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Kammeroper in Frankfurt
Der giftige Duft von Hyazinthen

Mit seiner Oper "Die Gespenstersonate" kritisierte August Strindberg einst das Bürgertum, das Stück floppte bei seiner Uraufführung. Als Kammeroper feierte das Stück dann Erfolge, nun wird es in Frankfurt neu inszeniert - mit einer starken Besetzung.

Von Christoph Schmitz | 27.01.2014
    Dietrich Volle (Direktor Hummel) und Alexander Mayr (Der Student Arkenholz) (v.l.n.r.) auf einem Szenenfoto zu Aribert Reimanns Oper "Die Gespenstersonate" nach August Strindberg in der Kammeroper Frankfurt
    Dietrich Volle (Direktor Hummel) und Alexander Mayr (Der Student Arkenholz) (v.l.n.r.) in Aribert Reimanns Oper "Die Gespenstersonate" nach Strindberg (Wolfgang Runkel / Oper Frankfurt)
    Eine finstere Klangwelt hat Aribert Reimann für seine „Gespenstersonate“ geschaffen. Skurriles, fast Karikierendes ist auch dabei, als hampelten komische Untote herum. Vor allem aber sind es vielfach geschichtete und verschlungene Einzelstimmen im Kammerorchester, die sich heillos verstrickt haben, ohne Aussicht sich zu entwirren. Mit erstaunlicher Meisterschaft bringen die zwölf Musiker, größtenteils aus dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, die verschrobenen Klangpsychen zum Tanzen.
    Der junge Karsten Januschke am Pult führt sie sicher bis in die Millisekunde jeder musikalischen Bewegung. Und trotz aller Präzisionsarbeit und technischen Hochleistungsdrucks wird lebendig musiziert. Auch seitens der Sänger auf der schwarzen Bühne des ehemaligen Straßenbahndepots. Von drei Bühnenseiten ist sie flankiert durch Orchester und Publikum. Nur eine modernisierte rosafarbene Villa samt heutigem Wintergarten in knapp mannshohem Puppenhausformat ist anfangs zu sehen.
    Das Haus dreht sich, tanzt über die dunkle Bodenfläche, wie sich später auch Sessel, Tisch und Sofa eines wohlsituierten bürgerlichen Interieurs um 1900 verschieben und drehen, ein surrealer Traum. Der alte Direktor Hummel kurvt in seinem Rollstuhl darin herum und spinnt seinen Plan: Student Arkenholz soll seine Tochter heiraten und sie aus diesem neurotischen Villenhaushalt retten. "Sie welkte in dieser Luft, die Verbrechen und Falschheit atmet. Darum suchte ich für sie einen Freund, in dessen Nähe sie sich wohlfühlt."
    Jeder hat eine dunkle Vergangenheit
    Dietrich Volle gestaltet diesen anfangs undurchsichtigen Direktor Hummel mit einem schön geführten, lyrischen Bariton aufs Beste. Nach und nach wird der Alte entlarvt, als Mörder, skrupelloser Verführer und Finanzhai. Doch fast alle in diesem Haushalt haben ihre dunkle Vergangenheit. Ihre Opfer hausen in entlegenen Zimmern. Die Frau des Oberst und einstige Geliebte des Direktors wohnt als Mumie seit 20 Jahren in einem Schrank, die Tochter, das Fräulein, das den Studenten heiraten soll, zwischen Hyazinthenwällen, hoffnungslos, neurotisch. Doch die Mumie revoltiert gegen den psychotischen Bann, gesungen und gespielt von der großen alten Operndame Anja Silja. Voller Witz und Kraft ist ihr Auftritt: "Du hast den Konsul, der heute begraben wurde, gemordet, hast ihn mit Schuldscheinen erwürgt; du hast den Studenten gestohlen, um ihn an dich zu binden, durch eine fingierte Schuld seines Vaters."
    Der Regisseur, Walter Sutcliffe, entwickelt die Entlarvung dieser beklemmenden und in Schuld verstrickten Welt mit wenigen, konzentrierten Mitteln auf sehr kluge und anschauliche Weise. Er stülpt das Innere der Puppenvilla gewissermaßen Zimmer für Zimmer nach außen. Dass er nicht nur von einer vergangenen Zeit erzählen möchte, sondern auch von heute, signalisiert er mittels der Kleidung seiner Protagonisten. Student Arkenholz etwa trägt Turnschuhe, Jeans und Kapuzenjacke. Sutcliffs Inszenierung kulminiert in der Begegnung zwischen Student und Hyazinthen-Fräulein, blühende bunte Blumen in einem endlich einmal hell leuchtenden Raum, dazu Aribert Reimanns seraphische Klänge, himmlisch gespielt.
    Alexander Mayr singt den Studenten mit jeder Leibes- und Seelenfaser. Aribert Reimann strapaziert die Stimme fast bis zum Zerreißen. Mayr lässt sich darauf ein. Der Student kann das Fräulein nicht retten. Das Schweigediktat dieser Gesellschaft hat alles vergiftet. Ein starkes Lehrstück! "Wo gibt es Schönheit? Wo gibt es Ehre und Glauben? Wo findet man das, was hält, was es verspricht."