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Kampf für mehr Bürgerrechte im Netz

Die Online-Überwachung ist eines der neuen Instrumente, die Sicherheitspolitiker gerne zum Schutz vor kriminellen Handlungen und terroristischen Angriffen anwenden möchten, Videoüberwachung und Vorratsdatenspeicherung sind andere Mittel. Immer zahlreicher und unübersichtlicher werden die Möglichkeiten der Überwachung. Vergangene Woche hat dazu die Gesellschaft für Informatik ein Memorandum heraus gegeben. Einer der Autoren ist Professor Hartmut Pohl.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Hartmut Pohl | 04.08.2007
    Manfred Kloiber: Herr Pohl, was war denn der Anlass dazu?

    Hartmut Pohl: Wir sehen, dass Computer immer häufiger in Geräte eingebaut werden. Wir sehen, dass wir nicht mehr beurteilen können, was diese Computer leisten. Ich nehme ein einfaches Beispiel, das Handy. Im Handy steckt ein Computer, der von außen ein- und ausgeschaltet werden kann. Wir sind so weit, dass sicherheitsbewusste Leute in Besprechungen, wo es um sehr viel Geld geht, diese Handys nicht nur ausschalten oder den Akku herausnehmen, was nicht so trivial ist, sondern die Handys einsammeln und vor dem Besprechungsraum aufbewahren, so dass auf keinen Fall abgehört werden kann. Das zeigt deutlich die Möglichkeiten. Wir werden mit dem Handy sowieso geortet und es kann jedes Gespräch aufgenommen werden, auch wenn wir glauben, dass das Handy angeschaltet ist.

    Kloiber: Was konkret steht denn jetzt in Ihrem Memorandum als Folgerung aus dieser Erkenntnis?

    Pohl: Wir fordern, dass die Öffentlichkeit viel stärker informiert wird über diese Abhörmöglichkeiten, über die Identifizierungsmöglichkeiten, wenn ich mit einer Karte bezahle, was kann dann das Geschäft sich merken, wenn ich im Internet kaufe, was merkt sich der Verkäufer. Sie bekommen solche Nachrichten wie 'Kunden von uns, die diesen Artikel gekauft haben, haben auch jenen Artikel gekauft'. Also ich werde genau überwacht beim Internethandel, was kaufe ich, was kaufen andere, man kann das rückverfolgen.
    Kloiber: In welcher Form soll denn diese Information geschehen?

    Pohl: Also erstmal Sensibilisierung, dass da viel mehr Öffentlichkeitsarbeit getrieben wird. Dann zweitens konkret, wenn ich in ein Bekleidungsgeschäft komme, will ich wissen, ob ich hier videoüberwacht werde, ob in den Umkleidekabinen Videokameras angebracht sind oder nicht. Ich habe nichts gegen diese Überwachung, ich will es nur wissen. Einer Frau ist es unangenehm, wenn sie einen Bikini anprobieren will, dass sie heimlich videoüberwacht wird. Sie will das wenigstens wissen und dann kann sie entscheiden, ob sie dass erträgt oder ob sie in einen anderen Laden geht.

    Kloiber: Also dieser Appell richtet sich unter anderem zum Beispiel an den Handel oder alle die, die ein Interesse daran haben, sich zu schützen zum Beispiel durch Videoüberwachung oder durch Internet-Spurenverfolgung. Gibt es aber auch eine politische Adresse, an die Sie sich richten?

    Pohl: Ja natürlich, unsere Zielgruppe ist auch die Regierung, ist der Bundestag. Wir wünschen uns ein Register, in das jeder Bürger reingucken kann, wo werden denn von wem Daten gespeichert und wo könnten also über mich Daten vorliegen. Dann kann ich da hin gehen und fragen 'Haben Sie auch Daten über mich?'. Aber heute ist das völlig undurchsichtig, wer über mich Daten sammeln könnte.

    Kloiber: Wenn es so ein Register gäbe, wo zum Beispiel drin steht, wo überall mit welchen Mitteln überwacht wird, oder wenn überhaupt nur am Eingang eines Geschäftes steht 'Hier wird überwacht', wird dann nicht der Zweck der Überwachung ab absurdum geführt?

    Pohl: Wir sprechen nicht über Kriminelle, uns geht es hier in diesem Memorandum um die unverdächtigen Bürger, die gleichwohl identifiziert und überwacht werden können. Meine Frau hat noch nie einen Ladendiebstahl begangen und wird gleichwohl überwacht. Sie will das auch gerne, sie packt auch gerne die Tasche aus, im Zweifel. Natürlich, aber dass sie heimlich auf Video gefilmt wird, das ist ein Unding bei unverdächtigen Bürgern. Wenn das Kriminelle sind, oder wenn ein Verdacht vorliegt, gelten ganz andere Regelungen.

    Kloiber: Sie haben ja konkrete Forderungen aufgestellt, unter anderem das Register. Sehen Sie denn Chancen, dass sich die Forderungen Ihres Memorandums überhaupt umsetzen lassen?

    Pohl: Wir sehen sehr wohl Chancen und haben ja auch Vorschläge gemacht, wie man ganz konkret diese - ich sage durchaus mal - "Datensammelwut" eingrenzen kann oder zumindest durchsichtiger machen kann. Erstens wollen wir wissen, wer könnte etwas über mich sammeln, und zweitens wollen wir darauf hinweisen, wie viel gesammelt wird und dass viele Daten gesammelt werden, die gar nicht benötigt werden. Zum Beispiel wird beim Mautverfahren jeder PKW-Fahrer fotografiert. Warum? Es ist ein LKW-Mautsystem. Das mag vielleicht zukunftsträchtig sein, weil man jeden PKW in Zukunft dann auch mit Maut belegen will. Nur, heute ist es nicht notwendig, und eine Fotografie des Fahrers ist überhaupt überflüssig.