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Kammermusik Ensemble
Schumann Quartett spielt Mozart, Ives und Verdi

Das Kölner Schumann-Quartett, 2007 gegründet, hat nach seinem CD-Debüt vor zwei Jahren nun Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Charles Ives und Giuseppe Verdi aufgenommen. Nicht mehr als "Stars von morgen", sondern als Quartett, haben sie sich international einen Namen gemacht hat. Erschienen ist die Neue Platte beim Label Ars Produktion.

Von Raoul Mörchen | 22.02.2015
    So viele hervorragende Kammermusik Ensembles wie heute gab es noch nie. Es ist, Gott sei Dank, immer noch Platz für Neuzugänge. Wobei sich schon vor längerer Zeit ein gravierender Generationswechsel abgezeichnet hat: Die alte Garde, geschult vor allem am klassischen Ideal von Ausgewogenheit und Eleganz, dankt allmählich ab und überreicht den Stab einer jungen Generation, die sich um Fragen der historischen Aufführungspraxis sorgt, die Notenausgaben vergleicht und Quellenstudien betreibt und sich auch an die Ränder des Ausdrucks wagt: Der schöne, weiche, von Vibrato gesättigte Ton von einst ist nicht mehr selbstverständlich, sondern wird, wenn überhaupt, gezielt als ein expressives Mittel unter vielen anderen eingesetzt. Daneben stehen auch harsche, fahle Klänge – und überhaupt die Bereitschaft, spontaner und empfindlicher zu reagieren auf Umschwünge und Stimmungstrübungen in der Partitur, weniger als bisher im großen Bogen zu denken, der weiten ausladenden Geste, sondern vielmehr Melodien zu spicken mit kleinen Akzenten, mit plötzlichen dynamischen Schwankungen und auch die Artikulation blitzschnell zu verändern.
    Tatendrang bei den vier Musikern
    Im Grunde ist damit schon viel gesagt auch über das Schumann-Quartett: Wie es auf seinem zweiten Album Mozarts spätes Quartett KV 575 anfasst, das klingt nach Tatendrang, das hat Charakter, ja Eigensinn, und rein gar nichts von schöngeistiger Routine. Man ist eingangs sogar ein wenig erschrocken, wie sportlich und entschlossen die vier Musiker hier zu Werke gehen – und dabei in ihrem Eifer über die ein oder andere Passage und manchen Übergang regelrecht hinwegfliegen. Doch schon im zweiten Satz, einem wunderbar ausgesungen Andante, löst sich die Anspannung: Auf einmal nehmen sich die Schumanns die Zeit, die es braucht, dieses lyrisches Intermezzo von innen heraus zum Leuchten zu bringen.
    Herausgehobene Stellung des Cellos
    1789 reist Wolfgang Amadeus Mozart nach Berlin. Vom preußischen König verspricht er sich einen lukrativen Auftrag, der ihm aus seinen finanziellen Nöten hinaushelfen soll. Ob es zur erhofften Audienz gekommen ist, darüber streiten bis heute die Gelehrten: Auf der Rückreise jedenfalls macht sich Mozart ganz euphorisch an die Arbeit und komponiert ein Quartett und schneidert es Friedrich Wilhelm den Zweiten ganz auf den Leib: Die herausgehobene Stellung des Cellos, das das Ensemble nicht nur in der unteren Lage absichert, wie sonst, sondern immer wieder thematisches Material vorstellen darf, diese bevorzugte Behandlung ist eine deutliche Referenz an den cello-spielenden Monarchen – und ein Geschenk für alle nachgeborenen Cellisten. Auch Mark Schumann nimmt es dankbar an.
    Die drei Schumann-Brüder
    Schumann Quartett, der Name kann in die Irreführen. Zum Nachnamen Schumann muss man sich nicht den Vornamen Robert hinzudenken, den Vornamen des Komponisten, sondern die Namen der Musiker Eric, Ken und Mark. Die drei Schumann-Brüder haben allesamt früh schon ihr Handwerk gelernt, der erstgeborene, Primarius Eric, unter anderem beim berühmten Geigen-Pädagogen Zakhar Bron in Köln, der auch Maxim Vengerov oder Daniel Hope den letzten Schliff verpasste. Früh haben die Schumanns gemeinsam Kammermusik gespielt, 2007 dann ein Quartett gegründet und es 2012 noch einmal personell neu aufgestellt: Mit der in Estland geborenen Bratschistin Liisa Randalu gewann das Quartett dann gleich den renommierten Concours de Bordeaux und produzierte seine erste Platte mit Werken von Beethoven, Bartok und Brahms. Die zweite wagt sich nun im Repertoire schon etwas weiter vor: Mozart Quartett Nr. 21 kombiniert es mit dem einzigen Quartett von Giuseppe Verdi, einer echten Rarität, und dem 1913 entstanden Quartett des US-Amerikaners Charles Ives: Musik eines unerschrockenen Pioniers, harmonisch kaum noch zu orten, vielschichtig, überbordend, zerrissen, voller Anspielungen und Zitate - und ein neues Bravourstück im Repertoire des explosiven Schumann Quartetts.
    Versöhnlichen Abschluss
    Dreißig Jahre hatte Charles Ives auf die Uraufführung seines zweiten Streichquartetts warten müssen, und auch Giuseppe Verdis erste und einzige Unternehmung in dieser Gattung blieb zunächst verborgen. Erst sein Verleger Ricordi konnte den Komponisten zur Publikation überreden, er selbst hielt das Quartett für ein reines Gelegenheitswerk, geschrieben 1873 aus schierer Langeweile, während er in einem Hotel auf den Beginn der Proben zur Premiere seiner Oper "Aida" wartete. Ohnehin, meinte Verdi, sei das Streichquartett als Gattung ja "eine Pflanze, der das italienische Klima nicht bekomme". Dem widersprechen die drei Schumann-Brüder samt Bratschistin Liisa Randalau ganz entschieden – und gönnen ihren Hörern nach der Tour de Force durch die Musik von Charles Ives einen versöhnlichen Abschluss. Noch einmal kann das technisch makellose Ensemble hier seine Stärken ausspielen: Seine Geschwindigkeit, seine Dynamik, seinen kräftig-athletischen Klang, der jede Belastung gleich wieder wegfedert und so der Musik viel Luft zum Atmen lässt.
    Das einzige Streichquartett
    Der zweite Satz, Andantino, des einzigen Streichquartetts von Giuseppe Verdi, gemeinsam mit Werken von Mozart und Ives eingespielt vom Erik und Ken Schumann, Violine, Marc Schumann, Violoncello und Liisa Randalu, Bratsche. Das zweite Album des Schumann Quartetts ist beim Label Ars Produktion erschienen.