Offenbar ganz vorsichtig ist der Bochumer Intendant Elmar Goerden seine zweite Großinszenierung in wenigen Wochen angegangen. Maria Stuart ist dreieinhalbstündiges, kaum gekürztes Text- und Schauspielertheater alter Schule. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Trotzdem sind einige Rollen seltsam angelegt in diesem düsteren Palastreich aus schwarzen Samtvorhängen. Die Maria Stuart von Ulli Maier wirkt mit wirren Haaren, Strickjacke und tailliertem Hofgewand mehr wie eine burschikose Bäuerin oder exaltierte Proletin. Gymnastisch schwingt sie ihre Beine wie eine Boxerin vor dem Kampf, selbstgefällig lehnt sie sich zurück, lärmend schlägt sie die Hände auf den Bühnenboden.
Eigenartig sind auch Elisabeths Hofchargen: Baron Burleigh, der unerbittliche Hüter der Staatsräson, ist ein bleich geschminkter Giftzwerg-Gruftie in Leder. Der humane Talbot ist auf der Glatze über und über mit rätselhaften Zeichen tätowiert. Und schließlich der opportunistische Graf Leicester, der vor allem die eigene Haut retten will: der berühmte Doppelagent der Liebe, der Maria Stuart und Elisabeth beide heiraten will, wird von Uwe Bohm als weibische Witzfigur überzeichnet und in keiner Sekunde ernst genommen. Auch die Männer am Hofe küsst er auf den Mund, bricht unmotiviert in lautes Gelächter aus, wo er eigentlich weinen müsste und bleibt immer ein Klischee seiner selbst.
Zunächst wirkt dies alles wie ambitioniertes, aber unentschiedenes Klassikertheater fürs Abonnenten-Publikum. Doch dann kommt Imogen Kogge als Königin Elisabeth und wird sofort Zentrum und Herz der Inszenierung. Obwohl sie immer grotesker mit bunten Glitzer- und Federgewändern ausgestattet wird wie ein Weihnachtsbaum, zeigt sie eine psychologisch atemberaubende Charakterstudie der seltsamen Königin. Die hat England immerhin 45 Jahre lang real regiert.
Imogen Kogge muss Elisabeth bis in ihre letzten Ticks durchdacht haben. Sie zeigt sie als eitles Mädchen, einsame Matrone und mütterlich verliebte Gönnerin. Mal tätschelt oder kitzelt sie ihre Untertanen, ein kleiner Scherz muss drin sein. Dann beweint sie selbstmitleidig ihr schweres Schicksal, um im nächsten Moment wieder willkürliche Machtpolitikerin zu sein. Oder sie fällt in lähmende Unentschiedenheit, an der natürlich immer die Untertanen schuld sind.
Sie übersteht die lächerlichsten Auftritte mit Würde, etwa die verlogene Fummelszene zwischen ihr und Graf Leicester, in der er in ihren üppigen Busen schnauft und ihr unter den Rock greift.
Und sie spielt auch Ulli Maier an die Wand, die das, was Maria Stuarts Größe sein könnte, in ihrem exaltierten Spiel manchmal einfach verpasst. Das merkt man vor allem beim einzigen Treffen der beiden, in dem Maria Stuart unmotiviert vom Proletencharme zu Königinnenstolz wechselt. Bei Elisabeth spürt man dagegen die komplizierten Subtexte, die Vergangenheit als unakzeptiertes Kind und halb illegitime Throninhaberin.
"Maria: Regiert in Frieden! Jedweden Anspruch negier ich! Ich bin nur ein Schatten der Maria. Macht ein Ende, Schwester. Ein Wort! Macht alles ungeschehen! Elisabeth: Ja, es ist aus. Die Welt hat andere Sorgen. Ihr verführt keinen mehr ... Denn ihr tötet eure Liebhaber wie eure Freier."
Imogen Kogge verschmilzt so deckungsgleich mit dieser Figur, dass es fast unheimlich ist. Einzig Henning Hartmann als Mortimer, der hitzig in Maria verliebte sterbende Retter, kann es an Bühnenpräsenz mit ihr aufnehmen. Diskret hat Elmar Goerden einige wenige Einfälle in seine Textwüste im fast leeren Raum gesetzt. Schön ist es, wenn Leicester diskret Maria Stuarts katholische Kreuzkette auf ihren Rücken dreht, als sie auf Elisabeth trifft. Oder wenn Baron Burleigh nach erfolgreicher Hinrichtung noch die teuren Schuhe von Maria Stuart aus dem Todesraum rettet. Ein erschreckendes Bild, das die kleinkarierte Grausamkeit des Hofes ausstellt. Schade ist bei dieser Inszenierung dennoch, dass die Schauspieler so uneinheitlich spielen. Der Abend schwankt so willkürlich zwischen ironischer Distanz und ernst genommener Verstrickung. Imogen Kogge ist es zu verdanken, dass er immer wieder psychologisch durchdacht zeigt, wie Maria Stuarts Hinrichtung für Elisabeth eine tiefe seelische Notwendigkeit wird. Damit bringt sie Schillers Trauerspiel trotz mancher Längen zum Leuchten.
Eigenartig sind auch Elisabeths Hofchargen: Baron Burleigh, der unerbittliche Hüter der Staatsräson, ist ein bleich geschminkter Giftzwerg-Gruftie in Leder. Der humane Talbot ist auf der Glatze über und über mit rätselhaften Zeichen tätowiert. Und schließlich der opportunistische Graf Leicester, der vor allem die eigene Haut retten will: der berühmte Doppelagent der Liebe, der Maria Stuart und Elisabeth beide heiraten will, wird von Uwe Bohm als weibische Witzfigur überzeichnet und in keiner Sekunde ernst genommen. Auch die Männer am Hofe küsst er auf den Mund, bricht unmotiviert in lautes Gelächter aus, wo er eigentlich weinen müsste und bleibt immer ein Klischee seiner selbst.
Zunächst wirkt dies alles wie ambitioniertes, aber unentschiedenes Klassikertheater fürs Abonnenten-Publikum. Doch dann kommt Imogen Kogge als Königin Elisabeth und wird sofort Zentrum und Herz der Inszenierung. Obwohl sie immer grotesker mit bunten Glitzer- und Federgewändern ausgestattet wird wie ein Weihnachtsbaum, zeigt sie eine psychologisch atemberaubende Charakterstudie der seltsamen Königin. Die hat England immerhin 45 Jahre lang real regiert.
Imogen Kogge muss Elisabeth bis in ihre letzten Ticks durchdacht haben. Sie zeigt sie als eitles Mädchen, einsame Matrone und mütterlich verliebte Gönnerin. Mal tätschelt oder kitzelt sie ihre Untertanen, ein kleiner Scherz muss drin sein. Dann beweint sie selbstmitleidig ihr schweres Schicksal, um im nächsten Moment wieder willkürliche Machtpolitikerin zu sein. Oder sie fällt in lähmende Unentschiedenheit, an der natürlich immer die Untertanen schuld sind.
Sie übersteht die lächerlichsten Auftritte mit Würde, etwa die verlogene Fummelszene zwischen ihr und Graf Leicester, in der er in ihren üppigen Busen schnauft und ihr unter den Rock greift.
Und sie spielt auch Ulli Maier an die Wand, die das, was Maria Stuarts Größe sein könnte, in ihrem exaltierten Spiel manchmal einfach verpasst. Das merkt man vor allem beim einzigen Treffen der beiden, in dem Maria Stuart unmotiviert vom Proletencharme zu Königinnenstolz wechselt. Bei Elisabeth spürt man dagegen die komplizierten Subtexte, die Vergangenheit als unakzeptiertes Kind und halb illegitime Throninhaberin.
"Maria: Regiert in Frieden! Jedweden Anspruch negier ich! Ich bin nur ein Schatten der Maria. Macht ein Ende, Schwester. Ein Wort! Macht alles ungeschehen! Elisabeth: Ja, es ist aus. Die Welt hat andere Sorgen. Ihr verführt keinen mehr ... Denn ihr tötet eure Liebhaber wie eure Freier."
Imogen Kogge verschmilzt so deckungsgleich mit dieser Figur, dass es fast unheimlich ist. Einzig Henning Hartmann als Mortimer, der hitzig in Maria verliebte sterbende Retter, kann es an Bühnenpräsenz mit ihr aufnehmen. Diskret hat Elmar Goerden einige wenige Einfälle in seine Textwüste im fast leeren Raum gesetzt. Schön ist es, wenn Leicester diskret Maria Stuarts katholische Kreuzkette auf ihren Rücken dreht, als sie auf Elisabeth trifft. Oder wenn Baron Burleigh nach erfolgreicher Hinrichtung noch die teuren Schuhe von Maria Stuart aus dem Todesraum rettet. Ein erschreckendes Bild, das die kleinkarierte Grausamkeit des Hofes ausstellt. Schade ist bei dieser Inszenierung dennoch, dass die Schauspieler so uneinheitlich spielen. Der Abend schwankt so willkürlich zwischen ironischer Distanz und ernst genommener Verstrickung. Imogen Kogge ist es zu verdanken, dass er immer wieder psychologisch durchdacht zeigt, wie Maria Stuarts Hinrichtung für Elisabeth eine tiefe seelische Notwendigkeit wird. Damit bringt sie Schillers Trauerspiel trotz mancher Längen zum Leuchten.