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Kampf dem Müll

Wenn in etwa einem Jahr Müll nur noch verbrannt oder mechanisch-biologisch behandelt werden darf, müssen auch genügend Anlagen vorhanden sein, die den Abfall schlucken. Skeptiker, die zum Beispiel aus der privaten Entsorgungswirtschaft kamen, hatten bisher prophezeit, dass nächstes Jahres zig Anlagen fehlen würden und dann Berge von Müll nicht entsorgt werden könnten. Doch beim Kasseler Abfallforum gab der Vorsitzende der für die Bundesländer zuständigen Landesarbeitsgemeinschaft Abfall, Gottfried Jung, Entwarnung:

Von Ralf Pasch |
    Die neueste Bilanz die vorliegt, zeigt auf, dass wir Behandlungskapazitäten im Jahr 2005, und zwar als relativ gesicherte Zahl, in einer Größenordnung von 22 Millionen Tonnen haben werden. Und es wird in etwa die gleiche Menge an Abfällen gegenüberstehen.

    Etwa zwei Drittel dieser Abfälle werden aktuellen Prognosen zufolge verbrannt. Das übrige Drittel wird in mechanisch-biologischen Anlagen in verwertbare Stoffe und brennbares Material getrennt. Von solchen mechanisch-biologischen Anlagen gibt es gegenwärtig 41. Etwa 70 sollen es werden. Auch die Zahl der 60 Müllverbrennungsanlagen soll auf etwa 70 steigen. Kritisch sieht allerdings der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe, Hans-Günter Fischer, die aktuelle Entwicklung:

    Also ich stelle im Moment fest, vor allem auch mit Blick auf die Kernthemen, die bei dieser Veranstaltung besprochen werden, in erster Linie wird über das Verfüllen von Müllverbrennungsanlagen gesprochen. Aber Müllverbrennungsanlagen stehen eigentlich am Ende der Kette. Es gibt vorher noch Abfallvermeidung und es gibt vorher Abfallverwertung, die umzusetzen ist. Und ich habe das Gefühl, dass hier vor allen Dingen Ressourcenschonung, das Ausschöpfen von stofflichen Verwertungsmöglichkeiten, auf der Strecke bleibt. Hier geht es um den Kampf um Abfallmengen, hier geht es um das Ausschöpfen von eigenen Verbrennungskapazitäten.

    Zu Problemen mit der Auslastung der zahlreichen Anlagen könnte es schon in diesem Jahr kommen. Demnächst vergrößert sich die Europäische Union um zehn neue Länder. Damit werden auch die Deponien und Müllverbrennungsanlagen in Ländern wie Polen für die deutsche Entsorgungswirtschaft interessant. Verlockend sind vor allem die Preise. Während zum Beispiel in Deutschland die Deponierung einer Tonne Abfall um die 90 Euro kostet, sind es in Osteuropa lediglich 20 Euro. Der Grund sind die hierzulande geltenden hohen Umweltstandards, die im Osten längst nicht gewährleistet werden. Vor allem private Entsorger, so die Befürchtung, könnten statt der Ökologie künftig die Ökonomie im Auge haben und verstärkt Müll in den Osten expandieren. Doch der Chef des Bundes der deutschen Entsorgungswirtschaft, Frank-Rainer Billigmann, wiegelt ab:

    Das liegt nicht im Interesse der deutschen Entsorgungswirtschaft. Unser Interesse liegt darin, dass wir neben der reinen Entsorgungstätigkeit auch Recycling betreiben können. Das heißt Kreislaufwirtschaft. Wenn der Ablagerungspreis in Osteuropa unter hundert Euro sinkt, kann da kein Mensch mehr für recyceln. Also müssen wir alles daran setzen, dass zu vermeiden.

    Ein Mittel dazu wären europäische Regeln, die dem Müllexport einen Riegel vorschieben. Aber das gegenwärtige EU-Recht lässt viele Lücken. So kann zum Beispiel Müll als Abfall zur Verwertung deklariert und als Handelsgut über Grenzen hinweg verschoben werden. Die Sicherheitsstandards für Deponien und Müllverbrennungs- oder andere Anlagen legt jedes EU-Land aber selbst fest. Deshalb forderten die Experten beim Kasseler Abfallforum dann auch einheitliche europäische Richtlinien. Ob und wann es die allerdings geben wird, das ist unklar.