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Kampf den Kostenfallen

Die Kosten von Internetangeboten sollen nach dem Wunsch der Bundesregierung klar erkennbar sein. Anbieter werden verpflichtet, vorab auf sämtliche Vertragsinformationen samt Preisen hinzuweisen und sich das von den Kunden per Mausklick ausdrücklich bestätigen zu lassen.

Gudula Geuther im Gespräch mit Georg Ehring | 24.08.2011
    Georg Ehring: Das Internet ist für viele Menschen mit Angst verbunden. Sie fürchten, ausgespäht oder abgezockt zu werden, und beide Befürchtungen sind durchaus begründet. Die Anbieter häufig besuchter Seiten erstellen Nutzerprofile, um punktgenau die passende Werbung platzieren zu können, und immer wieder fordern Unternehmen vom überraschten Nutzer Geld für eine angeblich im Netz erbrachte kostenpflichtige Leistung.

    Heute hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf gegen Abzocke im Internet vorgelegt. Gudula Geuther in Berlin, um welche Fälle geht es dabei?

    Gudula Geuther: Es geht hier nicht um den Klau von Kreditkarten-Nummern und ähnliche hoch kriminelle Aktionen; es geht um den letzten Fall, den Sie genannt haben: um überraschende Kosten. Das heißt, um kostenpflichtige Verträge. Es kann, sogenannte Abo-Fälle, auch um wiederkehrende Zahlungspflichten gehen. Das sind Fälle, die Astrid Auer-Reinsdorff in ihrer Kanzlei immer wieder erlebt, Fachanwältin für Informationstechnologierecht und Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins:

    "Sie finden über eine Suchmaschine einen Link, wo es heißt, kostenloser Download von Software, auch Open-Source-Software, die ja auch üblicherweise kostenlos verfügbar ist, und nachher laden sie das da herunter und haben dann ein Abonnement abgeschlossen und sollen laufend bezahlen."

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband, der listet schwarze Schafe auf, und wenn man sich das mal anschaut, da sind dann auch Seiten für Kochrezepte dabei und vieles mehr, wo man wirklich keine Kosten erwartet, und man muss dazu sagen, wo sie auch nicht immer angegeben sind. Also es kann nur überraschend sein, dass hier Kosten entstehen, Hinweise sind versteckt, es kann aber auch um Betrug gehen, darum, dass gar nichts angegeben war. Und dann kommt ein Schreiben vom Anwalt, der Zahlungen einfordert und vielleicht noch Inkasso-Gebühren dazu, und Verbraucher zahlen häufig ohne Not. Das Bundesjustizministerium geht davon aus, dass fünf Millionen Internet-Nutzer schon in solche Kostenfallen getappt sind.

    Ehring: Schiebt das geltende Recht so etwas denn keinen Riegel vor? Muss ich also zahlen?

    Geuther: Nein. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, dann muss ich in der Regel nicht zahlen, denn auch im Internet gelten die Regeln, die allgemeinen Regeln, die für allgemeine Geschäftsbedingungen, das heißt also fürs Kleingedruckte: Das darf nicht zu klein, nicht zu überraschend sein, nicht grob benachteiligend. Es gelten die Fernabsatzregeln, das heißt zwei bis vier Wochen lang kann ich widerrufen. Es gilt das Gesetz über unlauteren Wettbewerb, es gelten die allgemeinen Anfechtungsregeln. Aber es gibt zwei Probleme. Erstens: Viele - und zwar erstaunlich viele Nutzer - lassen sich von einem Anwaltsschreiben einschüchtern und zahlen, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Das heißt, hier geht es um Information. Und wenn es richtig kriminell wird, dann kann es auch Beweisschwierigkeiten geben, zum Beispiel mit Seiten, über die ein Nutzer gelockt wird, die keine Warnung enthalten, während der Anbieter dann vor Gericht die reguläre Seite vorführt, auf der alles seine Ordnung hat. Also die Fachanwältin rät: Erstens Angebote genau lesen, zweitens am besten noch ein Screenshot machen, also das Bild der Angebotsseite speichern, und drittens Vorsicht bei Angeboten aus dem Ausland.

    Ehring: Was soll sich denn jetzt ändern, um das zu verhindern?

    Geuther: Es soll sich vor allem eines ändern, eigentlich fast eine Kleinigkeit. Es soll eine Button-Lösung geben. Das heißt, der Anbieter muss auf die Kostenpflicht besonders hinweisen samt genauem Preis. Der Nutzer muss bestätigen, dass er das weiß. Das soll zum einen den Nutzer, den Kunden warnen, zum anderen den Beweis erleichtern. Es führt de facto auch zu einer Beweislastumkehr. Der Verkäufer muss also zeigen, dass er gewarnt hat. Die Fachanwältin Astrid Auer-Reinsdorff und der ganze Anwaltverein halten es nicht für zielführend, denn die rechtlichen Regelungen seien ja jetzt schon nicht so schlecht, sagen sie.

    Astrid Auer-Reinsdorff: Ich meine, dass der Button eben dazu führt, dass diejenigen, die sich ohnehin rechtstreu verhalten, eben jetzt erneute Anforderungen haben, das umsetzen müssen und einem erhöhten Abmahnrisiko ausgesetzt sind, wenn sie das dann eben nach Gesetzes-Inkrafttreten nicht sofort umsetzen, und diejenigen, die sich per se nicht rechtstreu verhalten möchten, die könnten theoretisch weiterhin diese Landing-Pages bauen oder andere technische Möglichkeiten ausschöpfen.

    Geuther: Andere, zum Beispiel der Deutsche Richterbund, die halten den Button aber für sinnvoll, aus Informationsgründen. Den hat das Bundeskabinett also heute beschlossen und eine entsprechende europäische Regelung soll es auch bald geben.

    Ehring: Gudula Geuther in Berlin, herzlichen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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