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Kampf des Jahrhunderts

Vor 35 Jahren, am 8. März 1971, ging fast die gesamte New Yorker Prominenz zum Boxen. Der Kampf um die Schwergewichtsweltmeisterschaft zwischen Titelverteidiger Joe Frazier und Herausforderer Muhammad Ali wurde als Sportereignis des Jahrhunderts gefeiert. Joe Frazier, glattes, schwarzes Establishment, trifft auf Muhammad Ali, umjubelten, kantigen Vietnamkriegsgegner.

Von Thomas Jaedicke | 08.03.2006
    Als es an diesem Vorfrühlingsabend zum ersten von drei Showdowns zwischen Joe Frazier und Muhammad Ali kommt, ist der New Yorker Madison Square Garden seit Wochen restlos ausverkauft. Alle Welt drückt Ali die Daumen: Der einst so ungeliebte Ex-Champion, wegen Kriegsdienstverweigerung im Vietnamkrieg sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, soll Frazier den Titel, den Uncle Sam Ali gestohlen hatte, wieder abnehmen.

    Ali: "I´m experienced now, professional. Been knocked down a couple of times. I´m bad!"

    Vor dem Kampf zieht Ali seine gewohnte Show ab und macht den Gegner in allen Medien lächerlich:

    Ali: "Been choppin´ trees, I done something new for this fight. I wrestled with an alligator. That´s right. I have wrestled with an alligator!"

    Doch die sonst so erfolgreiche Masche zieht diesmal nicht. "Smokin' Joe", das 7. von 13 Kindern eines Farmarbeiters aus Beaufort, South Carolina, erweist sich als zäher Hund. Technisch und in der Reichweite zwar unterlegen, wühlt sich Frazier, ständig abduckend und pendelnd, immer wieder in den Gegner hinein.

    Nachdem er Ali in der 11. Runde schon schwer erschüttert hat, schickt "Smoke" seinen Widersacher in der 15. und letzten Runde sogar auf die Bretter. Zwar kommt dieser noch einmal auf die Beine, doch den Weltmeister-Gürtel kann Joe Frazier behalten.

    Parallel zu seinem Leben als Profiboxer bastelt Frazier, der als Zwölfjähriger mit seiner Familie vom Cotton Belt nach Philadelphia umzog, an einer Musikerkarriere. Kurz nach dem Titelkampf bricht er mit seiner Band, den Knockouts, zu einer Tour durch kleine Clubs in Europa auf. Doch vorher, noch im Madison Square Garden, versäumt Joe Frazier nicht, dem geschlagenen Herausforderer Ali ein Rematch in Aussicht zu stellen.

    Joe Frazier: "Just as soon as, you know, like next year, that Ali would like to have that shot at the title. I'd be more than glad to give it to him."

    20.500 Zuschauer feiern 1971 in New York den unterlegenen Ali währenddessen wie einen Sieger. Zu Beginn seiner Karriere als Muhammad Ali höchstens von seinen schwarzen Muslim-Brüdern geachtet, genießt er Anfang der 70er immer mehr Sympathie. Vor dem Vietnamkrieg, der für Präsident Nixon immer mehr zum Desaster gerät, von vielen weißen US-Bürgern noch als irres Großmaul abgestempelt, ist man jetzt begeistert, wenn "Louisville Lip" aus Kentucky eines seiner gefürchteten Statements abgibt.

    Obwohl eigentlich völlig unpolitisch, hatte Ali wegen seines charismatischen Charmes und seiner Standfestigkeit in der Kriegsfrage inzwischen auch außerhalb des Rings weltweit punkten können. Verziehen hatten ihm viele Amerikaner sogar, dass er sich von Cassius Marcellus Clay in Muhammad Ali und vom Christen zum Muslim gewandelt hatte. Kein Vietcong habe ihn jemals Nigger genannt, und deswegen werde er auch nicht in den Krieg nach Indochina ziehen. Titel und Box-Lizenz wurden ihm aberkannt, Washington steckte ihn ins Gefängnis, doch wie im Ring blieb er auch jetzt stehen.

    Auf seinem Weg zurück an die Spitze hatte Ali am 8. März 1971 einen Rückschlag einstecken müssen. Diesen Titelkampf gegen Joe Frazier hatte er verloren. Immer wieder taucht der 29-Jährige, in seiner Umkleidekabine sitzend, den Kopf in einen Eimer mit Eiswürfeln. Die Sängerin Diana Ross, nach dem Gong sofort zu ihm geeilt, tröstet den geschlagenen Ali.

    Knapp zwei Jahre später treffen die beiden Kämpfer wiederum in New York aufeinander. Frazier unterliegt nach Punkten. Im Spätsommer 1975 stehen sie sich ein drittes und letztes Mal im Ring gegenüber. In einem Vorort der philippinischen Hauptstadt kommt es zu einem Kampf, der als "Thrilla in Manila" in die Boxgeschichte eingeht.

    Nach Alis Sieg über George Forman in Zaire ist diesmal Joe Frazier der Herausforderer. Beide holen das Letzte aus ihren Körpern heraus; wieder fällt die Entscheidung erst in der 15. und letzten Runde. Joe Frazier, dessen Gesicht nach fürchterlichen Treffern so angeschwollen ist, dass er nichts mehr sieht, wird von seinem Coach Eddie Futch aus dem Kampf genommen.

    Ali boxt noch weitere sechs Jahre. Heute leidet er am Parkinson-Syndrom. Joe Frazier zieht sich bereits 1976 aus dem Ring zurück und betreibt seitdem ein Boxing Gym in Philadelphia.