In keinem anderen Land der EU, so die italienische Caritas, ist Wucherei so verbreitet wie in Italien. In weiten Teilen des Landes ist das einbringliche Geldgeschäft fest in den Händen mafiöser Clans.
"Auch wegen der Probleme, die wir dieses Frühjahr mit den schlimmen Unwettern hatten, suchten wir händeringend nach einem Ausweg. Die Provinzverwaltung hatte uns eine Entschädigung versprochen. Doch sie hat nie auch nur einen Cent überwiesen. Wir brauchten dringend Bargeld"
Francesca kann heute ganz offen über ihre Geschichte sprechen. Bis vor wenigen Wochen war das noch nicht der Fall. Francesca ist Landwirtin bei der Kleinstadt Caserta, rund eine Autostunde südlich von Rom.
"Um laufende Rechnungen zu bezahlen, unsere Hilfskräfte auf den Feldern, Reparaturen, all das, was eben so auf einem Bauernhof anfällt, haben wir uns an Wucherer gewandt."
Während die Banken, bei denen die Landwirtin finanzielle Hilfe suchte, nur ein freundliches Lächeln für sie und ihre Probleme übrig hatten, fand sie bei einem Wucherer in Caserta ein offenes Ohr. Er hatte Geld für sie. Insgesamt lieh er ihr 30.000 Euro:
"Man denkt immer, ach, das zahle ich schnell zurück, es handelt sich ja nicht um eine riesige Summe, aber dann wird einem schnell klar, was es heißt, sich Geld zu einem Zinssatz von, in meinem Fall, 45 Prozent zu leihen. Und dann wurde mir und meinem Mann bewusst, in was für einer Situation wir uns befanden."
Der Wucherer drängte auf schnelle Zurückzahlung des Geldes und drohte, den Zinssatz andernfalls weiter anzuheben. Doch Francesca und ihr Mann konnten die hohen Zinsen nicht aufbringen. Schließlich schickte der Finanzhai, ein lokaler Mafiaboss, zwei Personen vorbei, die Francescas Mann zusammenschlugen. In ihrer Not wandte sich die Landwirtin an ihren Gemeindepfarrer. Ihm vertraute sie ihre Geschichte an. Don Mario Aniello wusste Rat:
"Ich glaube fest daran, dass eine bessere Welt möglich ist, vor allem in einem Territorium, in dem die organisierte Kriminalität, bei uns ist das die Camorra, ihre Hände überall mit im Spiel hat. Wucherei gehört hier bei uns in den Geschäftsbereich der mafiösen Kriminalität."
Vorsichtigen Schätzungen der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission zufolge verdient die organisierte Kriminalität Italiens mit Wucherei pro Jahr rund 250 Millionen Euro. Tendenz steigend.
Weil Italiener in der Finanz- und Wirtschaftskrise große Schwierigkeiten haben, sich Geld bei ihren Banken zu leihen – betroffen sind vor allem Kleinhändler und andere Freiberufler – wenden sich immer mehr Menschen an die "usurai", die Wucherer. Der Caritas Italiana zufolge suchten 2011 zirka 600.000 Italiener Hilfe bei Wucherern. Rund 200.000 davon sind Unternehmer. Das geliehene Geld, so eine Studie der Caritas, wird mit durchschnittlich 35 Prozent verzinst. Aber auch Zinssätze von bis zu 120 Prozent kommen vor. In keinem anderen Land der EU, so die Caritas, sei Wucherei so verbreitet wie in Italien.
In weiten Teilen des Landes ist das einbringliche Geldgeschäft fest in den Händen mafiöser Clans. Wo das nicht der Fall ist, betreiben Privatleute diese illegalen Machenschaften.
Um die Wucheropfer kümmert sich kaum jemand, schon gar nicht die Politik. Es ist hingegen die katholische Kirche, die fast überall betroffenen Menschen zur Seite steht. Wie zum Beispiel Don Mario Aniello aus Caserta:
"Der Einsatz der Kirche gegen dieses kriminelle Phänomen ist aufgrund der vielen üblen Geschichten, die Geistliche wie ich immer öfter zu hören bekommen, unumgänglich. Immer mehr Betroffene entscheiden sich für den Freitod, weil sie nicht mehr wissen, wie sie die Wucherzinsen aufbringen sollen."
Angesichts des immer dramatischeren Ausmaßes der Wucherei in Italien – und des Desinteresses der Politik – entschied sich die Bischofskonferenz schon vor einigen Jahren zu einer nationalen Aktion.
Don Alberto D'Urso tritt in einem TV-Werbespot der Diözese Bari im süditalienischen Apulien auf. Der katholische Geistliche wirbt darin für seine Arbeit und appelliert an die Spendenfreudigkeit der Italiener. D'Urso ist leitender Mitarbeiter des Nationalrats gegen Wucherei. Eine Organisation der katholischen Kirche, die 1992 auf nationaler und regionaler Ebene von Geistlichen, Ordensleuten und Laien gegründet wurde und zum Teil vom Staat mitfinanziert wird. Ihre Aufgabe besteht darin, den kirchlichen Kampf gegen Wucherer und die Hilfe für die Opfer zu organisieren.
"Wir helfen den Menschen, den Privatpersonen und Geschäftsleuten, besser mit Geld umzugehen. Das bedeutet Einzelberatung und individuelle Hilfe. In fast allen Regionen haben wir Anlaufstellen für die Betroffenen."
Um das Schlimmste zu verhindern – die Suizidserie unter Geschäftsleuten, die seit einigen Monaten in Italien für Aufsehen sorgt, habe, so D'Urso, in vielen Fällen mit Wucherei zu tun. Fast immer vermitteln die Mitarbeiter der kirchlichen Anlaufstellen zwischen Wucheropfern und kirchennahen Banken, die den Betroffenen mit zum Teil zinslosen Krediten aus der Patsche helfen.
In der Kleinstadt Quarto bei Neapel, eine Hochburg mafiöser Geldverleiher, hilft Pfarrer Don Vittorio Zeccone Schuldnern direkt in seiner Kirche. Dort hat er eine, wie er sie nennt, "Anti-Wucher-Kappelle" eingerichtet:
"Die Kirche ist ja bereits ein geistiger Bezugspunkt der Menschen hier. Jetzt ist sie auch ein Ort der konkreten Hilfe gegen Wucherer. Ich vermittelte die meisten Hilfesuchenden an die Diözese weiter. Dort hilft man dann mit Einzelberatungen und Geld. Wir stellen hier unter Beweis, dass die Kirche nicht nur schöne Worte des Beistandes findet, sondern ganz konkret aktiv wird."
"Auch wegen der Probleme, die wir dieses Frühjahr mit den schlimmen Unwettern hatten, suchten wir händeringend nach einem Ausweg. Die Provinzverwaltung hatte uns eine Entschädigung versprochen. Doch sie hat nie auch nur einen Cent überwiesen. Wir brauchten dringend Bargeld"
Francesca kann heute ganz offen über ihre Geschichte sprechen. Bis vor wenigen Wochen war das noch nicht der Fall. Francesca ist Landwirtin bei der Kleinstadt Caserta, rund eine Autostunde südlich von Rom.
"Um laufende Rechnungen zu bezahlen, unsere Hilfskräfte auf den Feldern, Reparaturen, all das, was eben so auf einem Bauernhof anfällt, haben wir uns an Wucherer gewandt."
Während die Banken, bei denen die Landwirtin finanzielle Hilfe suchte, nur ein freundliches Lächeln für sie und ihre Probleme übrig hatten, fand sie bei einem Wucherer in Caserta ein offenes Ohr. Er hatte Geld für sie. Insgesamt lieh er ihr 30.000 Euro:
"Man denkt immer, ach, das zahle ich schnell zurück, es handelt sich ja nicht um eine riesige Summe, aber dann wird einem schnell klar, was es heißt, sich Geld zu einem Zinssatz von, in meinem Fall, 45 Prozent zu leihen. Und dann wurde mir und meinem Mann bewusst, in was für einer Situation wir uns befanden."
Der Wucherer drängte auf schnelle Zurückzahlung des Geldes und drohte, den Zinssatz andernfalls weiter anzuheben. Doch Francesca und ihr Mann konnten die hohen Zinsen nicht aufbringen. Schließlich schickte der Finanzhai, ein lokaler Mafiaboss, zwei Personen vorbei, die Francescas Mann zusammenschlugen. In ihrer Not wandte sich die Landwirtin an ihren Gemeindepfarrer. Ihm vertraute sie ihre Geschichte an. Don Mario Aniello wusste Rat:
"Ich glaube fest daran, dass eine bessere Welt möglich ist, vor allem in einem Territorium, in dem die organisierte Kriminalität, bei uns ist das die Camorra, ihre Hände überall mit im Spiel hat. Wucherei gehört hier bei uns in den Geschäftsbereich der mafiösen Kriminalität."
Vorsichtigen Schätzungen der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission zufolge verdient die organisierte Kriminalität Italiens mit Wucherei pro Jahr rund 250 Millionen Euro. Tendenz steigend.
Weil Italiener in der Finanz- und Wirtschaftskrise große Schwierigkeiten haben, sich Geld bei ihren Banken zu leihen – betroffen sind vor allem Kleinhändler und andere Freiberufler – wenden sich immer mehr Menschen an die "usurai", die Wucherer. Der Caritas Italiana zufolge suchten 2011 zirka 600.000 Italiener Hilfe bei Wucherern. Rund 200.000 davon sind Unternehmer. Das geliehene Geld, so eine Studie der Caritas, wird mit durchschnittlich 35 Prozent verzinst. Aber auch Zinssätze von bis zu 120 Prozent kommen vor. In keinem anderen Land der EU, so die Caritas, sei Wucherei so verbreitet wie in Italien.
In weiten Teilen des Landes ist das einbringliche Geldgeschäft fest in den Händen mafiöser Clans. Wo das nicht der Fall ist, betreiben Privatleute diese illegalen Machenschaften.
Um die Wucheropfer kümmert sich kaum jemand, schon gar nicht die Politik. Es ist hingegen die katholische Kirche, die fast überall betroffenen Menschen zur Seite steht. Wie zum Beispiel Don Mario Aniello aus Caserta:
"Der Einsatz der Kirche gegen dieses kriminelle Phänomen ist aufgrund der vielen üblen Geschichten, die Geistliche wie ich immer öfter zu hören bekommen, unumgänglich. Immer mehr Betroffene entscheiden sich für den Freitod, weil sie nicht mehr wissen, wie sie die Wucherzinsen aufbringen sollen."
Angesichts des immer dramatischeren Ausmaßes der Wucherei in Italien – und des Desinteresses der Politik – entschied sich die Bischofskonferenz schon vor einigen Jahren zu einer nationalen Aktion.
Don Alberto D'Urso tritt in einem TV-Werbespot der Diözese Bari im süditalienischen Apulien auf. Der katholische Geistliche wirbt darin für seine Arbeit und appelliert an die Spendenfreudigkeit der Italiener. D'Urso ist leitender Mitarbeiter des Nationalrats gegen Wucherei. Eine Organisation der katholischen Kirche, die 1992 auf nationaler und regionaler Ebene von Geistlichen, Ordensleuten und Laien gegründet wurde und zum Teil vom Staat mitfinanziert wird. Ihre Aufgabe besteht darin, den kirchlichen Kampf gegen Wucherer und die Hilfe für die Opfer zu organisieren.
"Wir helfen den Menschen, den Privatpersonen und Geschäftsleuten, besser mit Geld umzugehen. Das bedeutet Einzelberatung und individuelle Hilfe. In fast allen Regionen haben wir Anlaufstellen für die Betroffenen."
Um das Schlimmste zu verhindern – die Suizidserie unter Geschäftsleuten, die seit einigen Monaten in Italien für Aufsehen sorgt, habe, so D'Urso, in vielen Fällen mit Wucherei zu tun. Fast immer vermitteln die Mitarbeiter der kirchlichen Anlaufstellen zwischen Wucheropfern und kirchennahen Banken, die den Betroffenen mit zum Teil zinslosen Krediten aus der Patsche helfen.
In der Kleinstadt Quarto bei Neapel, eine Hochburg mafiöser Geldverleiher, hilft Pfarrer Don Vittorio Zeccone Schuldnern direkt in seiner Kirche. Dort hat er eine, wie er sie nennt, "Anti-Wucher-Kappelle" eingerichtet:
"Die Kirche ist ja bereits ein geistiger Bezugspunkt der Menschen hier. Jetzt ist sie auch ein Ort der konkreten Hilfe gegen Wucherer. Ich vermittelte die meisten Hilfesuchenden an die Diözese weiter. Dort hilft man dann mit Einzelberatungen und Geld. Wir stellen hier unter Beweis, dass die Kirche nicht nur schöne Worte des Beistandes findet, sondern ganz konkret aktiv wird."