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Kampf an allen Fronten

Forschungspolitik. – Seit dem Terroranschlag des 11. Septembers 2001 sehen sich die USA im Krieg mit dem Terrorismus. Auf einer Konferenz in der Nähe von Washington wurde jetzt das Verhältnis zwischen der Forschung und dem Heimatschutzministerium diskutiert.

    Die nationale Sicherheit und der Kampf gegen den Terrorismus bestimmen auch die Forschungsförderung der US-Regierung immer stärker. "Ich weiß überhaupt nicht, was ich mit den vielen Leuten machen soll!" klagte vor etlichen Monaten ein leitender Mitarbeiter der FDA, der Arznei- und Lebensmittelbehörde in Washington. Die Terrorangriffe auf New York und Washington, die rätselhaften Briefe mit Milzbrandsporen und dann die Diskussion über mögliche Angriffe mit Pockenviren haben beträchtliche Mittel für entsprechende Forschungsprogramme mobilisiert. Doch die gewaltigen Summen scheinen nicht optimal verwendet zu werden. "Wenn man so viele Leute auf einmal sucht, bekommt man oft nur zweite Wahl", beschwerte sich der FDA-Manager weiter. Überdies sei die wichtige Forschung für alltägliche Impfstoffe weggefallen. Die Folge: im letzten Winter fehlte es an Grippeimpfstoff, alltägliche Impfstoffe, etwa gegen Tetanus oder Polio, sind immer wieder Mangelware.

    "Wir binden die Universitäten ein, Terrorismus zu verhindern", betont John Kubricky, Direktor für Systementwicklung und Wissenschaft im Heimatschutzministerium. Der amerikanische Bundesetat für Forschung und Entwicklung insgesamt ist in den vergangenen vier Jahren von 91 auf 131 Milliarden Dollar gewachsen. Eine Steigerung von 44 Prozent, von der europäische Forschungsminister nur träumen können. Daneben gibt das Heimatschutzministerium aus seinem 50-Milliarden-Dollar-Etat zusätzliche Mittel für gezielte Forschungsvorhaben. Kubricky: "Das beinhaltet Pläne für die nationale Einrichtung für Agrar- und Bioverteidigung. Dann die Entwicklung von empfindlichen Warnsystemen für Giftstoffe, sowie ein Komplex für die Abwehr und Beurteilung von radioaktiver Bedrohung." Grundlagenforschung ist jedoch nicht die Sache des Ministeriums.

    Auch die anderen Geldgeber der US-Regierung legen zunehmend den Schwerpunkt auf die angewandte Forschung. Das Verteidigungsministerium etwa kürzte seinen Grundlagenforschungsetat um drei Milliarden Dollar oder 25 Prozent. Auch bei der Nasa gibt es Verschiebungen zwischen den Haushaltspositionen. Zugunsten der von US-Präsident George W. Bush groß angekündigten bemannten Missionen zu Mond und Mars müssen andere Projekte bluten oder werden gar ganz eingestellt. Mitarbeiter gestehen im privaten Gespräch, dass sie bei Forschungsprojekten zum erdnahen Weltraum inzwischen immer das Thema "Schutz vor Terrorangriffen" in die Liste der möglichen Nutzeffekte aufnehmen – und damit die Chance auf Genehmigung erhöhen.

    Unerwartete Probleme gibt es auch in der wachsenden Zahl von Kooperationsprojekten mit der Privatwirtschaft. Denn die hat bereits Technologien entwickelt, die möglicherweise nicht 100-prozentig auf die Anforderungen der Regierung passen, aber daran angepaßt werden können. Für eine Kooperation mit der Wissenschaft und die erneute Entwicklung von Technologien haben die Unternehmen nur wenig übrig. Norm Doldrige, der ein Unternehmen für Sicherheitstechnik vertritt: "Wenn wir es an die Wissenschaftler und Entwickler geben – so unsere Erfahrung seit Jahren, muss immer alles perfekt, perfekt sein."

    [Quelle: Arthur Landwehr]