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Kampf dem Gewicht

Olympia 2006. - Auf den ersten Blick haben die beiden olympischen Sportarten Eiskunstlauf und die Nordische Kombination aus Skiweitsprung und Langlauf wenig gemein. In beiden Disziplinen ist aber die richtige Ernährung problematisch. Denn einerseits brauchen die Athleten ausreichend Muskelmasse, um Kraft raubende Sprünge und Loipenstrecken zu bewältigen. Andererseits haben leichte Sportler bei eleganten Hebefiguren Vorteile und fliegen auch weiter von der Schanze.

Von Volker Mrasek |
    "Dreifach Flip, dreifach Toeloop."

    "Das kommt auch bei den Wertungsrichtern gut an, dieses hohe Maß an Beweglichkeit."


    " Im Eislauf ist es so, dass natürlich auf das Körpergewicht sehr stark geachtet werden muss,"

    sagt Nora Bönnhoff.

    " Natürlich fürs Paarlaufen, ganz klar, dass man da ja bestimmte Hebefiguren auch anbringen muss. Aber auch der Einzelläufer, der sich ja in die Höhe schrauben muss: Er muss ja auch anschließend wieder aufkommen. Und je schwerer natürlich der Athlet ist, um so größer sind dann auch die Belastungen der Gelenke."

    Eiskunstlaufen gilt als ästhetischste Disziplin der Olympischen Winterspiele. Doch was so schönt scheint, hat auch seine Schattenseiten. Und die kennt die Ernährungswissenschaftlerin Nora Bönnhoff nur allzu gut.

    Der Zwang, möglichst leicht zu sein - selbst bei Spitzenläuferinnen und -läufern kann er zu gefährlichen Ernährungsmängeln führen. Bis hin zur athletisch bedingten Magersucht, wie sie auch genannt wird. Eiskunstlauf gilt hier als typische Risikosportart mit einer hohen Dunkelziffer.

    Nora Bönnhoff berät Hochleistungssportler im Olympiastützpunkt Westfalen. Sie hat schon selbst einige kritische Fälle erlebt:

    " Da kommt es eben dazu auch, dass dann ein Trainer beispielsweise sagt: Pass auf, du musst jetzt noch ein Kilo abnehmen oder zwei. In einigen Fällen gibt er selber mal so einen Vorschlag. Aber in den meisten Fällen lässt er dann auch den Sportler so ein bisschen da für sich alleine. In der Regel wird das dann so praktiziert, dass man einfach weniger isst. Und das ist für eine Gewichtsabnahme nicht die richtige Strategie."

    "War nicht so dynamisch vom Schanzentisch."

    "Über eine Stunde gelaufen. Sie sind nun auf den letzten Kilometern ..."

    Claudia Osterkamp-Baerens: " Wenn Sie jetzt eine Eiskunstläuferin noch mal nehmen und vergleichen mit einem Nordischen Kombinierer: Also ich denke, in der Nordischen Kombination ist es tatsächlich diese Kombination aus Fliegen mit niedrigem Gewicht und auf der anderen Seite doch ziemlich harte Strecken laufen. Das ist ja kein Zuckerschlecken, was die da beim Langlauf machen müssen."

    "Selbst nach den größten Siegen - wenn am nächsten Tag ein Rennen ist, dann mag es mal ein kleines Gläschen geben. Aber mehr sicherlich nicht."

    Noch so eine olympische Problemdisziplin. Die Nordische Kombination: Springen von der Schanze und Laufen in der Loipe. Ein Fliegengewicht segelt vielleicht weit, hat aber zu wenig Kraft für die Ski-Strecke. Da sei die Arbeit für eine Ernährungswissenschaftlerin schon schwierig, sagt Claudia Osterkamp-Baerens, die Expertin im bayerischen Olympiastützpunkt:

    " Die langfristige Strategie geht natürlich immer in Richtung Körperfettspeicher. Also dass man einfach schon im Sommer im Grunde schaut: Wo liegt für den Athleten der optimale Körperfettspeicher? Kann man noch durch Ernährungsstrategien, durch Abnehmen, noch ein paar Kilo rausholen, die er dann einfach immer hat? Es darf halt nicht zu wenig Gewicht sein. Irgendwann ist einfach ein Punkt überschritten, wo die Leistungsfähigkeit dann abnimmt."

    "Und er muss schon mächtig kämpfen. Hier, bei diesem vorletzten Anstieg."

    Nicht nur Material und Technik entscheiden über den Erfolg bei Olympia. Auch die fachliche Betreuung der Athleten ist eminent wichtig, wie die Arbeit der Ernährungswissenschaftlerinnen zeigt. Osterkamp-Baerens kennt die Trainingspläne der bayerischen Spitzensportler bis zu einem Jahr im voraus - und entwickelt dann angepasste Ernährungspläne,

    " wo genau ausgerechnet wird: Wie viel Nudeln, wie viel Reis, wie viel Kartoffeln die eben ungefähr am Tag essen müssen, um die Kohlenhydrate, die sie im Training da verbrauchen, auch wieder nachzufüllen."

    Bei der Betreuung von Athleten mit einer Mangelernährung oder Magersucht wünscht sich Nora Bönnhoff unterdessen eine bessere Aufklärung im Umfeld der Betroffenen:

    " Letztendlich liegt eine Freiwilligkeit des Sportlers, des Trainers und der Eltern vor. Und es kommen letztendlich diejenigen, die sich freiwillig dazu bereit erklären. Sie können nicht einfach auf einen Sportler zugehen und sagen: Hör mal, du bist zu dünn. Du hast sicherlich eine Essstörung, obwohl ich das eventuell auf zehn Meter gleich sofort erkenne. Da muss man sehr vorsichtig agieren."