Der Aktienkurs bekam das überdeutlich zu spüren. Von 125 Euro in den Spitzenzeiten blieben nur 50 Euro übrig. Großer Frust unter den Aktionären war die Folge. Um den Anteilseignern und wohl auch der eigenen Belegschaft wieder Mut einzuhauchen, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer auf der Hauptversammlung Anfang des Jahres 2002 zu einer gewagten Äußerung hinreißen:
Zu den klaren Zielen gehört ”Beat GE – Beat General Electric”. Warum sollen nicht auch wir in Bereichen, in denen wir mit GE vergleichbar sind, Renditen von 10 Prozent und mehr erreichen?
Von Pierer fordert jenen Konzern heraus, der noch immer als das wertvollste Unternehmen auf der ganzen Welt betrachtet wurde. Die Aussage auf der Hauptversammlung bezog sich zwar nur auf die Medizintechnik und im Hause Siemens hört man dieses Zitat inzwischen nicht so mehr gerne; dennoch lassen die Sätze erkennen, dass man in München immer wieder nach Amerika schielt, genauer gesagt nach Fairfield, Connecticut, zur Zentrale von General Electric. Wenn Heinrich von Pierer am kommenden Donnerstag über das vergangene Geschäftsjahr berichtet, wird er natürlich in erster Linie daran gemessen, ob er seine Ziele erreicht hat, sprich: Umsatz und Ertrag so hoch ausfallen, wie vorhergesagt. Doch selbst das schönste Ergebnis ist nur dann ein richtiger Erfolg, wenn es auch dem Vergleich mit der Konkurrenz standhält. Und für Siemens heißt das: besser sein als GE!
Doch ist nicht leicht, zumal General Electric sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht und Konzernboss Jeffrey Immelt in Deutschland bereits zum Gegenangriff geblasen hat. Am 7. Juli dieses Jahres stand er mit dem Spaten in der Hand an einer Baustelle in Garching, einer Kleinstadt am Rand von München.
Die ersten Spatenstiche galten einem neuen Forschungzentrum, das der amerikanische Konzern in Garching betreiben will. Gekommen waren unter anderem auch der deutsche Innenminister und Bayerns Wissenschaftsminister, um zu beobachten, wie der GE-Chef sein Prestigeprojekt auf den Weg brachte:
Der Ursprung für unsere Technologien liegt in unseren globalen Forschungzentren, die in New York, im chinesischen Shanhai und im indischen Bangalore stehen. Und heute kündigen wir unser neues Center hier in München an. Das wird der Eckpfeiler für unsere Forschungsaktivitäten in Europa sein, ein wichtiges Basislager für neue Entwicklungen und wir freuen uns sehr, dass wir jetzt nicht nur unser Kundengeschäft hier in Deutschland und ganz Europa voranbringen, sondern auch unseren Teil beitragen können, zu jener phantastischen Technologielandschaft, die es in Deutschland gibt.
Mit Blasmusik feierten die Amerikaner ihre Idee für eine neues Forschungszentrum. Und seitdem entstehen am Rand von München und damit in direkter Nachbarschaft zu Siemens große Labors, die den amerikanischen Konzern bald mit Erkenntnissen und Patenten beliefern sollen.
Die Lastwagen, Bagger und Kräne haben bereits einen Großteil der Arbeit geleistet. Der Rohbau mit seinen hohen Mauern für die großen Labors ist fast fertig. 11 000 Quadratmeter sollen hier 150 Forschern zur Verfügung stehen. Auffällig ist vor allem ein rundlicher Trakt am Ende des Komplexes. Armin Pfo, der Leiter des Forschungscenters:
Sie sehen hier ein ovales Gebäude vor sich. Im unteren Bereich haben Sie mehrere Konferenzräume. Im oberen Bereich haben Sie ein großes Auditorium, was ungefähr 150 Zuschauer halten wird um eben gemeinsame Symposien mit der TU hier zu führen, gemeinsame Vorlesungen, gemeinsame Lehrveranstaltungen, die wir eben hier in dem Gebäude abhalten können.
Im Mai oder Juni wird das neue Forschungszentrum voraussichtlich fertig sein. Schon jetzt ist ein Teil der Mannschaft an Bord. Angeheuert wurden unter anderem die vier Labor-Leiter. Sie sind verantwortlich für Windenergie oder Medizintechnik. Ein anderer Schwerpunkt der Wissenschaftler: die so genannte Sensorentechnologie. Armin Pfo beschreibt, wo und wie sich dieser Teil der Forschung abspielen wird.
In diesem hinteren Labor, dieses lange Labor, was sie hier sehen, da wird eine Sektion von einer Pipeline drin sein. Wo auch mit der Sensorentechnologie an Pipeline Inspection gearbeitet wird. D.h. kleine Miniroboter, die sich in der Pipeline bewegen und nach der Integrität der Wände schauen.
Rund 50 Millionen Euro lässt sich General Electric das Forschungscenter in Garching kosten. Und das ist voraussichtlich erst der Anfang. Auf dem Grundstück, das der US-Konzern gekauft hat, ist Platz um das gleiche Gebäude noch einmal dranzubauen. Dann könnte die Zahl der Arbeitsplätze auf 300 verdoppeln. Ein großer Teil der Experten, die GE braucht, wird von der Technischen Universität München kommen. Deren Hörsäle sind nur wenige Meter entfernt. General Electric sucht demonstrativ die Nähe zur TU. Das Ziel ist klar: Man versucht sich so die besten Leute herauszupicken, Fachkräfte, die zum Teil auch Siemens gut brauchen könnte. Auch der deutsche Konzern betreibt viel Forschung in Bayern
Die Spannungen zwischen den beiden Unternehmen haben Tradition. Siemens und General Electric pflegen ihre Rivalität seit über 100 Jahren. Auch damals - Mitte des 19. Jahrhunderts - schraubten und probierten Tüftler und Forscher in Europa und Amerika mit Hocheifer, um die Welt der Technik wieder ein Stückchen voran zu treiben. Gleichzeitig applaudierten die Menschen im Preußischen Königreich dem Militär und hörten Marschmusik.
Für viele ist es eine harte Zeit, auch für Werner Siemens. Er wächst als viertes von 14 Kindern in bescheidenen Verhältnissen auf. Da es kein Geld für ein Studium gibt, tritt der Sohn ins Militär ein und bekommt dort eine Fachausbildung in den verschiedenen Naturwissenschaften. Dort geht für Siemens eine ganz große Geschichte als Erfinder los und das ausgerechnet im Gefängnis. Wegen eines Duells, bei dem er sekundiert hat, muss er hinter Gitter. Die Zeit in der Zelle nutzt er für Experimente und entwickelt ein elektrolytisches Verfahren zum Vergolden und Versilbern. Er bekommt dafür sein erstes preußisches Patent. Aus der Haft entlassen, widmet er sich dem Telegraphen. 1847 berichtet Werner seinem Bruder Wilhelm:
Mein Telegraph gebraucht nur einen Draht, kann dabei mit Tasten wie ein Klavier gespielt werden und verbindet mit der größten Sicherheit eine solche Schnelligkeit, dass man fast so schnell telegraphieren kann, wie die Tasten nacheinander gedrückt werden.
Werner Siemens erfindet den Zeigertelegraphen. Ein Gerät, das aussieht wie eine Uhr, auf dem Ziffernblatt stehen allerdings keine Stundenangaben, sondern die Buchstaben des Alphabets.
Zu sehen ist diese Erfindung noch heute im Siemens-Museum in München. Ausstellungsleiter Franz Hebestreit lässt dort die alten Zeiten wieder aufleben.
Zunächst rief ich den Empfänger mittels Klingeschaltung, der holte sich nun Papier und Bleistift und wenn er bereit war, ging er auf Empfang (klackern. Sie sehen beide Zeiger rotieren synchron Sender und Empfänger. Wenn ich hier eine Taste gedrückt halte , wird der Zeiger mechanisch festgehalten z.B. bei D, der Stromkreis wird unterbrochen und dadurch, dass beide synchron rotieren, bleibt nun der Zeiger auch beim Empfänger bei D stehen. Der Buchstabe wird notiert und dann geht es weiter.
Die Idee des Zeigertelegraphen stammt zwar von Werner Siemens. Hergestellt hat ihn aber der Universitätsmechaniker Johann Georg Halske. Beide – der Erfinder und der Handwerker - tun sich zusammen und gründen die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske".
Am 28. März 1849 kommt der große Auftritt für das junge Unternehmen. Die Frankfurter Nationalversammlung wählt Friedrich Wilhelm den 4. von Preußen zum deutschen Kaiser.
Diese Nachricht muss nun dringend ins gut 500 Kilometer entfernte Berlin getragen werden. Allerdings beträgt die Reichweite eines damaligen Zeigertelegraphen maximal 50 Kilometer. Dehalb müssen die Buchstaben immer wieder an Zwischenstationen abgelesen und weitergegeben werden – insgesamt 14 mal wird die Eilmeldung neu abgetippt. Und so dauert es eine Stunde bis das Telegramm in Berlin ankommt, aus heutiger Sicht eine Ewigkeit, damals eine Sensation. Auch wenn Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone dann ablehnt, vom Telegraphen ist er begeistert. Von nun an eilt das junge Unternehmen von einem Erfolg zum nächsten. 1853 beginnt Siemens mit dem Bau des Staatstelegraphennetzes in Russland. Später kommen andere Erfindungen hinzu: Der erste elektrische Aufzug in Mannheim, die erste elektrische Straßenbahn in Berlin Lichterfelde, der Dynamo oder das Telefon. Von ihm ist Werner Siemens übrigens begeistert. Um diese Technik unters Volk zu bringen, verkauft er sie so günstig, dass ein wahrer Kaufrausch einsetzt. In seinen Aufzeichnungen schreibt Siemens 1877:
Wir sind schon einmal auf 700 Telephone in einem Tag gekommen. Jetzt scheint der Sturm etwas nachzulassen.
In Amerika hat inzwischen ein anderer Erfinder seinen furiosen Aufstieg begonnen: Thomas Alva Edison.
1876 feiern die USA ihren 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass wird in Philadelphia eine Ausstellung elektrischer Errungenschaften organisiert. Edison will nach der Besichtigung der technischen Neuheiten unbedingt das Potenzial des Dynamos und anderer elektrischer Geräte erforschen und gründet hierfür ein gut ausgerüstetes Labor. Dort, in Menlo Park, New Jersey, entwickelt er die erste funktionierende Glühlampe. Schon nach kurzer Zeit präsentiert Edison eine markttaugliche Glühbirne, die in einem Dauertest 40 Stunden lang brennt. Gut zehn Jahre später, also 1890, steht die erste Glühbirnenfabrik. Edisons Firma hat sich inzwischen mehrere Konkurrenten einverleibt und nennt sich Edison General Electric Company. Ähnlich wie Siemens forscht auch General Electric in die verschiedensten Richtungen. 1905 gibt es den ersten elektrischen Toaster von GE, das Modell D 12. Etwas später konstruiert ein junger GE-Ingenieur den sogenannten Hochfrequenz-Wechselstromgenerator. Mit Hilfe dieser Technologie können kurze Zeit später die ersten Radioprogramme ausgestrahlt werden.
1908 liefert das Unternehmen 30 elektrische Lokomotiven an die New York Central Railroad Gesellschaft. Es folgen Turbinen, erste Röntgengeräte, Kühlschränke, Fernseher und vieles mehr.
Schon bald streckt GE seine Fühler auch in andere Länder und Kontinente aus - ganz ähnlich wie Siemens. Der deutsche Konzern besitzt bereits vor der Jahrhundertwende wichtige Niederlassungen in Russland, England und Österreich. Nur in Amerika bleibt Siemens lange erfolglos. 1892 – kurz vor seinem Tod - schreibt der inzwischen in den Adelsstand aufgestiegene Werner von Siemens:
Der Kampf der alten mit der neuen Welt auf allen Gebieten des Lebens wird allem Anschein nach die große, alles beherrschende Frage des kommenden Jahrhunderts sein, und wenn Europa seine dominierende Stellung in der Welt behaupten oder doch wenigstens den Amerikanern ebenbürtig bleiben will, so wird es sich beizeiten auf diesen Kampf vorbereiten müssen.
Heute stehen sich Siemens und General Electric auf der ganzen Welt gegenüber. GE ist nicht erst mit dem Bau des Garchinger Forschungszentrums in Europa und Deutschland präsent. Der US-Konzern beschäftigt hierzulande tausende von Mitarbeitern. Die Zentrale für Deutschland, Österreich und die Schweiz befindet sich in einem kleinen Bürogebäude in München. Kein Luxus – kein Pomp, wie man das von Weltkonzernen gewohnt ist. Noch nicht einmal einen Empfangsschalter gibt es. Wer zu GE kommt, wird über eine simple Sprechanlage begrüßt. Im zweiten Stock sitzt Thomas Limberger, der regionale Chef von GE. Während er selbst die Zentrale erst seit einem Jahr leitet, blickt General Electric hierzulande schon auf eine lange Tradition zurück.
Die Geschichte von GE fängt an mit der Edison Gesellschaft in Deutschland vor über 100 Jahren. Wir haben uns parallel im deutschen Markt entwickelt, wie wir das auch im amerikanischen Markt getan haben. Sie werden in Deutschland das gleiche Portfolio finden – in verkleinerter Form – wie in den USA.
Das heißt GE baut Autokarosserien, betreibt Windparks, stellt Ultraschallgeräte her und verkauft Versicherungspolicen etwa über die Tochtergesellschaft Frankona Rück. Dazu kommt nun das Forschungszentrum in Garching. Dass General Electric sein Geld ausgerechnet in Deutschland investiert, wo doch hierzulande ständig über die Nachteile des hiesigen Standortes debatiert wird, überrascht. Thomas Limberger:
Im großen kann sagen, dass sich der Standort Deutschland als sehr positiv herauskristallisiert hat. Wir haben einen europäischen Vergleich gefahren und hier hat sich Deutschland sehr schnell im Technologiebereich abgehoben. Warum dann Bayern, wir haben eine Studie erstellt und darin die Bundesländer verglichen. Bayern mit dem Standort Garching bietet die Möglichkeit, in einem High-Tech-Umfeld mit den Besten des Landes zusammen zu arbeiten.
Nicht nur die Amerikaner sind im Ausland überaus agil. Auch Siemens wildert im gegnerischen Terrain. Die Münchner haben ihre Aktie vor nicht allzu langer Zeit an die Wall Street gebracht. In den Vereinigten Staaten sind für den deutschen Konzern mittlerweile 75 000 Mitarbeiter tätig. Das ist sogar ein bisschen mehr, als GE in ganz Europa beschäftigt. Und mehr noch: Ein Viertel des weltweiten Siemens-Umsatzes wird in den USA erwirtschaftet.
General Electric schmerzt die Konkurrenz im eigenen Lande kaum. Zwar hat der Aktienkurs von GE, genau wie der von Siemens, in den letzten Jahren stark gelitten. Und auch das letzte Quartal lief nicht mehr so gut. Trotzdem ist der US-Konzern noch immer ein respekteinflößender Riese. Die Börsenkapitalisierung, also die Anzahl der notierten Aktien multipliziert mit dem Kurs, ergibt einen Wert von 250 Milliarden Dollar, das sind gut 200 Milliarden Euro. Die Zahl sagt zunächst einmal nicht allzu viel aus. Anschaulich wird es aber, wenn man sie mit dem Börsenwert von Siemens vergleicht. Die Münchner bringen es - obwohl sie das größte Schwergewicht im Dax sind - gerade mal auf 50 Milliarden Euro. Siemens ist also viermal kleiner und kämpft damit in einer ganz anderen Gewichtsklasse. Sehr auffällig ist der Unterschied auch bei der Rendite, also beim Verhältnis von Umsatz zu Gewinn. Hier stehen den voraussichtlich etwa drei Prozent von Siemens rund zwölf Prozent bei GE gegenüber. Das heißt: Die Amerikaner wirtschaften momentan etwa vier mal besser als die Deutschen. Und sie schaffen das mit deutlich weniger Mitarbeitern. Den über 400 000 Siemensbeschäftigten stehen gerade mal gut 300 000 GE-Leute gegenüber. General Electric wird vor allem wegen seiner hohen Renditen als wertvollstes Unternehmen der Welt bezeichnet.
Hinter diesem Erfolg steckt ein Rezept. Der legendäre Firmenboss Jack Welch, der GE bis vor wenigen Jahren geführt hatte, verordnete dem damals etwas fett und träge gewordenen Unternehmenskoloss eine Rosskur und eine neue Firmenphilosophie. Alle Mitarbeiter hatten sich nach einer Formel zu richten und die lautete "Six Sigma". Ein Begriff, der aus der Statistik stammt und die systematische Verbesserung der Abläufe meint. GE-Deutschland-Chef Thomas Limberger:
Six Sigma ist ein Programm, das Prozesse neu definiert und besser organisiert und zwar nicht nur Produktionsprozesse. Ist im ganzen Unternehmen implementiert, DNA des Unternehmens, Möglichkeit mit anderen Kulturen und Geschäftseinheiten besser zu kommunizieren.
...denn Six Sigma verwendet eine Reihe spezieller Begriffe, die dann eben in der amerikanischen Zentrale jeder genauso gut versteht, wie die Kollegen in einer japanischen Niederlassung. Die meisten der GE-Mitarbeiter haben eine spezielle Schulung bekommen. Ähnlich wie in einigen Kampfsportdisziplinen werden besondere Kenntnisse mit Gürteln ausgezeichnet, etwa mit dem Green Belt oder dem Black Belt. Six Sigma ist eine Art Philosophie, die erlernt und dann gelebt werden muss. Dass sich die Mühen und Kosten für die Schulungen 100-tausender Mitarbeiter lohnen, zeigt ein Beispiel:
Im Sekretariatsbereich sieht es so aus, dass z.B. mit Six Sigma, Prozess wie Papierablage neu definiert worden sind. Und da gab es auch einige Projekte, wie das papierlose Büro, wo ein Six Sigma Projekt erstmals das Ausmaß des Papieraufkommens in einem Büro definiert hat, dann auch geschaut hat, wo wird es abgelegt, wo wird es gebraucht und wieder hergezogen. Und mit dieser Analyse wurde dann ein neuer Prozess festgelegt. Wenn ein neues Dokument wird es gescannt und digital abgelegt und das Papier wandert in den Reißwolf.
Dadurch dass Aktenschränke und Papierlager verschwanden, wurden bei GE 15 Prozent der Bürofläche plötzlich frei und konnten nun anders genutzt werden. Auch Siemens-Manager äußern sich respektvoll darüber, wie konsequent der amerikanische Konkurrent seinen Laden auf Vordermann gebracht hat. Allerdings haben auch die Münchner Erfolge vorzuweisen.
Siemens und General Electric stehen sich als direkte Konkurrenten in drei Bereichen gegenüber: Kraftwerke, Medizintechnik und Licht. Und beim Vergleich in diesen drei Sparten schneidet Siemens gar nicht schlecht ab. Zwar machen die Amerikaner mit Kraftwerken noch immer deutlich mehr Geschäft, dafür zieht Siemens bei der Medizintechnik inzwischen gleich. Und in der Lichttechnik haben die Deutschen GE sogar abgehängt: General Electric - von Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne - mitgegründet, fällt bei seinem Ursprungsgeschäft zurück. Die Siemens-Tochter Osram setzt inzwischen deutlich mehr um. Osram wird nicht ohne Grund als die "Perle" des Siemens-Konzerns bezeichnet.
Der Name Osram steht zunächst einmal für Glühbirnen – mit ihnen ist das Münchner Unternehmen groß geworden. Inzwischen aber machen sie nur noch rund zehn Prozent des Umsatzes aus. Billiganbieter drücken den Preis für Glühbirnen. Gewinne lassen sich nur noch schwer erzielen. Aus diesem Grund hat sich Osram neue, lukrativere Aktivitäten gesucht. In einem großen Lichtstudio im Souterrain der Firmenzentrale blitzen und funkeln die Innovationen in den unterschiedlichsten Farben und Größen. Besonders vielversprechend: die sogenannten Leuchtdioden. Juliane Braun von Osram.
Leuchtdioden ist ein strategisch wichtiges Geschäftsfeld für uns, weil wir hier in Zukunft das größte Wachstum erwarten. Diese winzigen leuchtenden Chips haben die Vorteile, dass sie direkt farbig Licht abgeben, dass sie sehr klein sind und dass sie sehr lange leben, bis zu 100.000 Stunden. Das sind Halbleiter, die unter Stromzufuhr Licht abgeben. Man kann sich das vorstellen umgekehrt wie eine Solarzelle, die unter Sonnenlicht Strom erzeugt. Und hier wird unter Strom Licht erzeugt.
Bisher sind diese Lichtchips noch vergleichsweise teuer und leuchten nicht allzu hell - sie werden beispielsweise in den Armaturenbrettern von Autos eingebaut. Das Forscherteam von Osram arbeitet daran, die Lichtausbeute zu steigern, so dass die Leuchtdioden irgendwann auch für die Scheinwerfer oder für die normale Zimmerbeleuchtung verwendet werden können. Zu den Pionieren der Leuchtdioden zählt übrigens General Electric. Der US-Konzern präsentierte schon vor 40 Jahren seinen ersten leuchtenden Chip, inzwischen hat aber Osram bei den Leuchtdioden die Initiative übernommen. Die Siemens-Tochter will dabei nicht nur neuartige Lichtquellen erschließen, sondern auch Möglichkeiten finden, das Licht an individuelle Bedürfnisse anzupassen.
Das ist eine elektronische Steuerung der Lampe. Es ist so, dass die meisten innovativen Lichtquellen nur noch mit einem speziell darauf abgestimmten elektronischen Vorschaltgerät funktionieren. Wir bieten Lampe und Vorschaltgerät als System an und das ist ein sehr interessantes Wachstumsgebiet für uns. und man kann sich auch vorstellen, dass künftig zu Hause jeder an seinem PC unterschiedliche Lichtszenen programmiert, z.B. fürs Abendessen, anschließend auf dem Sofa gemütliches Leselicht und dann muss man noch mal was arbeiten und dann hat man eine Auswahl helles Arbeitslicht.
Leuchtdioden und elektronisch gesteuerte Lampen erbringen schon einen großen Teil des Umsatzes bei Osram. Interessant ist: Der Heimatmarkt Deutschland hat für Osram stark an Bedeutung verloren. Nur noch ein Zehntel des Geschäftes spielt sich hierzulande ab. Wichtigster Absatzmarkt ist Amerika.
Der Erfolg von Osram darf nun aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Siemens insgesamt mit General Electric nicht mithalten kann. Die in dieser Woche anstehenden Jahreszahlen werden wieder zeigen, wie groß die Unterschiede immer noch sind. Etwas über zwei Milliarden Euro lautet die Prognose für den Nettogewinn. Zum Vergleich: GE hatte im abgelaufenen Jahr umgerechnet rund 12 Milliarden erzielt.
"Beat GE", wie Heinrich von Pierer es formuliert hatte, ist ein Ziel, das nur in einzelnen Bereichen erreicht werden kann. Als Gesamtkonzern bleibt General Electric der große Bruder, zu dem man aufsehen und von dem man vielleicht auch einiges lernen kann. Trotz des Abstandes scheinen aber die Amerikaner Siemens durchaus ernst zu nehmen. Ge-Boss Jeffrey Immelt - heißt es unter Insidern - habe die Kampfansage Heinrich von Pierers aus einer Zeitung ausgeschnitten, sie eingerahmt und auf seinem Schreibtisch aufgestellt.
Zu den klaren Zielen gehört ”Beat GE – Beat General Electric”. Warum sollen nicht auch wir in Bereichen, in denen wir mit GE vergleichbar sind, Renditen von 10 Prozent und mehr erreichen?
Von Pierer fordert jenen Konzern heraus, der noch immer als das wertvollste Unternehmen auf der ganzen Welt betrachtet wurde. Die Aussage auf der Hauptversammlung bezog sich zwar nur auf die Medizintechnik und im Hause Siemens hört man dieses Zitat inzwischen nicht so mehr gerne; dennoch lassen die Sätze erkennen, dass man in München immer wieder nach Amerika schielt, genauer gesagt nach Fairfield, Connecticut, zur Zentrale von General Electric. Wenn Heinrich von Pierer am kommenden Donnerstag über das vergangene Geschäftsjahr berichtet, wird er natürlich in erster Linie daran gemessen, ob er seine Ziele erreicht hat, sprich: Umsatz und Ertrag so hoch ausfallen, wie vorhergesagt. Doch selbst das schönste Ergebnis ist nur dann ein richtiger Erfolg, wenn es auch dem Vergleich mit der Konkurrenz standhält. Und für Siemens heißt das: besser sein als GE!
Doch ist nicht leicht, zumal General Electric sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht und Konzernboss Jeffrey Immelt in Deutschland bereits zum Gegenangriff geblasen hat. Am 7. Juli dieses Jahres stand er mit dem Spaten in der Hand an einer Baustelle in Garching, einer Kleinstadt am Rand von München.
Die ersten Spatenstiche galten einem neuen Forschungzentrum, das der amerikanische Konzern in Garching betreiben will. Gekommen waren unter anderem auch der deutsche Innenminister und Bayerns Wissenschaftsminister, um zu beobachten, wie der GE-Chef sein Prestigeprojekt auf den Weg brachte:
Der Ursprung für unsere Technologien liegt in unseren globalen Forschungzentren, die in New York, im chinesischen Shanhai und im indischen Bangalore stehen. Und heute kündigen wir unser neues Center hier in München an. Das wird der Eckpfeiler für unsere Forschungsaktivitäten in Europa sein, ein wichtiges Basislager für neue Entwicklungen und wir freuen uns sehr, dass wir jetzt nicht nur unser Kundengeschäft hier in Deutschland und ganz Europa voranbringen, sondern auch unseren Teil beitragen können, zu jener phantastischen Technologielandschaft, die es in Deutschland gibt.
Mit Blasmusik feierten die Amerikaner ihre Idee für eine neues Forschungszentrum. Und seitdem entstehen am Rand von München und damit in direkter Nachbarschaft zu Siemens große Labors, die den amerikanischen Konzern bald mit Erkenntnissen und Patenten beliefern sollen.
Die Lastwagen, Bagger und Kräne haben bereits einen Großteil der Arbeit geleistet. Der Rohbau mit seinen hohen Mauern für die großen Labors ist fast fertig. 11 000 Quadratmeter sollen hier 150 Forschern zur Verfügung stehen. Auffällig ist vor allem ein rundlicher Trakt am Ende des Komplexes. Armin Pfo, der Leiter des Forschungscenters:
Sie sehen hier ein ovales Gebäude vor sich. Im unteren Bereich haben Sie mehrere Konferenzräume. Im oberen Bereich haben Sie ein großes Auditorium, was ungefähr 150 Zuschauer halten wird um eben gemeinsame Symposien mit der TU hier zu führen, gemeinsame Vorlesungen, gemeinsame Lehrveranstaltungen, die wir eben hier in dem Gebäude abhalten können.
Im Mai oder Juni wird das neue Forschungszentrum voraussichtlich fertig sein. Schon jetzt ist ein Teil der Mannschaft an Bord. Angeheuert wurden unter anderem die vier Labor-Leiter. Sie sind verantwortlich für Windenergie oder Medizintechnik. Ein anderer Schwerpunkt der Wissenschaftler: die so genannte Sensorentechnologie. Armin Pfo beschreibt, wo und wie sich dieser Teil der Forschung abspielen wird.
In diesem hinteren Labor, dieses lange Labor, was sie hier sehen, da wird eine Sektion von einer Pipeline drin sein. Wo auch mit der Sensorentechnologie an Pipeline Inspection gearbeitet wird. D.h. kleine Miniroboter, die sich in der Pipeline bewegen und nach der Integrität der Wände schauen.
Rund 50 Millionen Euro lässt sich General Electric das Forschungscenter in Garching kosten. Und das ist voraussichtlich erst der Anfang. Auf dem Grundstück, das der US-Konzern gekauft hat, ist Platz um das gleiche Gebäude noch einmal dranzubauen. Dann könnte die Zahl der Arbeitsplätze auf 300 verdoppeln. Ein großer Teil der Experten, die GE braucht, wird von der Technischen Universität München kommen. Deren Hörsäle sind nur wenige Meter entfernt. General Electric sucht demonstrativ die Nähe zur TU. Das Ziel ist klar: Man versucht sich so die besten Leute herauszupicken, Fachkräfte, die zum Teil auch Siemens gut brauchen könnte. Auch der deutsche Konzern betreibt viel Forschung in Bayern
Die Spannungen zwischen den beiden Unternehmen haben Tradition. Siemens und General Electric pflegen ihre Rivalität seit über 100 Jahren. Auch damals - Mitte des 19. Jahrhunderts - schraubten und probierten Tüftler und Forscher in Europa und Amerika mit Hocheifer, um die Welt der Technik wieder ein Stückchen voran zu treiben. Gleichzeitig applaudierten die Menschen im Preußischen Königreich dem Militär und hörten Marschmusik.
Für viele ist es eine harte Zeit, auch für Werner Siemens. Er wächst als viertes von 14 Kindern in bescheidenen Verhältnissen auf. Da es kein Geld für ein Studium gibt, tritt der Sohn ins Militär ein und bekommt dort eine Fachausbildung in den verschiedenen Naturwissenschaften. Dort geht für Siemens eine ganz große Geschichte als Erfinder los und das ausgerechnet im Gefängnis. Wegen eines Duells, bei dem er sekundiert hat, muss er hinter Gitter. Die Zeit in der Zelle nutzt er für Experimente und entwickelt ein elektrolytisches Verfahren zum Vergolden und Versilbern. Er bekommt dafür sein erstes preußisches Patent. Aus der Haft entlassen, widmet er sich dem Telegraphen. 1847 berichtet Werner seinem Bruder Wilhelm:
Mein Telegraph gebraucht nur einen Draht, kann dabei mit Tasten wie ein Klavier gespielt werden und verbindet mit der größten Sicherheit eine solche Schnelligkeit, dass man fast so schnell telegraphieren kann, wie die Tasten nacheinander gedrückt werden.
Werner Siemens erfindet den Zeigertelegraphen. Ein Gerät, das aussieht wie eine Uhr, auf dem Ziffernblatt stehen allerdings keine Stundenangaben, sondern die Buchstaben des Alphabets.
Zu sehen ist diese Erfindung noch heute im Siemens-Museum in München. Ausstellungsleiter Franz Hebestreit lässt dort die alten Zeiten wieder aufleben.
Zunächst rief ich den Empfänger mittels Klingeschaltung, der holte sich nun Papier und Bleistift und wenn er bereit war, ging er auf Empfang (klackern. Sie sehen beide Zeiger rotieren synchron Sender und Empfänger. Wenn ich hier eine Taste gedrückt halte , wird der Zeiger mechanisch festgehalten z.B. bei D, der Stromkreis wird unterbrochen und dadurch, dass beide synchron rotieren, bleibt nun der Zeiger auch beim Empfänger bei D stehen. Der Buchstabe wird notiert und dann geht es weiter.
Die Idee des Zeigertelegraphen stammt zwar von Werner Siemens. Hergestellt hat ihn aber der Universitätsmechaniker Johann Georg Halske. Beide – der Erfinder und der Handwerker - tun sich zusammen und gründen die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske".
Am 28. März 1849 kommt der große Auftritt für das junge Unternehmen. Die Frankfurter Nationalversammlung wählt Friedrich Wilhelm den 4. von Preußen zum deutschen Kaiser.
Diese Nachricht muss nun dringend ins gut 500 Kilometer entfernte Berlin getragen werden. Allerdings beträgt die Reichweite eines damaligen Zeigertelegraphen maximal 50 Kilometer. Dehalb müssen die Buchstaben immer wieder an Zwischenstationen abgelesen und weitergegeben werden – insgesamt 14 mal wird die Eilmeldung neu abgetippt. Und so dauert es eine Stunde bis das Telegramm in Berlin ankommt, aus heutiger Sicht eine Ewigkeit, damals eine Sensation. Auch wenn Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone dann ablehnt, vom Telegraphen ist er begeistert. Von nun an eilt das junge Unternehmen von einem Erfolg zum nächsten. 1853 beginnt Siemens mit dem Bau des Staatstelegraphennetzes in Russland. Später kommen andere Erfindungen hinzu: Der erste elektrische Aufzug in Mannheim, die erste elektrische Straßenbahn in Berlin Lichterfelde, der Dynamo oder das Telefon. Von ihm ist Werner Siemens übrigens begeistert. Um diese Technik unters Volk zu bringen, verkauft er sie so günstig, dass ein wahrer Kaufrausch einsetzt. In seinen Aufzeichnungen schreibt Siemens 1877:
Wir sind schon einmal auf 700 Telephone in einem Tag gekommen. Jetzt scheint der Sturm etwas nachzulassen.
In Amerika hat inzwischen ein anderer Erfinder seinen furiosen Aufstieg begonnen: Thomas Alva Edison.
1876 feiern die USA ihren 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass wird in Philadelphia eine Ausstellung elektrischer Errungenschaften organisiert. Edison will nach der Besichtigung der technischen Neuheiten unbedingt das Potenzial des Dynamos und anderer elektrischer Geräte erforschen und gründet hierfür ein gut ausgerüstetes Labor. Dort, in Menlo Park, New Jersey, entwickelt er die erste funktionierende Glühlampe. Schon nach kurzer Zeit präsentiert Edison eine markttaugliche Glühbirne, die in einem Dauertest 40 Stunden lang brennt. Gut zehn Jahre später, also 1890, steht die erste Glühbirnenfabrik. Edisons Firma hat sich inzwischen mehrere Konkurrenten einverleibt und nennt sich Edison General Electric Company. Ähnlich wie Siemens forscht auch General Electric in die verschiedensten Richtungen. 1905 gibt es den ersten elektrischen Toaster von GE, das Modell D 12. Etwas später konstruiert ein junger GE-Ingenieur den sogenannten Hochfrequenz-Wechselstromgenerator. Mit Hilfe dieser Technologie können kurze Zeit später die ersten Radioprogramme ausgestrahlt werden.
1908 liefert das Unternehmen 30 elektrische Lokomotiven an die New York Central Railroad Gesellschaft. Es folgen Turbinen, erste Röntgengeräte, Kühlschränke, Fernseher und vieles mehr.
Schon bald streckt GE seine Fühler auch in andere Länder und Kontinente aus - ganz ähnlich wie Siemens. Der deutsche Konzern besitzt bereits vor der Jahrhundertwende wichtige Niederlassungen in Russland, England und Österreich. Nur in Amerika bleibt Siemens lange erfolglos. 1892 – kurz vor seinem Tod - schreibt der inzwischen in den Adelsstand aufgestiegene Werner von Siemens:
Der Kampf der alten mit der neuen Welt auf allen Gebieten des Lebens wird allem Anschein nach die große, alles beherrschende Frage des kommenden Jahrhunderts sein, und wenn Europa seine dominierende Stellung in der Welt behaupten oder doch wenigstens den Amerikanern ebenbürtig bleiben will, so wird es sich beizeiten auf diesen Kampf vorbereiten müssen.
Heute stehen sich Siemens und General Electric auf der ganzen Welt gegenüber. GE ist nicht erst mit dem Bau des Garchinger Forschungszentrums in Europa und Deutschland präsent. Der US-Konzern beschäftigt hierzulande tausende von Mitarbeitern. Die Zentrale für Deutschland, Österreich und die Schweiz befindet sich in einem kleinen Bürogebäude in München. Kein Luxus – kein Pomp, wie man das von Weltkonzernen gewohnt ist. Noch nicht einmal einen Empfangsschalter gibt es. Wer zu GE kommt, wird über eine simple Sprechanlage begrüßt. Im zweiten Stock sitzt Thomas Limberger, der regionale Chef von GE. Während er selbst die Zentrale erst seit einem Jahr leitet, blickt General Electric hierzulande schon auf eine lange Tradition zurück.
Die Geschichte von GE fängt an mit der Edison Gesellschaft in Deutschland vor über 100 Jahren. Wir haben uns parallel im deutschen Markt entwickelt, wie wir das auch im amerikanischen Markt getan haben. Sie werden in Deutschland das gleiche Portfolio finden – in verkleinerter Form – wie in den USA.
Das heißt GE baut Autokarosserien, betreibt Windparks, stellt Ultraschallgeräte her und verkauft Versicherungspolicen etwa über die Tochtergesellschaft Frankona Rück. Dazu kommt nun das Forschungszentrum in Garching. Dass General Electric sein Geld ausgerechnet in Deutschland investiert, wo doch hierzulande ständig über die Nachteile des hiesigen Standortes debatiert wird, überrascht. Thomas Limberger:
Im großen kann sagen, dass sich der Standort Deutschland als sehr positiv herauskristallisiert hat. Wir haben einen europäischen Vergleich gefahren und hier hat sich Deutschland sehr schnell im Technologiebereich abgehoben. Warum dann Bayern, wir haben eine Studie erstellt und darin die Bundesländer verglichen. Bayern mit dem Standort Garching bietet die Möglichkeit, in einem High-Tech-Umfeld mit den Besten des Landes zusammen zu arbeiten.
Nicht nur die Amerikaner sind im Ausland überaus agil. Auch Siemens wildert im gegnerischen Terrain. Die Münchner haben ihre Aktie vor nicht allzu langer Zeit an die Wall Street gebracht. In den Vereinigten Staaten sind für den deutschen Konzern mittlerweile 75 000 Mitarbeiter tätig. Das ist sogar ein bisschen mehr, als GE in ganz Europa beschäftigt. Und mehr noch: Ein Viertel des weltweiten Siemens-Umsatzes wird in den USA erwirtschaftet.
General Electric schmerzt die Konkurrenz im eigenen Lande kaum. Zwar hat der Aktienkurs von GE, genau wie der von Siemens, in den letzten Jahren stark gelitten. Und auch das letzte Quartal lief nicht mehr so gut. Trotzdem ist der US-Konzern noch immer ein respekteinflößender Riese. Die Börsenkapitalisierung, also die Anzahl der notierten Aktien multipliziert mit dem Kurs, ergibt einen Wert von 250 Milliarden Dollar, das sind gut 200 Milliarden Euro. Die Zahl sagt zunächst einmal nicht allzu viel aus. Anschaulich wird es aber, wenn man sie mit dem Börsenwert von Siemens vergleicht. Die Münchner bringen es - obwohl sie das größte Schwergewicht im Dax sind - gerade mal auf 50 Milliarden Euro. Siemens ist also viermal kleiner und kämpft damit in einer ganz anderen Gewichtsklasse. Sehr auffällig ist der Unterschied auch bei der Rendite, also beim Verhältnis von Umsatz zu Gewinn. Hier stehen den voraussichtlich etwa drei Prozent von Siemens rund zwölf Prozent bei GE gegenüber. Das heißt: Die Amerikaner wirtschaften momentan etwa vier mal besser als die Deutschen. Und sie schaffen das mit deutlich weniger Mitarbeitern. Den über 400 000 Siemensbeschäftigten stehen gerade mal gut 300 000 GE-Leute gegenüber. General Electric wird vor allem wegen seiner hohen Renditen als wertvollstes Unternehmen der Welt bezeichnet.
Hinter diesem Erfolg steckt ein Rezept. Der legendäre Firmenboss Jack Welch, der GE bis vor wenigen Jahren geführt hatte, verordnete dem damals etwas fett und träge gewordenen Unternehmenskoloss eine Rosskur und eine neue Firmenphilosophie. Alle Mitarbeiter hatten sich nach einer Formel zu richten und die lautete "Six Sigma". Ein Begriff, der aus der Statistik stammt und die systematische Verbesserung der Abläufe meint. GE-Deutschland-Chef Thomas Limberger:
Six Sigma ist ein Programm, das Prozesse neu definiert und besser organisiert und zwar nicht nur Produktionsprozesse. Ist im ganzen Unternehmen implementiert, DNA des Unternehmens, Möglichkeit mit anderen Kulturen und Geschäftseinheiten besser zu kommunizieren.
...denn Six Sigma verwendet eine Reihe spezieller Begriffe, die dann eben in der amerikanischen Zentrale jeder genauso gut versteht, wie die Kollegen in einer japanischen Niederlassung. Die meisten der GE-Mitarbeiter haben eine spezielle Schulung bekommen. Ähnlich wie in einigen Kampfsportdisziplinen werden besondere Kenntnisse mit Gürteln ausgezeichnet, etwa mit dem Green Belt oder dem Black Belt. Six Sigma ist eine Art Philosophie, die erlernt und dann gelebt werden muss. Dass sich die Mühen und Kosten für die Schulungen 100-tausender Mitarbeiter lohnen, zeigt ein Beispiel:
Im Sekretariatsbereich sieht es so aus, dass z.B. mit Six Sigma, Prozess wie Papierablage neu definiert worden sind. Und da gab es auch einige Projekte, wie das papierlose Büro, wo ein Six Sigma Projekt erstmals das Ausmaß des Papieraufkommens in einem Büro definiert hat, dann auch geschaut hat, wo wird es abgelegt, wo wird es gebraucht und wieder hergezogen. Und mit dieser Analyse wurde dann ein neuer Prozess festgelegt. Wenn ein neues Dokument wird es gescannt und digital abgelegt und das Papier wandert in den Reißwolf.
Dadurch dass Aktenschränke und Papierlager verschwanden, wurden bei GE 15 Prozent der Bürofläche plötzlich frei und konnten nun anders genutzt werden. Auch Siemens-Manager äußern sich respektvoll darüber, wie konsequent der amerikanische Konkurrent seinen Laden auf Vordermann gebracht hat. Allerdings haben auch die Münchner Erfolge vorzuweisen.
Siemens und General Electric stehen sich als direkte Konkurrenten in drei Bereichen gegenüber: Kraftwerke, Medizintechnik und Licht. Und beim Vergleich in diesen drei Sparten schneidet Siemens gar nicht schlecht ab. Zwar machen die Amerikaner mit Kraftwerken noch immer deutlich mehr Geschäft, dafür zieht Siemens bei der Medizintechnik inzwischen gleich. Und in der Lichttechnik haben die Deutschen GE sogar abgehängt: General Electric - von Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne - mitgegründet, fällt bei seinem Ursprungsgeschäft zurück. Die Siemens-Tochter Osram setzt inzwischen deutlich mehr um. Osram wird nicht ohne Grund als die "Perle" des Siemens-Konzerns bezeichnet.
Der Name Osram steht zunächst einmal für Glühbirnen – mit ihnen ist das Münchner Unternehmen groß geworden. Inzwischen aber machen sie nur noch rund zehn Prozent des Umsatzes aus. Billiganbieter drücken den Preis für Glühbirnen. Gewinne lassen sich nur noch schwer erzielen. Aus diesem Grund hat sich Osram neue, lukrativere Aktivitäten gesucht. In einem großen Lichtstudio im Souterrain der Firmenzentrale blitzen und funkeln die Innovationen in den unterschiedlichsten Farben und Größen. Besonders vielversprechend: die sogenannten Leuchtdioden. Juliane Braun von Osram.
Leuchtdioden ist ein strategisch wichtiges Geschäftsfeld für uns, weil wir hier in Zukunft das größte Wachstum erwarten. Diese winzigen leuchtenden Chips haben die Vorteile, dass sie direkt farbig Licht abgeben, dass sie sehr klein sind und dass sie sehr lange leben, bis zu 100.000 Stunden. Das sind Halbleiter, die unter Stromzufuhr Licht abgeben. Man kann sich das vorstellen umgekehrt wie eine Solarzelle, die unter Sonnenlicht Strom erzeugt. Und hier wird unter Strom Licht erzeugt.
Bisher sind diese Lichtchips noch vergleichsweise teuer und leuchten nicht allzu hell - sie werden beispielsweise in den Armaturenbrettern von Autos eingebaut. Das Forscherteam von Osram arbeitet daran, die Lichtausbeute zu steigern, so dass die Leuchtdioden irgendwann auch für die Scheinwerfer oder für die normale Zimmerbeleuchtung verwendet werden können. Zu den Pionieren der Leuchtdioden zählt übrigens General Electric. Der US-Konzern präsentierte schon vor 40 Jahren seinen ersten leuchtenden Chip, inzwischen hat aber Osram bei den Leuchtdioden die Initiative übernommen. Die Siemens-Tochter will dabei nicht nur neuartige Lichtquellen erschließen, sondern auch Möglichkeiten finden, das Licht an individuelle Bedürfnisse anzupassen.
Das ist eine elektronische Steuerung der Lampe. Es ist so, dass die meisten innovativen Lichtquellen nur noch mit einem speziell darauf abgestimmten elektronischen Vorschaltgerät funktionieren. Wir bieten Lampe und Vorschaltgerät als System an und das ist ein sehr interessantes Wachstumsgebiet für uns. und man kann sich auch vorstellen, dass künftig zu Hause jeder an seinem PC unterschiedliche Lichtszenen programmiert, z.B. fürs Abendessen, anschließend auf dem Sofa gemütliches Leselicht und dann muss man noch mal was arbeiten und dann hat man eine Auswahl helles Arbeitslicht.
Leuchtdioden und elektronisch gesteuerte Lampen erbringen schon einen großen Teil des Umsatzes bei Osram. Interessant ist: Der Heimatmarkt Deutschland hat für Osram stark an Bedeutung verloren. Nur noch ein Zehntel des Geschäftes spielt sich hierzulande ab. Wichtigster Absatzmarkt ist Amerika.
Der Erfolg von Osram darf nun aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Siemens insgesamt mit General Electric nicht mithalten kann. Die in dieser Woche anstehenden Jahreszahlen werden wieder zeigen, wie groß die Unterschiede immer noch sind. Etwas über zwei Milliarden Euro lautet die Prognose für den Nettogewinn. Zum Vergleich: GE hatte im abgelaufenen Jahr umgerechnet rund 12 Milliarden erzielt.
"Beat GE", wie Heinrich von Pierer es formuliert hatte, ist ein Ziel, das nur in einzelnen Bereichen erreicht werden kann. Als Gesamtkonzern bleibt General Electric der große Bruder, zu dem man aufsehen und von dem man vielleicht auch einiges lernen kann. Trotz des Abstandes scheinen aber die Amerikaner Siemens durchaus ernst zu nehmen. Ge-Boss Jeffrey Immelt - heißt es unter Insidern - habe die Kampfansage Heinrich von Pierers aus einer Zeitung ausgeschnitten, sie eingerahmt und auf seinem Schreibtisch aufgestellt.