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Kahlschlag in den Kunstpalazzi

Italien ist gerade für Kunst- und Kulturinteressierte ein wundervolles Reiseziel. Wäre da nicht der erbärmliche Zustand, in dem sich so viele Kirchen, Palazzi und Museen befinden. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat den Etat für Denkmalpflege dramatisch zusammengestrichen. Private Sponsoren versuchen zu retten, was zu retten ist.

Von Kirstin Hausen |
    "Einige wichtige Kunstdenkmäler konnten nur restauriert werden, weil wir die Kosten übernommen haben" sagt Giuseppe Guzzetti, Präsident der Bankenstiftung "Cariplo". Seit Jahrzehnten finanziert die Stiftung Projekte zum Erhalt denkmalgeschützter Bauwerke in öffentlicher Hand, -Kirchen, Abteien, Palazzi-, aber so viele Anfragen wie im vergangenen Jahr hat es selten gegeben.

    "Wir können und wir dürfen nicht in die Lücke springen, die der Staat mit seinen Kürzungen aufreißt. Wir sind deshalb sehr kritisch gegenüber den politischen Entscheidungen. Unsere Stiftung allein kann die Pflege der Kulturgüter nicht übernehmen. Und wir wollen eine systematische Kulturpflege. Man muss sich fragen, wie man einen restaurierten Palast nutzen will. Wir finanzieren inzwischen nur noch Projekte, die über das bloße Restaurieren hinaus gehen. Und so müsste es der Staat auch machen, statt sich einfach aus der Verantwortung zu stehlen.""

    Das kulturelle Erbe voll ausschöpfen- diese Forderung kommt auch aus universitären Kreisen. Denn mit Kultur lässt sich auch Geld verdienen, wenn man es richtig anstellt. Statt die Denkmalpflege als reinen Kostenfaktor zu sehen, lohne sich ein Blick auf ihr Potenzial, das bisher nicht genutzt wird, meint Marilena Vecco, Professorin für Kulturökonomie in Venedig:

    "Wir sind von einem überholten Konzept aus den 50er-Jahren, als die Kultur etwas so hoch Angesehenes und Elitäres war, dass man keinerlei Kosten-Nutzen-Kalkulationen aufstellen durfte, geradewegs zu einem Konzept übergegangen, das die Kultur zwar zugänglicher macht, aber eigentlich nur mit Kosten gleichsetzt. Dabei wird vergessen, dass Investitionen in Kultur die Gesellschaft allgemein voranbringen."

    Marilena Vecco hat den Kulturbetrieb anderer Länder studiert und attestiert Italien eine fatale Rückständigkeit. Nicht nur, weil die staatlichen Investitionen in Kultur nur circa 0,3 Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes betragen. Die Ökonomin beklagt auch das Fehlen einer gewissen Managermentalität im italienischen Kulturbetrieb.

    "Der Ausbildungsweg für Führungskräfte im Kulturbetrieb beinhaltete früher weder Kurse in Buchhaltung noch in Management. Inzwischen sind solche Kurse sehr gefragt. So muss die Suche nach privaten Sponsoren heutzutage professionell betrieben werden, aber viele Museen, die bisher allein mit staatlichen Geldmitteln unterhalten wurden, sind noch nicht so weit."

    Doch es gibt auch positive Beispiele. Etwa das berühmte Teatro Strehler in Mailand.

    "Unser Theater finanziert sich bereits zu 50 Prozent selbst, weil wir heute vieles effizienter machen als früher."

    … erklärt Direktor Sergio Escobar. Die Bühnenbilder werden nicht mehr in Auftrag gegeben, sondern selbst gemacht, die Schauspieler haben weniger Leerlauf zwischen Proben und Auftritten, die Stücke werden öfter wiederholt. Die Qualität habe unter den Rationalisierungsmaßnahmen nicht gelitten, versichert Escobar und verweist auf die gestiegenen Zuschauerzahlen trotz Wirtschaftskrise. Allerdings wäre mehr Unterstützung von staatlicher Seite wünschenswert.

    "Unser Modell ist vorbildlich und verdient staatliche Förderung. Aber die Politik macht genau das Gegenteil. Wir leiden unter einem chronischen Kapitalmangel und die Politik tut nichts, um diejenigen zu belohnen, die klug wirtschaften."

    Was den Theaterdirektor Sergio Escobar an den Budgetkürzungen für den Kulturbetrieb am meisten ärgert, ist das unterschiedslose, pauschale Streichen ohne Rücksicht auf die Qualität des Angebots.

    "Es gibt keine Strategie für die Kulturförderung in Italien. Wir brauchen ein Gesetz mit klaren Kriterien zur Vergabe von Geldmitteln. Aber das würde bedeuten, dass man die Spreu vom Weizen trennt."