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Kameramann im schwarzen Frack

33 Antarktisdorsche oder 244 Kleinkrebse – das ist die Jagdbeute zweier Adeliepinguine in nur 80 bis 90 Minuten. Nachgezählt haben das japanische Biologen, nachdem sie die Tiere mit Kameras und Beschleunigungssensoren ausgestattet hatten.

Von Tomma Schröder |
    Der Kameramann schwenkt über die Lützow-Holm-Bucht: Der Himmel ist strahlend blau, das Eis glitzert in der Sonne. Doch der schöne Anblick ist nur von kurzer Dauer. Ruckartig wird die Kamera Richtung Himmel gerissen, um gleich darauf immer weiter hinabzutauchen in das blaugrüne Wasser. Schließlich soll der kleine Pinguin keine schönen Landschaftsaufnahmen in der Antarktis machen, sondern zeigen, was unter Wasser passiert.

    "Pinguine eignen sich sehr gut, um das Jagdverhalten zu studieren, weil sie warmblütig sind und deshalb auch viel Energie benötigen. In der Zeit unserer Studie haben sie zudem noch Junge bekommen, so dass sie besonders viel Nahrung brauchten. Außerdem haben die Pinguine in dem flachen Wasser unseres Forschungsareals noch Vorteile gegenüber anderen: Sie tauchen nicht sehr tief, und das ist gut für das Filmen, weil man keine zusätzliche Lichtquelle benötigt."

    Um die Pinguine auf ihrer Nahrungssuche beobachten zu können, hat Yuuki Watanabe, Forscher am Nationalen Institut für Polarforschung in Tokio, gleich 14 Pinguine gefangen und mit Messgeräten ausgestattet. Dazu gehörte nicht nur die kleine, rund 33 Gramm schwere Kamera, sondern auch Beschleunigungssensoren, die typische Kopfbewegungen beim Beutefang aufzeichnen sollten. Denn die Mikrokameras können mit ihren Batterien höchstens eineinhalb Stunden filmen – eine viel zu kurze Zeitspanne, um die gelegentlichen Beutezüge der Pinguine ausreichend beobachten zu können. Die Beschleunigungssensoren dagegen decken zwar eine wesentlich größere Zeitspanne ab, sind aber wie viele andere indirekte Messmethoden wesentlich unzuverlässiger.

    "In anderen Studien wurden oft nur indirekte Signale gemessen, wie zum Beispiel die Temperatur im Magen. Wenn ein Pinguin Fisch oder Kleinkrebse frisst, wird es im Magen kühler. Deshalb setzten viele Forscher einen Temperaturabfall im Magen mit einem Beutefang gleich. Aber das Problem ist, dass diese Methode nie validiert wurde. Die Temperatur könnte ja auch deswegen gesunken sein, weil der Pinguin einfach Wasser geschluckt hat. Niemand weiß genau, was da draußen passiert ist!"

    Um besser zu verstehen, was unter Wasser passiert, hat Yuuki Watanabe deshalb zwei Messmethoden kombiniert. Mithilfe der Kameraaufzeichnung konnte er zumeist ganz genau sehen, wann die Pinguine einen Kleinkrebs oder einen Fisch fingen. Gleichzeitig verfolgte er dabei die Kopfbewegungen der Tiere, die von den Beschleunigungssensoren aufgezeichnet wurden, um diese Messmethode so auf das Verhalten jedes einzelne Tiers abzustimmen: Bei welcher Kopfbewegung wurde tatsächlich Beute gemacht, bei welcher nicht? Und wie hoch ist die Fehlerquote? So konnte der japanische Biologe auch dann noch zuverlässige Daten zum Jagdverhalten der Pinguine gewinnen, nachdem die Batterien der Kameras bereits leer waren.

    "Ich war sehr überrascht, wie schnell und effizient die Pinguine Kleinkrebse und Fische fangen. Wenn sie zum Beispiel in einen Schwarm von Kleinkrebsen kommen, essen sie zwei Krebse pro Sekunde! Das ist für unsere Augen schon sehr schnell."

    Tatsächlich ist bei den Videoaufnahmen oft erst in der Zeitlupe genau zu erkennen, wie die Pinguine sich einen Kleinkrebs oder einen Antarktisdorsch schnappen. Dabei zeigte sich, dass es für sie sicherer ist, auf Fischfang zu gehen, als sich auf die Jagd nach den Kleinkrebsen zu begeben. Denn während die kleinen Antarktisdorsche nur in einer Wassertiefe von höchstens fünf Metern vorkommen und ein Fangerfolg für die Pinguine sehr wahrscheinlich ist, müssen sie sich bei den Kleinkrebsen auf ihr Jagdglück verlassen. Auf vielen bis zu 80 Meter tiefen Tauchgängen fanden sie nur sehr wenige oder sogar gar keine der garnelenähnlichen Tierchen. Gerieten sie dagegen in einen Schwarm, brauchten sie nur noch zuzuschnappen und erwischten bis zu 100 Kleinkrebse in einem Tauchgang. Warum die Pinguine überhaupt Jagd auf die schwer auffindbaren Kleinkrebse machen, weiß Yuuki Watanabe auch noch nicht. Aber er verfügt ja nun über eine Methode, mit dem er das Jagdverhalten in Zukunft noch genauer studieren kann.