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Kaleidoskop der Kunst

Bereits um 1905 begann Adolf Hölzel mit abstrakten Formen zu experimentieren. Dabei ging es dem Künstler vor allem um das respektvolle Verhältnis der Farben und Formen, die sich kaleidoskopartig über die Leinwand ausbreiten. Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt in einer umfangreichen Retrospektive Adolf Hölzels Weg in die Moderne.

Von Christian Gampert |
    Adolf Hölzel hat seinen eigenen Weg in die Moderne gefunden. Um 1905, also zu einem Zeitpunkt, als sich in Paris gerade die Fauves zusammentaten und Picassos "Demoiselles d'Avignon" noch nicht gemalt waren, begann Hölzel im Dachauer Moos - bei München - bereits mit abstrakten Formen zu experimentieren, und das führte ihn dann zu einem ornamentalen, farbintensiven, nach rein formalen Kriterien organisierten Stil.

    Hölzel war von seiner Ausbildung ein typischer akademischer Maler. Die Stuttgarter Ausstellung zeigt zu Beginn einige schöne Interieurs und Landschaften vom Ende des 19. Jahrhunderts, realistische Malerei im Stil der Münchner Sezession, die sich bei ihm nach 1887, da war er schon in Dachau, in impressionistisch getupfte Landschaftsmalerei auflöst.

    Aber dann, nach der Jahrhundertwende, sind die Bäume und Wege eher flächig und schematisiert, und mit seiner Berufung zum Professor an die Stuttgarter Kunstakademie 1905 beginnt Hölzel noch einmal neu zu experimentieren. Das ist auch für den Kurator Daniel Spanke der entscheidende Schritt:

    "So haben wir um 1905 schon eine Arbeit, die 'Komposition in Rot 1', die fast völlig monochrom ist, die er noch in Dachau gemalt hat und mit nach Stuttgart nimmt. Hätten das die Kollegen in Stuttgart gesehen, wäre er wahrscheinlich nicht berufen worden."

    Die konservativen Stuttgarter ahnten nicht, was sie sich da einhandelten. "Kaleidoskop" heißt die Ausstellung, und kaleidoskopartig setzt sie in der Tat Hölzels Lebenswerk zusammen. Kaleidoskope sind auch einzelne Bilder. Hölzel malte nebenbei realistische Auftragswerke, hauptsächlich aber betrieb er die Erforschung der "Natur des Bildes", das er als "mit Farbe bedeckte Fläche" definierte.

    "Dazu entwickelt er auch eigene Theorien, wie man da beginnen kann mit einer geometrischen Konstruktion, die wir in der Ausstellung sehr gut zeigen können an vielen Beispielen, auch auf Papier, und in dieses geometrische Grundgerüst gießt er dann auch gegenständliche Formen. Die kristallisieren sich da raus."

    Im zentralen Raum sieht man Hölzels Schriften und Briefe, aus denen sich oft Zeichnungen, Flecken, surreale Wesen heraus entwickeln. Zugleich sind in diesem - zwei Stockwerke hohen - Hauptraum Hölzels Glasbilder montiert, durchsichtige, schwebende Farbträger, an denen man Hölzels am Jugendstilornament geschulte, aber völlig abstrakte Kompositionsstrategien vielleicht am schönsten studieren kann.

    Mit 50 Jahren hat sich dieser Künstler also noch einmal neu definiert. Die minutiös argumentierende Ausstellung beschreibt seinen Weg vor allem über die zahlreichen Papierarbeiten: Pastelltechniken, Theorie der Farbkontraste, dichte oder locker gesetzte Formenhaufen - hier wird ganz konzeptuell eine neue Bildsprache ausprobiert.

    Ab Mitte der 1920er-Jahre, als man ihm den Lehrbetrieb endgültig vergällt hatte, setzt er immer mehr Kreisstrukturen in die Bilder - das Auge fordere das, sagte Hölzel; aber die gefügten Kreise entsprachen wohl vor allem seinem Bedürfnis nach Harmonie.

    Im obersten Stock sind dann Ölarbeiten - vor allem der Spätphase - versammelt, in denen meist Figuren aus abstrakten Formen herauswachsen. Die Themen sind religiös, Anbetungen, die Bergpredigt - und doch war Hölzel kein religiöser Maler. Es ging ihm weniger um Ikonografie, als um das respektvolle Verhältnis der Farben und Formen, um die Komposition, sagt Daniel Spanke.

    "Das ist das, was ihn fasziniert hat: wie diese Elemente in einer Gemeinschaft sein können - und es dann ein harmonisches Ganzes gibt. Und dieses harmonische Ganze, das ist für ihn letztlich die Erfüllung des Bildbegriffs."