Der erste und bleibende Eindruck ist das hohe Maß an Künstlichkeit. Selbst wenn die Figuren nicht singen, sondern sprechen, wird jede Silbe zur Kunst erhoben. Wenn sie gehen, hat jeder Schritt Bedeutung, sogar die Höhe der Sohlen ist ein Signal, je höher umso wichtiger ist die Person in der sozialen Hierarchie. Die Kun-Kunst macht einen weiten Bogen um jeden Realismus. Die Körper sind in aufwendig bestickte Seidengewänder gehüllt, die Gesichter sind geschminkt, ja bemalt, dass sie wie Masken wirken. Haut ist nur an den Händen sichtbar, aber auch die Bewegungen der Finger, wenn sie denn einmal unter den meterlangen Ärmeln kunstvoll hervorzelebriert sind, gehorchen einer genau vorgeschriebenen, uralten Choreografie. Je reiner, müheloser und eleganter alles ausgeführt wird, umso höher der künstlerische Rang. Und was die Kun-Oper aus Schanghai in Köln zeigte, ist, jedenfalls für europäische Zuschauer, an Qualität, Schönheit und Kraft kaum zu überbieten. Dabei ist diese chinesische Variante des Musiktheaters alles andere als auf Überwältigung ausgelegt. Von der Liebe, vom Leben, von Gesellschaft, Macht und Gewalt erzählt es mit höchster Diskretion. Und doch weiß und verrät dieses Theater so unendlich viel vom Menschen. Die Liebesgeschichte zwischen dem Kaiser Li und seiner Konkubine Yang analysiert mit psychologischem Feinsinn den Kampf der Geschlechter. Die Intrigen und die Rebellion des verschlagenen Generals An Lushan gegen die Tang-Dynastie beschreiben sehr genau, wie schnell und unbarmherzig Machtwille, Herrschsucht und Menschenverachtung zusammenkommen. Der Vergleich dieser über 300 Jahre alten vierteiligen Oper "Palast ewiger Jugend" mit Richard Wagners Ring des Nibelungen ist dabei nicht zu weit hergeholt. Aber auch zahlreiche Analogien zur Barockoper gibt es. Etwa der Wechsel zwischen Rezitativen, mal Secco, mal Accompagnato, und Arien. Oder die Falsettstimmen, die aber viel reiner, feiner, zarter im Klang sind, also der obertonreiche, voluminös ausgebaute Sopran beziehungsweise Countertenor bei uns.
Anrührend, bezaubernd ist dieser Gesang, so wie ihn das Ensemble bei ihrem kurzen Deutschlandbesuch präsentierte. Erstaunlich, wie viele Gemeinsamkeiten es doch mit der europäischen Tradition gibt, etwa bei der Darstellung bestimmter Effekte. Auch in der Kun-Oper erklingen Harfenarpeggien, wenn es um Himmlisches geht, die Solo-Violine, wenn es romantisch wird, die Oboe, wenn geklagt wird. Obwohl sich die Pentatonik dieser Musik vom europäischen Tonsystem deutlich unterscheidet und die traditionellen Instrumente der Kun-Oper ganz andere sind. Erhu heißt die zweisaitige Kniegeige, Sheng die mundgeblasene Labialorgel, Pipa ein mandolinenähnliches Zupfinstrument. Das Kun-Orchester im Kölner Graben hat die chinesische Klangwelt in ihrem ganzen Reichtum und ihrer ganzen Schönheit aufgefächert. Nun könnte man auch über die politische Dimension dieser Kunst sprechen, denn die Kun-Oper ist ein staatserhaltendes Theater. Die Verhältnisse werden zwar kritisiert, aber das System nicht grundsätzlich infrage gestellt, im Gegenteil. Die Musik zeigt jedenfalls auch Kraft und Macht, wie beim Vorspiel. Bei der Kun-Oper gibt es viel zu hören und zu grübeln.
Anrührend, bezaubernd ist dieser Gesang, so wie ihn das Ensemble bei ihrem kurzen Deutschlandbesuch präsentierte. Erstaunlich, wie viele Gemeinsamkeiten es doch mit der europäischen Tradition gibt, etwa bei der Darstellung bestimmter Effekte. Auch in der Kun-Oper erklingen Harfenarpeggien, wenn es um Himmlisches geht, die Solo-Violine, wenn es romantisch wird, die Oboe, wenn geklagt wird. Obwohl sich die Pentatonik dieser Musik vom europäischen Tonsystem deutlich unterscheidet und die traditionellen Instrumente der Kun-Oper ganz andere sind. Erhu heißt die zweisaitige Kniegeige, Sheng die mundgeblasene Labialorgel, Pipa ein mandolinenähnliches Zupfinstrument. Das Kun-Orchester im Kölner Graben hat die chinesische Klangwelt in ihrem ganzen Reichtum und ihrer ganzen Schönheit aufgefächert. Nun könnte man auch über die politische Dimension dieser Kunst sprechen, denn die Kun-Oper ist ein staatserhaltendes Theater. Die Verhältnisse werden zwar kritisiert, aber das System nicht grundsätzlich infrage gestellt, im Gegenteil. Die Musik zeigt jedenfalls auch Kraft und Macht, wie beim Vorspiel. Bei der Kun-Oper gibt es viel zu hören und zu grübeln.