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Kafka als Lustmolch?

Ein Jahr verschärfte Strafkolonie – eventuell inklusive Hinrichtung auf der von ihm selbst erdachten Foltermaschine – das wäre wohl das Mindeste, das dem Schriftsteller in einem ordentlichen Staatswesen gedroht hätte: Offenbar sammelte Franz Kafka heimlich pornografische Abbildungen!

Von Burkhard Müller-Ullrich | 07.08.2008
    Fassungslos nehmen wir zur Kenntnis, dass unser Lieblingsschriftsteller eine ganz dunkle, unheimliche Seite hatte. Ausgerechnet dieser heitere Franz Kafka, der so fröhliche Familiengeschichten verfasst hat wie jene, in denen jemand zum Käfer wird, oder den spaßigen "Bericht an eine Akademie", geschrieben aus der Perspektive eines Affen, oder die lustige Darstellung der grotesken Schwierigkeiten eines Boten, eine königliche Nachricht zu überbringen, ganz zu schweigen von dem drolligen "Prozeß", ausgerechnet dieser so sonnige und erzrobuste Dichter scheint sich privat und im Verborgenen ganz abgründigen Unterhaltungen hingegeben zu haben. Diese finstere Entdeckung verdanken wir dem englischen Literaturwissenschaftler James Hawes, einem Kafka-Spezialisten, der bei seinen unerschrockenen Recherchen in der British Library und der Oxforder Bodleian Bibliothek etwas Atemberaubendes in die Hände bekam. Es handelt sich um Masturbationsvorlagen vom Beginn des 20. Jahrhunderts, Pornos mit so exquisiten Titeln wie "Amethyst" und "Opale", in denen so verruchte Dinge wie lesbische Sex-Szenen abgebildet sind.

    Daraus kann man auch noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Mediensensation machen: Kafkas kranke Phantasien, die geheime Geilheit des Star-Autors – von wissenden Wissenschaftlern bislang verschwiegen, jetzt erstmals tapfer enthüllt. Bestimmt wirft das ein neues Licht auf seine Texte! Der Mann war ja verdorben bis ins Onanisten-Rückenmark! Vor allem hatte er ein wahnsinniges Pech, das Internet um ein knappes Jahrhundert verfehlt zu haben. Denn gerade für Schriftsteller bietet dieses Instrument besondere Vorzüge, da man die erektionsfördernden Bilder mit genau derselben Maschine herunterladen kann, in die man seine geistigen Ejakulationen hineinlädt. Und während Kafka noch peinlich darauf bedacht war, seine Pornos im Schrank einzuschließen und den Schlüssel mitzunehmen, wenn er fortging, lässt sich der Computer nicht nur leichter und schneller verriegeln, sondern gegebenenfalls auch ruckzuck die ganze Festplatte löschen. Kafka hatte bekanntlich vergeblich um die Vernichtung seiner Hinterlassenschaft gebeten.