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Kammerspiele in München
Theaterstück thematisiert Afghanistan-Krieg

Im Theaterstück "Hoppla, wir sterben" des Niederländers Arnon Grunberg wird die Geschichte eines Oberstleutnants erzählt, der in Afghanistan entführt wurde. Der Autor hat ein eigenwilliges Szenario entworfen, in dem es vor allem um das Prinzip Krieg geht und darum, was Deutschland mit dem Afghanistan-Konflikt verbindet.

Vom Sven Riecklefs | 30.04.2015
    Szene aus "Hoppla, wir sterben" von Arnon Grunberg.
    Szene aus "Hoppla, wir sterben" von Arnon Grunberg. ((c) JU/Ostkreuz / Münchener Kammerspiele)
    Zu Gesicht wird man ihn nicht bekommen, den, um den sich alles dreht: Oberstleutnant Fuchs, entführt in Afghanistan. Er ist die Leerstelle, um die das Stück "Hoppla, wir sterben" mit seinem losen Szenengefüge kreist. Da gibt es seine Frau und seine zwei Töchter, die von einem Afghanistanveteranen ohne Beine heimgesucht werden, da gibt es einen Afghanen, der früher einmal Übersetzer war für die deutschen Truppen am Hindukusch und der nun in Münchens Edelboutiquen als Verkäufer arbeitet. Da gibt es den geheimnisvollen Diskreten, dessen Aufgabe es ist, reiche Araber durch München zu führen und sie zugleich insbesondere bei der Behandlung ihrer Impotenz zu begleiten. Es ist ein eigenwilliges Szenario, das der niederländische Autor Arnon Grünberg da entworfen hat, ein Szenario, das sich mit kreisenden Bewegungen etwa um Fremdsein und Identität dreht, aber vor allem auch: um das Prinzip Krieg und um das, was Deutschland aus seiner Geschichte heraus mit eben diesem Krieg verbindet.
    Schon die Einheitsszenerie, die sich Johan Simons da von der bildgewaltigen Bühnenbildnerin Katrin Brack hat entwerfen lassen, wirkt bewusst schauerlich heroisch. Da flammt ein riesiges Lagerfeuer aus hochgeblasenen und orangerot beleuchteten Tüchern den ganzen Abend in der Mitte der Bühne auf. Und ebenso bedrohlich wie dieses, wirken auch viele der Figuren, gerade auch in ihrer Skurrilität.
    Das Frauentrio von Oberstleutnant Fuchs etwa, dessen Highheels so gar nicht zu den strengen Miniröcken und den strengen Blusen passen wollen und die genauso wie auch der protesenmobile Kriegsveteran in seinem schwarzen Kurzhosentrikot dunkelster deutscher Geschichte entsprungen scheinen. Und wenn der Schauspieler Hans Kremer in einem Monolog eben jene dunkle Zeiten erwähnt, die auch Deutschland mal durchlebt hat, die nun aber der Aufklärung gewichen seien, dann steht der verwandlungsfähige Schauspieler da im weißrotgekaroten Trachtenkleid vor dem lodernden Feuer: mit dezentem Hitlerbärtchen.
    Eine Art böse Revue
    Es ist eine Art böse Revue, die Johan Simons da auf der Grundlage von Arnon Grünbergs "Hoppla, wir sterben" inszeniert hat, eine Revue, die vor allem die Frage aufwirft, wie ausgerechnet wir uns - mit unserer Geschichte - da unten am Hindukusch als die besseren Menschen aufspielen können, die Krieg einzig aus einer vermeintlich moralisch einwandfreien Position heraus führen. Während das vierköpfige Streichensemble plus Klarinette auf der Bühne den Soundtrack liefert, hat Simons Grünbergs Revue tatsächlich als eine Art szenisches Konzert inszeniert, in dem Schauspieler und ihre Figuren in Suchbewegungen um Themen kreisen. Dabei bewegt sich Simons wie schon in seiner Inszenierung von Büchners "Danton Tod" oder jüngst in der Uraufführung von Elfriede Jelineks "Das schweigende Mädchen" hin in Richtung theatrale Installation.
    Letzte Premiere des Intendanten an den Münchener Kammerspielen
    Und so zeigt der Regisseur noch einmal zusammen mit seinen bewährten Spielern, auf eindrucksvolle Weise, wohin er sich in diesen Jahren seiner Intendanz an den Münchner Kammerspielen auch selbst ästhetisch bewegt hat. Zugleich war die genreübergreifende Öffnung auch das, was diese fünf Jahre unter seiner Intendanz für das Traditionshaus an der Maximilianstraße geprägt hat. Da gab es zum Beispiel die Internationalisierung des Regisseurs- und des Schauspielerensembles, sodass eigenwillige Ästhetiken und eigenwilliger Sprachsound ganz neue Akzente setzten, da gab es die Suchbewegungen in den Tanz, in das Konzert, in die Installation. Und so ist das Terrain und auch das Publikum perfekt auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet, denn der Name des neuen Kammerspielintendanten Mathias Lilienthal für etwas steht, dann für die Öffnung des Stadttheaters in alle Richtungen.