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Kamel statt Kuh

Nicht jeder Mensch verträgt Kuhmilch: Viele Allergiker steigen deshalb um auf Soja-, Ziegen-, Schafs- oder sogar Pferdemilch. Eine weitere Alternative kommt jetzt aus den Niederlanden: Milch vom Kamel. In Afrika oder dem Vorderen Orient steht sie seit Langem auf dem Speiseplan. Das europäische Lebensmittelrecht erlaubt den Verkauf aber nur, wenn die Milch in der EU erzeugt wurde. Eine Marktlücke, in die ein junger Landwirt aus den Niederlanden gesprungen ist.

Von Remko Kragt |
    Das Land um die Stadt 's-Hertogenbosch, Hauptstadt der Provinz Nordbrabant im Süden der Niederlande, ist weit und flach. Bis zum Horizont sieht man wenige Bauernhöfe und viele schwarz-weiß gescheckte Rinder. Nur in der Nähe des Dorfes Cromvoirt grasen auf einer Weide Tiere, die ganz anders aussehen und sich ganz anders anhören, als die Kühe rundum.

    Es sind Kamele. Sie stehen auf dem Bauernhof von Frank Smits, dem europaweit einzigen Landwirt, der Kamelmilch zum Trinken produziert. Gegründet hat Smits seinen Hof im Jahr 2006. Er begann mit drei Tieren, die er von den Kanarischen Inseln geholt hatte.

    Kamele hatte es bis dahin in den Niederlanden nur als Zoo- oder Zirkustiere gegeben, erzählt Smits einer Besuchergruppe. Für Kamele als Produktionstiere gab es keine Vorschriften - und also keine Genehmigung. Smits musste sozusagen den Behörden erst einmal erklären, dass ein Kamel kein Fisch ist.

    Rund vierzig Stuten und Kälber hält der Landwirt mittlerweile auf seinem Hof. Er hat sie überwiegend bei Züchtern und Zoos in Deutschland, Frankreich und Spanien gekauft. Es sind übrigens genau genommen Dromedare - das sind die mit nur einem Buckel. Die mit den zwei Buckeln lassen sich nicht melken.

    Und nur um die Milch gehe es ihm. Zwei Mal am Tag schließt Smits seine selbst entwickelte Melkmaschine an. Eine Stute gibt etwa 6 Liter Milch am Tag - und das nur ein Jahr lang, nachdem sie gekalbt hat. Erst ein weiteres Jahr später könnte sie wieder Kalben. Die Ausbeute ist also nicht sehr groß, entsprechend teuer ist die Milch - etwa 6 Euro pro Liter.

    Aber die Milch hat besondere Eigenschaften. Sie enthält nur zwei bis drei Prozent Fett, wenig Milchzucker und kein Betalactoglobulin, ein Protein, das eine große Rolle bei der Entstehung der Milchallergie spielt. Dem gegenüber ist Kamelmilch reich an Mineralien und Vitamin C. Frank Smits arbeitet für einen speziellen Markt.

    Abnehmer seien vor allem Zuckerkranke und Menschen, die an einer Kuhmilchallergie oder an Magen- und Darmproblemen leiden, sagt Frank Smits. Verkauft werde die Milch direkt vom Hof und in Naturkostläden. Ein zusätzlicher Markt ergebe sich natürlich in den vielen kleinen Geschäften, die Marokkaner oder Somalier in den Niederlanden betreiben. Mittlerweile gebe es sogar Bestellungen aus Deutschland und England. Im- und Export seien innerhalb der EU erlaubt - lediglich die begrenzte Haltbarkeit der Milch zieht Grenzen. Verwenden könne man die Kamelmilch im Prinzip genau so wie Kuhmilch.

    Käse und Joghurt allerdings könne man aus ihr nicht ohne Weiteres herstellen, weil sie kein Kasein enthält. Aber ansonsten geht alles - Brot backen, kochen, es gibt Kamelschokolade und selbst Kamelmilcheis will Smits demnächst anbieten.

    Und - natürlich - man kann die Milch trinken. Wie es zu einer Betriebsbesichtigung gehört, wagt sich auch die heutige Besuchergruppe an eine Kostprobe. Es sind übrigens alles Landfrauen, die am Morgen bereits ihre Kühe versorgt haben. Wie ihnen die Konkurrenzmilch schmeckt?

    Nicht fett und nicht so süß, findet eine Teilnehmerin, ein ganz leckeres Getränk.

    Und ihre Freundin stimmt zu. Allerdings müsse man die Milch wohl gut gekühlt trinken.

    Die Urteile der Frauen machen neugierig. Ein Selbstversuch ergibt: Die Kamelmilch erinnert ein bisschen an entrahmte Milch, und sie schmeckt tatsächlich deutlich weniger süß.