müssen ihren Angehörigen warnen, darauf hinweisen, möglichst nicht solche Produkte zu kaufen. Und wenn, dann muss man sehr genau hinschauen, ob der Teilnehmer oder die Teilnehmerin wirklich diese Produkte brauchen und ob sie nicht überteuert sind und ob sie nicht von minderer Qualität sind. Sonst tatsächlich mithilfe von Kindern oder anderen Angehörigen das Widerrufsrecht in Anspruch nehmen.
    "Meine Empfehlungen und Tipps bitte dringend beachten"
    Ehring: Solche Kaffeefahrten sind ja schon seit vielen Jahren ein Thema und es geht immer weiter. Was meinen Sie, warum das noch attraktiv erscheint?
    Aschmann: Attraktiv erscheint es für die Veranstalter, weil sie damit relativ einfach Gewinne machen können. Und für die Menschen ist es so, dass viele ältere Menschen auch alleine leben, einsam sind, und sie freuen sich vielleicht auf einen geselligen Tag im Kreise anderer Seniorinnen und Senioren. Das kann ich schon verstehen, dass man sich davon mitreißen lassen kann. Aber Vorsicht! Meine Tipps und Empfehlungen bitte dringend beachten.
    Ehring: Regina Aschmann war das von der Verbraucherzentrale Bremen. Es ging um Kaffeefahrten. Herzlichen Dank dafür.
    Aschmann: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.