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Kamerad Spitzenathlet

Bei Olympischen Spielen besteht ein großer Teil des deutschen Kaders aus Bundeswehr Soldaten – bei Winterspielen mehr als bei den Sommerspielen. Im vergangenen Jahr in London waren gut 30 Prozent der deutschen Athleten so genannte "Staatsamateure".

Von Olivia Fritz |
    Olympiasieger Robert Harting, die Silbermedaillengewinner Marcel Nguyen und Lilli Schwarzkopf – sie sind Sportsoldaten. 115 der insgesamt 392 deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen in London sind Angehörige der Bundeswehr. Und die präsentiert stets stolz den speziellen Medaillenspiegel ihrer Schützlinge. In London sollen sie an 19 von insgesamt 44 deutschen Medaillen beteiligt gewesen sein. Eine umstrittene Auswertung, denn es zählen auch Teamsportarten wie Hockey, Beachvolleyball oder Rudern dazu, die nicht nur aus Bundeswehrmitgliedern bestehen.

    Dennoch spielt die Bundeswehr beim Thema Spitzensportförderung eine zentrale Rolle: 744 Athleten können aktuell gefördert werden. Voraussetzung: Die Sportler müssen mindestens 18 Jahre alt sein und einer deutschen Nationalmannschaft, bzw. einem der drei höchsten Bundeskader angehören. Der Sold wird nicht an sportlichem Erfolg gemessen, sondern nach Dienstgrad gezahlt. Ein Schulabschluss ist nicht notwendig, kann aber parallel zum Training nachgeholt werden, erklärt Josef Nehren, Leiter des Dezernats Spitzensport der Bundeswehr.

    "Die Sportler kommen für zunächst zwölf Monate zu uns. Das ist mehr oder weniger eine Art Probezeit. Wenn sie erfolgreich sind, werden sie in der Regel auch länger dienende Soldaten, sprich: Soldaten auf Zeit. Für alle Soldaten gilt, dass sie die Möglichkeit haben, auf Antrag Berufssoldaten zu werden. Allerdings ist die Formel im Bereich Spitzensport: Einer pro Jahr pro Jahrgang."

    Eine niedrige Quote. Denn mit spätestens Mitte 30 ist für die meisten Schluss mit dem Spitzensport. Nach einer sechswöchigen Grundausbildung erfolgt zwar die weitere militärische Weiter- und Ausbildung. Der Schwerpunkt liegt jedoch stets auf dem Sport. Dabei sei eine duale Karriere mittels einer parallel laufenden Ausbildung oder eines Studiums immens wichtig, betont der Hamburger Ökonomie-Professor und Ex-Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig. Und zwar nicht nur für die Zeit nach dem sportlichen Karriere-Ende:

    "Die Bundeswehr ermöglicht es jetzt zumindest, dass die Athleten solche Ausbildungen machen. Aber sie fordert es noch nicht hinreichend ein. Das führt dazu, dass immer noch einige Athleten den ganzen Tag nichts weiter machen als zu trainieren. Sie lullen sich ein und sind langfristig nicht so leistungsfähig wie die Athleten, die ihre Anforderungen auch in anderen Bereichen haben. Die geistig auch gefordert sind."

    Das anscheinend schnell verdiente Geld gaukle, so Maennig, den Athleten eine Sicherheit vor, die langfristig nicht trage.

    Beachvolleyball-Olympiasieger Jonas Reckermann schließt sich der Kritik an. Er sagte im Deutschlandfunk:

    "Das ist natürlich ein sehr großer Betrag, der in die Sportförderung fließt durch die Bundeswehr. Und da steht ein Kostenapparat dahinter. Ich glaube, dass die Langfristigkeit dort nicht gegeben ist und den Sportlern nicht die Karriere nach der Karriere bereitet wird. Weil dort viel zu wenige hängen bleiben und nachher bei der Bundeswehr ihr festes Einkommen haben."

    Dagegen hält Bundeswehr-Mann Nehren, dass die Zahl der Soldaten, die sich parallel weiterbilden, inzwischen gestiegen sei.

    "Es ist nicht Sache der Bundeswehr, die Sportsoldaten in irgendeine Richtung zu zwingen. Ich gehe davon aus, dass wir es mit erwachsenen, selbstständigen Menschen zu tun haben. Die meisten von ihnen wissen auch, dass sie für die nachsportliche Karriere etwas tun müssen."

    Stolze 27 Millionen Euro bekommt die Bundeswehr für die Spitzensportförderung pro Jahr zur Verfügung gestellt. Eine Summe, die polarisiert. Wolfgang Maennig hält sie und die Zahl der Sportsoldaten für viel zu hoch und das Ergebnis für wenig effektiv.

    "Die Berechnung der Kosten pro geförderten Athlet oder pro errungener Medaille zeigen, dass das Modell Bundeswehr ungefähr fünf- bis sechsmal so teuer ist wie das alternative Modell, die Sportler über die Stiftung Deutsche Sporthilfe zu fördern."