Eine Yoga-Etage im Istanbuler Büroviertel Gayrettepe. In dem mit weichen Matten belegten Übungsraum haben sich ein Dutzend junger Frauen, einige von ihnen hochschwanger, bequem gemacht. Der Geburtsvorbereitungskurs von Gayrettepe trifft sich zur wöchentlichen Unterrichtsstunde. Thema heute: Welche Geburt ist die richtige? Ein fünf Monate altes Mädchen krabbelt zwischen den Erwachsenen herum. Seine Mutter, Basak Kutlu Atay, ist eine der beiden Leiterinnen des Kurses. Von den Teilnehmerinnen hören Kutlu Ay und ihre Kollegin Nur Sakalli immer wieder, dass sie eigentlich eine normale Geburt wollten, aber die Ärzte ihnen den Kaiserschnitt empfehlen:
"Die Türkei befindet sich in einem Modernisierungswahn, auch gesellschaftlich. Alles was modern ist, wird vergöttert, alles Natürliche verdammt. Darum ziehen viele Frauen die Kaiserschnittgeburt vor."
"Entscheidend ist auch, dass es in der Türkei - anders als in Europa - den Beruf der Hebamme praktisch nicht mehr gibt. Geburten werden von Ärzten vorgenommen, und die kennen vor allem das Operieren."
Über 40 Prozent aller Geburten in der Türkei erfolgen inzwischen über Kaiserschnitt, in manchen Regionen, etwa in Istanbul, hat die Zahl bereits die 50 Prozent überschritten. Im Vergleich dazu liegt die Quote in Deutschland landesweit bei knapp 30 Prozent.
An türkischen Privatkliniken liegt die Zahl der operativen Geburten bei 80 Prozent, an manchen Kliniken, so hat das türkische Gesundheitsministerium festgestellt, werde überhaupt gar nicht mehr normal entbunden. Dem Trend zur Kaiserschnittgeburt mit Terminwunsch hat die türkische Regierung nun den Kampf angesagt. Gesundheitsminister Recep Akdag erinnerte daran, dass eine Kaiserschnittgeburt nur bei schwerwiegenden medizinischen Indikationen vorgenommen werden sollte und verdächtigt die Ärzte aus reiner Profitgier zum Skalpell zu greifen. Eine Kaiserschnittgeburt könne bei den Krankenkassen für ein Vielfaches einer normalen Geburt abgerechnet werden. Den Schwangeren werde kurz vor der Geburt Angst gemacht, berichtet die Lehrerin Görkem Topal, die ihren Sohn auch gerne auf natürlichem Wege geboren hätte:
"Ich kenne viele, die unbedingt eine normale Geburt wollten, aber am Ende doch aufgaben, weil ihnen der Arzt immer wieder den Kaiserschnitt nahe legte. Außerdem sehen die Frauen, dass um sie herum die Kinder auch über den Bauch zur Welt kommen. Erst werden die Frauen vom Arzt beruhigt: Wir werden über die Art der Geburt reden, wenn es soweit ist, sagt er dann. Aber er gibt überhaupt keine Ratschläge zur natürlichen Geburt. Und wenn der Arzt dann nicht warten will, gibt sie irgendeinen medizinischen Grund vor und es wird doch operiert."
Die Frage Kaiserschnitt oder Normalgeburt ist in der Türkei längst keine Frage der medizinischen Notwendigkeit mehr, sondern der Gesellschaftsschicht. Frauen aus armen und ländlichen Schichten gebären in den staatlichen Krankenhäusern, Angehörige der Mittel- und Oberschicht lassen sich in den schicken Privatkliniken einen Operations- als Geburtstermin geben. Dabei, so beklagt die Gynäkologin Leila Mollahmahmutoglu, werde den Frauen vielmals vorgegaukelt, der Kaiserschnitt sei eine sanfte, schmerzfreie Alternative und gänzlich ungefährlich:
"Die Zahlen für operative Geburten sind auch deshalb so hoch, weil die natürliche Geburt eines zweiten Kindes nach einem Kaiserschnitt nicht ganz risikolos ist. Also wird noch einmal operiert. Dann spielt die mangelnde Aufklärung der Bevölkerung über das Thema Geburt eine Rolle – da ist Europa viel weiter. Dass diese Geburtsart in der Oberschicht zur Normalität geworden ist, hat auch mit mangelnder Aufklärung zu tun!"
Das türkische Gesundheitsministerium will die Kliniken nun stärker kontrollieren und Ärzte und Personal über die Risiken der Kaiserschnittgeburt und die Vorteile natürlicher Geburten aufklären. Dass dies Medizinern überhaupt erklärt werde müsse, empört sich eine werdende Mutter im Istanbuler Geburtsvorbereitungskurs, sei bezeichnend:
"Nachdem ich schwanger wurde, habe mich früh für eine natürliche Geburt entschieden. Aber von allen Seiten bekam ich nur Kaiserschnitt zu hören. Dabei ist das doch wie eine Blinddarmoperation unter Narkose auf dem OP-Tisch!"
"Die Türkei befindet sich in einem Modernisierungswahn, auch gesellschaftlich. Alles was modern ist, wird vergöttert, alles Natürliche verdammt. Darum ziehen viele Frauen die Kaiserschnittgeburt vor."
"Entscheidend ist auch, dass es in der Türkei - anders als in Europa - den Beruf der Hebamme praktisch nicht mehr gibt. Geburten werden von Ärzten vorgenommen, und die kennen vor allem das Operieren."
Über 40 Prozent aller Geburten in der Türkei erfolgen inzwischen über Kaiserschnitt, in manchen Regionen, etwa in Istanbul, hat die Zahl bereits die 50 Prozent überschritten. Im Vergleich dazu liegt die Quote in Deutschland landesweit bei knapp 30 Prozent.
An türkischen Privatkliniken liegt die Zahl der operativen Geburten bei 80 Prozent, an manchen Kliniken, so hat das türkische Gesundheitsministerium festgestellt, werde überhaupt gar nicht mehr normal entbunden. Dem Trend zur Kaiserschnittgeburt mit Terminwunsch hat die türkische Regierung nun den Kampf angesagt. Gesundheitsminister Recep Akdag erinnerte daran, dass eine Kaiserschnittgeburt nur bei schwerwiegenden medizinischen Indikationen vorgenommen werden sollte und verdächtigt die Ärzte aus reiner Profitgier zum Skalpell zu greifen. Eine Kaiserschnittgeburt könne bei den Krankenkassen für ein Vielfaches einer normalen Geburt abgerechnet werden. Den Schwangeren werde kurz vor der Geburt Angst gemacht, berichtet die Lehrerin Görkem Topal, die ihren Sohn auch gerne auf natürlichem Wege geboren hätte:
"Ich kenne viele, die unbedingt eine normale Geburt wollten, aber am Ende doch aufgaben, weil ihnen der Arzt immer wieder den Kaiserschnitt nahe legte. Außerdem sehen die Frauen, dass um sie herum die Kinder auch über den Bauch zur Welt kommen. Erst werden die Frauen vom Arzt beruhigt: Wir werden über die Art der Geburt reden, wenn es soweit ist, sagt er dann. Aber er gibt überhaupt keine Ratschläge zur natürlichen Geburt. Und wenn der Arzt dann nicht warten will, gibt sie irgendeinen medizinischen Grund vor und es wird doch operiert."
Die Frage Kaiserschnitt oder Normalgeburt ist in der Türkei längst keine Frage der medizinischen Notwendigkeit mehr, sondern der Gesellschaftsschicht. Frauen aus armen und ländlichen Schichten gebären in den staatlichen Krankenhäusern, Angehörige der Mittel- und Oberschicht lassen sich in den schicken Privatkliniken einen Operations- als Geburtstermin geben. Dabei, so beklagt die Gynäkologin Leila Mollahmahmutoglu, werde den Frauen vielmals vorgegaukelt, der Kaiserschnitt sei eine sanfte, schmerzfreie Alternative und gänzlich ungefährlich:
"Die Zahlen für operative Geburten sind auch deshalb so hoch, weil die natürliche Geburt eines zweiten Kindes nach einem Kaiserschnitt nicht ganz risikolos ist. Also wird noch einmal operiert. Dann spielt die mangelnde Aufklärung der Bevölkerung über das Thema Geburt eine Rolle – da ist Europa viel weiter. Dass diese Geburtsart in der Oberschicht zur Normalität geworden ist, hat auch mit mangelnder Aufklärung zu tun!"
Das türkische Gesundheitsministerium will die Kliniken nun stärker kontrollieren und Ärzte und Personal über die Risiken der Kaiserschnittgeburt und die Vorteile natürlicher Geburten aufklären. Dass dies Medizinern überhaupt erklärt werde müsse, empört sich eine werdende Mutter im Istanbuler Geburtsvorbereitungskurs, sei bezeichnend:
"Nachdem ich schwanger wurde, habe mich früh für eine natürliche Geburt entschieden. Aber von allen Seiten bekam ich nur Kaiserschnitt zu hören. Dabei ist das doch wie eine Blinddarmoperation unter Narkose auf dem OP-Tisch!"