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Kaiser hoch zu Ross

Am Deutschen Eck, der Koblenzer Landzunge an der Mündung der Mosel in den Rhein, wurde 1897 ein Monument eingeweiht, mit dem Kaiser Wilhelm II. an seinen Großvater Wilhelm I. erinnern wollte. Das gigantische Denkmal symbolisierte die Einheit der Deutschen und spiegelte zugleich den nationalistischen wilhelminischen Zeitgeist. Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, wurde es vor 15 Jahren, am 2. September 1993 als Replikat erneut auf den Sockel gehoben.

Von Wolfgang Stenke |
    "Wir gingen auf der breiten, baumbestandenen Allee; (...) ich sah hoch ... und fiel beinah um. Da stand - Tschingbumm! - ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelms des Ersten: ein Faustschlag aus Stein."

    So beschrieb Kurt Tucholsky 1930 in der "Weltbühne" seine Begegnung mit einem Monument wilhelminischen Nationalstolzes am Zusammenfluss von Mosel und Rhein, dem Deutschen Eck.

    "Zunächst blieb einem der Atem weg. Sah man näher hin, so entdeckte man, dass es ein herrliches, ein wilhelminisches, ein künstlerisches Kunstwerk war. Das Ding sah aus wie ein gigantischer Tortenaufsatz und repräsentierte jenes Deutschland, das am Kriege schuld gewesen ist - nun wollen wir sie dreschen!"

    "Das Ding", 37 Meter hoch und eine Million Mark teuer, war damals gerade 33 Jahre alt. Es verdankt seine Existenz dem Rheinischen Provinziallandtag, der 1889 in patriotischer Aufwallung einen Wettbewerb ausschrieb für ein Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I. Es sollte an die Reichsgründung von 1871 erinnern und die deutsche Einheit bekräftigen. Weshalb der monumentale Sockel mit der Aufschrift versehen wurde:

    "Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu."

    Erbaut nach Plänen des Architekten Bruno Schmitz, der sich auch mit dem Völkerschlachtdenkmal von Leipzig verewigte, trägt die wuchtige Pfeilerhalle ein martialisches Standbild aus Kupfer: Wilhelm I., in Generalsuniform hoch zu Ross. Daneben eine kräftige Frauengestalt, die mit beiden Händen eine überdimensionierte Kaiserkrone umfasst. Für dieses Ensemble, aufgeblasen auf 14 Meter Höhe, zeichnete der Bildhauer Emil Hundrieser verantwortlich. Bei der Einweihung durch Wilhelm II. am 30. August 1897 war es das größte Reiterstandbild der Welt: "Erz und Stein" - kombiniert zu einem Symbol nationaler Selbstbehauptung.

    Als Tucholsky 1930 in Koblenz das Deutsche Eck besichtigte, zwölf Jahre nach einem verlorenen Weltkrieg, war das Kaiser-Wilhelm-Denkmal immer noch eine nationale Wallfahrtsstätte. - Genervt fragte der Satiriker:

    "Könnt ihr euch denken, dass sich jemals eine Regierung bereit fände, einen solchen gefrorenen Mist abzukarren -? Im Gegenteil: sie werden gar bald ein neues Mal errichten: das Reichsehrenmal."

    Am Ende des Zweiten Weltkriegs warf eine amerikanische Artilleriegranate Wilhelm I. vom Sockel. Bis auf den Kopf wurden die Reste des Standbildes verschrottet und angeblich zu Draht verarbeitet. Spötter sprachen deshalb vom "längsten Denkmal der Welt". Als Symbol der deutschen Einheit aber wollte auch die junge Bundesrepublik das Monument erhalten. - 18. Mai 1953. Bundespräsident Theodor Heuss am Deutschen Eck in Koblenz:

    "Ist unser Geschlecht nach soviel Geschlagenheit, in soviel noch heute währender Bedrängnis, innerlich frei genug, dieses Werk, das zum Teil zerstört war, das seiner symbolträchtigen Figur entkleidet war vom Kriegsschicksal - haben wir das Recht und die innere Freiheit, das Werk zu erneuern?"

    Die Frage war eher rhetorisch gemeint. Doch zunächst musste man sich mit einem Fahnenmast plus Bundesflagge Schwarzrotgold anstelle des zerschossenen Reiterstandbildes behelfen. Erst vier Jahrzehnte später kehrte Wilhelm I. als Replikat an den alten Standort zurück. Die Schenkung eines Koblenzer Verlegerehepaares machte es möglich. Am 2. September 1993, ausgerechnet am Jahrestag des deutschen Sieges über Frankreich im Krieg 1870/71, wurde der 55 Tonnen schwere Monarch wieder auf den Sockel gehoben. Ein Affront für republikanisch gesinnte Bürger, die sich an diesem Tag zu Protesten am Deutschen Eck versammelten:

    "Heute ist der Sedanstag, an dem die Deutschen über den Erbfeind Frankreich gesiegt haben. Und an diesem Tag gehen wir hin und befreien das Denkmal der deutschen Einheit, nachdem selbige wieder vollzogen ist, von dieser demokratischen deutschen Flagge und setzen den schönen Kaiser wieder drauf. Ich glaube, das ist Satire genug."