Christoph Schmitz: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, Verwaltungsratsvorsitzender des ZDF, wirft Roland Koch parteipolitisches Taktieren vor. Auch die ganze Leitungshierarchie des ZDF, einschließlich "heute-journal"-Anchorman Claus Kleber, hat in einem offenen Brief ihre Sorge um die Glaubwürdigkeit der journalistischen Leistungen im ZDF erklärt und den politischen Druck auf den Intendanten Markus Schächter beklagt. Frage an Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts in Marl: Übt der Verwaltungsrat des ZDF, allen voran Roland Koch, einen nicht hinnehmbaren Druck auf den Intendanten aus, nämlich den Vertrag von Nikolaus Brender als Chefredakteur nicht zu verlängern?
Uwe Kammann: Ich sehe schon darin einen sehr starken und in dieser Form auch unzulässigen Druck, denn zunächst einmal ist es ja Sache des Intendanten, diese Personalie zu bestimmen. Er hat ja nun auch Nikolaus Brender vorgeschlagen für eine weitere Vertragsverlängerung. Aber die Art, wie auch vor allen Dingen hinter den Kulissen – und da gibt es ja wirklich handfeste Informationen – Druck ausgeübt wird, die ist schon, so wie ich finde, nicht hinzunehmen. Sie übersteigt weitaus das Maß dessen, was im Verwaltungsrat natürlich auch an Kontrolle ausüben darf.
Schmitz: Sie sprechen von einem unzulässigen Druck. Was meinen Sie konkret damit?
Kammann: Ich meine damit, dass die fachliche Qualifikation von Nikolaus Brender hier schon in einer Form angegriffen wird, die die Kontrollfunktion, die natürlich im Verwaltungsrat auch auszuüben ist, übersteigt. Man muss ja einmal sehen, dass es die professionelle Ebene gibt, die handwerkliche Ebene, und dass der Verwaltungsrat das Ganze sozusagen in eine Strategie einbinden muss, damit natürlich dann auch den Intendanten fragt, an welcher Stelle will er wohin. Aber das ist ja, wenn man den Kern des Interviews liest und wenn man auch weiß, was hinter den Kulissen gespielt worden ist, nicht der Kern der Auseinandersetzung.
Schmitz: Was passiert hinter den Kulissen, was ist der Kern?
Kammann: Im Kern sehe ich, dass jedenfalls zwei prominente Mitglieder des Verwaltungsrates – und die berufen sich ja, glaube ich, dann auf den gesamten konservativen Hintergrund, den sie auch haben – versuchen, das Tableau, also die sogenannte Anordnung der Personen an der Spitze des ZDF, zu ihren Gunsten neu zu ordnen. Das ist etwas, was einem Sender nie bekommt. Traditionell war es so – das muss man einräumen –, dass beim ZDF eine sogenannte Farbenlehre galt, wo zwei Freundeskreise, die jeweils die großen Parteirichtungen bestimmen, sich auf bestimmte Personalausrichtungen festgelegt haben. Man hatte auch den Eindruck, das ist zurückgegangen, dass die Parteien versuchen, auf Rundfunk Einfluss zu nehmen, über Personalpolitik auch Richtungen vorzugeben. Aber das ist jetzt wieder sehr stark hervorgekommen.
Schmitz: Die "FAZ" mutmaßt heute, dass selbst wenn Koch keinen CDU-Mann als Chefredakteur im ZDF installieren will, er zumindest einen SPD-nahen Journalisten haben möchte, der der Politik stärkeren Zugriff ermöglicht. Glauben Sie das auch?
Kammann: Ja, der bequemer ist. Also mit solchen Aktionen versuchen ja auch anscheinend Politiker, zu erreichen, ihnen genehmere Personen an die Spitze zu bringen, die dann gleich sagen, aha, wenn die politischen Vertreter in den wichtigsten Gremien so und so sprechen, habe ich mich in gewisser Weise zu fügen, muss ich mich zurückhalten, darf ich nicht zu mutig und zu kantig sein. Und genau das Gegenteil ist ja notwendig. Journalisten an der Spitze, auch Programmdirektoren, Chefredakteure müssen unabhängig sein, sie müssen den Interessen des Senders, im besseren Sinne noch der Allgemeinheit verpflichtet sein und nicht bestimmten politischen Richtungen.
Schmitz: Hat Brender denn die Politik außen vor gelassen?
Kammann: Nein, Brender ist einfach ein sehr unabhängiger Chefredakteur, das hat er ja an vielen Stellen bewiesen. Und genau das scheint Politiker ja zu wurmen, wenn jemand sagt, ich bin ein unabhängiger, eigener Kopf, ich lasse mich in keiner Weise in eine Richtung schieben, ich mache das, was ich für sinnvoll halte, um der Sache Willen.
Schmitz: Das heißt, es geht letztlich dann doch in dieser Auseinandersetzung um den Einfluss der Politik auf das Personal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Kammann: Ganz schlicht, das ist eine Machtfrage. Hier will jemand beweisen, ich zeige dir, wo der Hammer hängt. Und vor allen Dingen die Argumente, die Koch gebraucht hat, taugen überhaupt nicht. Er hat sozusagen ja einen Qualitätsverlust bei bestimmten tagespolitischen Sendungen nachweisen wollen, indem er auf die Quote verweist. Aber es ist ja geradezu verwegen, das so zu tun, denn die Qualität ist erst mal unabhängig von der Quote zu nehmen. Und wenn er jetzt das mit RTL-Erfolgen vergleicht, dann müsste er selber wissen, wovon er spricht, denn natürlich sind bestimmte Erfolge bei kommerziellen Sendern nur möglich, weil dort bestimmte Ansprüche heruntergefahren werden, weil man Bunteres macht. Also er müsste im Gegenteil was sagen, ich stärke diejenigen, die auf Qualität setzen, auch wenn ein allgemeiner Publikumszuspruch darunter an bestimmten Stellen leiden kann. Er muss ja auch die Gesamtentwicklung sehen. Das tut er überhaupt nicht.
Schmitz: Sie haben es angedeutet, dass die Politik eine Zeit lang ihren Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender zurückgenommen habe, jetzt wieder verstärkt – jetzt mit dieser Aktion oder ist das schon länger im Schwange?
Kammann: Nein, es kommt anscheinend immer in Wellen. Also zwischendurch, fand ich, war es ein bisschen gemäßigter. Aber gerade, wenn man den Namen Stoiber, der ja auch im Verwaltungsrat sitzt, nimmt, dann gibt es alleine drei große Beispiele, wo er durch eine erzwungene Reform der ARD ganz in seinem Sinne, in einem konservativen Sinne und vorher durch geradezu eine Zerschlagung des Ersten Programms versucht hat, massiv Einfluss zu nehmen. Also er gehört zu denjenigen, die immer einen sehr starken Einfluss versucht haben auszuüben. Nur zwischendurch, mit dem Aufkommen der Privaten, wo vieles sich auch neutralisiert hat, hatte man den Eindruck, es wird eingesehen, das ist ohnehin wenig sinnvoll, weil es gar nicht so einen direkten Zusammenhang zwischen Medien und politischen Meinungsauffassungen gibt.
Schmitz: Meint Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts über politischen Machtpoker bei der Besetzung des ZDF-Chefredakteurpostens.
Uwe Kammann: Ich sehe schon darin einen sehr starken und in dieser Form auch unzulässigen Druck, denn zunächst einmal ist es ja Sache des Intendanten, diese Personalie zu bestimmen. Er hat ja nun auch Nikolaus Brender vorgeschlagen für eine weitere Vertragsverlängerung. Aber die Art, wie auch vor allen Dingen hinter den Kulissen – und da gibt es ja wirklich handfeste Informationen – Druck ausgeübt wird, die ist schon, so wie ich finde, nicht hinzunehmen. Sie übersteigt weitaus das Maß dessen, was im Verwaltungsrat natürlich auch an Kontrolle ausüben darf.
Schmitz: Sie sprechen von einem unzulässigen Druck. Was meinen Sie konkret damit?
Kammann: Ich meine damit, dass die fachliche Qualifikation von Nikolaus Brender hier schon in einer Form angegriffen wird, die die Kontrollfunktion, die natürlich im Verwaltungsrat auch auszuüben ist, übersteigt. Man muss ja einmal sehen, dass es die professionelle Ebene gibt, die handwerkliche Ebene, und dass der Verwaltungsrat das Ganze sozusagen in eine Strategie einbinden muss, damit natürlich dann auch den Intendanten fragt, an welcher Stelle will er wohin. Aber das ist ja, wenn man den Kern des Interviews liest und wenn man auch weiß, was hinter den Kulissen gespielt worden ist, nicht der Kern der Auseinandersetzung.
Schmitz: Was passiert hinter den Kulissen, was ist der Kern?
Kammann: Im Kern sehe ich, dass jedenfalls zwei prominente Mitglieder des Verwaltungsrates – und die berufen sich ja, glaube ich, dann auf den gesamten konservativen Hintergrund, den sie auch haben – versuchen, das Tableau, also die sogenannte Anordnung der Personen an der Spitze des ZDF, zu ihren Gunsten neu zu ordnen. Das ist etwas, was einem Sender nie bekommt. Traditionell war es so – das muss man einräumen –, dass beim ZDF eine sogenannte Farbenlehre galt, wo zwei Freundeskreise, die jeweils die großen Parteirichtungen bestimmen, sich auf bestimmte Personalausrichtungen festgelegt haben. Man hatte auch den Eindruck, das ist zurückgegangen, dass die Parteien versuchen, auf Rundfunk Einfluss zu nehmen, über Personalpolitik auch Richtungen vorzugeben. Aber das ist jetzt wieder sehr stark hervorgekommen.
Schmitz: Die "FAZ" mutmaßt heute, dass selbst wenn Koch keinen CDU-Mann als Chefredakteur im ZDF installieren will, er zumindest einen SPD-nahen Journalisten haben möchte, der der Politik stärkeren Zugriff ermöglicht. Glauben Sie das auch?
Kammann: Ja, der bequemer ist. Also mit solchen Aktionen versuchen ja auch anscheinend Politiker, zu erreichen, ihnen genehmere Personen an die Spitze zu bringen, die dann gleich sagen, aha, wenn die politischen Vertreter in den wichtigsten Gremien so und so sprechen, habe ich mich in gewisser Weise zu fügen, muss ich mich zurückhalten, darf ich nicht zu mutig und zu kantig sein. Und genau das Gegenteil ist ja notwendig. Journalisten an der Spitze, auch Programmdirektoren, Chefredakteure müssen unabhängig sein, sie müssen den Interessen des Senders, im besseren Sinne noch der Allgemeinheit verpflichtet sein und nicht bestimmten politischen Richtungen.
Schmitz: Hat Brender denn die Politik außen vor gelassen?
Kammann: Nein, Brender ist einfach ein sehr unabhängiger Chefredakteur, das hat er ja an vielen Stellen bewiesen. Und genau das scheint Politiker ja zu wurmen, wenn jemand sagt, ich bin ein unabhängiger, eigener Kopf, ich lasse mich in keiner Weise in eine Richtung schieben, ich mache das, was ich für sinnvoll halte, um der Sache Willen.
Schmitz: Das heißt, es geht letztlich dann doch in dieser Auseinandersetzung um den Einfluss der Politik auf das Personal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Kammann: Ganz schlicht, das ist eine Machtfrage. Hier will jemand beweisen, ich zeige dir, wo der Hammer hängt. Und vor allen Dingen die Argumente, die Koch gebraucht hat, taugen überhaupt nicht. Er hat sozusagen ja einen Qualitätsverlust bei bestimmten tagespolitischen Sendungen nachweisen wollen, indem er auf die Quote verweist. Aber es ist ja geradezu verwegen, das so zu tun, denn die Qualität ist erst mal unabhängig von der Quote zu nehmen. Und wenn er jetzt das mit RTL-Erfolgen vergleicht, dann müsste er selber wissen, wovon er spricht, denn natürlich sind bestimmte Erfolge bei kommerziellen Sendern nur möglich, weil dort bestimmte Ansprüche heruntergefahren werden, weil man Bunteres macht. Also er müsste im Gegenteil was sagen, ich stärke diejenigen, die auf Qualität setzen, auch wenn ein allgemeiner Publikumszuspruch darunter an bestimmten Stellen leiden kann. Er muss ja auch die Gesamtentwicklung sehen. Das tut er überhaupt nicht.
Schmitz: Sie haben es angedeutet, dass die Politik eine Zeit lang ihren Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender zurückgenommen habe, jetzt wieder verstärkt – jetzt mit dieser Aktion oder ist das schon länger im Schwange?
Kammann: Nein, es kommt anscheinend immer in Wellen. Also zwischendurch, fand ich, war es ein bisschen gemäßigter. Aber gerade, wenn man den Namen Stoiber, der ja auch im Verwaltungsrat sitzt, nimmt, dann gibt es alleine drei große Beispiele, wo er durch eine erzwungene Reform der ARD ganz in seinem Sinne, in einem konservativen Sinne und vorher durch geradezu eine Zerschlagung des Ersten Programms versucht hat, massiv Einfluss zu nehmen. Also er gehört zu denjenigen, die immer einen sehr starken Einfluss versucht haben auszuüben. Nur zwischendurch, mit dem Aufkommen der Privaten, wo vieles sich auch neutralisiert hat, hatte man den Eindruck, es wird eingesehen, das ist ohnehin wenig sinnvoll, weil es gar nicht so einen direkten Zusammenhang zwischen Medien und politischen Meinungsauffassungen gibt.
Schmitz: Meint Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts über politischen Machtpoker bei der Besetzung des ZDF-Chefredakteurpostens.