Dienstag, 21. Mai 2024

"Wachsende Ungleichheit"
Kampf gegen Armut: Europarat fordert mehr Anstrengungen von Deutschland

Deutschland muss nach Einschätzung des Europarates deutlich mehr gegen Armut und Wohnungsnot unternehmen. In einem Bericht, der in Straßburg veröffentlicht wurde, ist die Rede von einer "wachsenden Ungleichheit".

19.03.2024
    Blick von oben auf eine geöffnete Geldbörse und ein Kind, das auf diese schaut.
    Deutschland muss laut Europarat mehr gegen Armut und Ausgrenzung tun. (imago / photothek / Ute Grabowsky)
    Menschenrechtskommissarin Mijatovic betonte, dass in diesem Zusammenhang besonders der Bekämpfung von Armut bei Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Das hohe Maß an Armut und sozialer Ausgrenzung stehe in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes. Zwar habe die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um das Sozialsystem zugänglicher zu machen und mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Arbeitslose anzubieten.
    In vielen anderen Bereichen stellt Mijatovic in ihrem Bericht der Sozialpolitik in Deutschland aber kein gutes Zeugnis aus. So forderte sie die Bundesregierung auf, mit "umfassenden Maßnahmen" gegen die Wohnungsnot vorzugehen. Es brauche eine auf Menschenrechten basierende Wohnungsstrategie.

    Bundesregierung verweist auf Aktionsplan

    Aus Berlin hieß es dazu, die Bundesregierung teile "die Sorgen der Kommissarin hinsichtlich der steigenden Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland". Von deutscher Seite wurde darauf verwiesen, dass erstmals beschlossen worden sei, einen Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungslosigkeit zu verabschieden.
    Zwar sei der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland von rund drei Millionen Wohnungen im Jahr 1990 auf derzeit etwa eine Million Sozialmietwohnungen "abgeschmolzen". Aktuell sei jedoch vorgesehen, dass der Bund den Ländern für den sozialen Wohnungsbau im Zeitraum 2022 bis 2027 insgesamt 18,15 Milliarden Euro Bundesmittel zur Verfügung stellt. Diese Summe werde durch die Länder kofinanziert, sodass "erfahrungsgemäß insgesamt eine mehr als doppelt so hohe Summe für die Schaffung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung stehen" werde.

    Mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderungen

    Ein weiterer Kritikpunkt im Bericht der EU-Menschenrechtskommissarin ist die Situation von Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Bei deren Rechten seien insgesamt nur begrenzte Fortschritte erzielt worden. Inklusion und Teilhabe seien in vielen Bereichen nicht möglich. Der Europarat sieht die Gründe dafür in mangelndem politischem Engagement und zwar gut finanzierten, aber ausgrenzenden Strukturen wie Behindertenwerkstätten, Förderschulen oder Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen. Damit könnte ein unabhängiges Leben nur schwer verwirklicht werden. Stattdessen brauche es integrative Strukturen.
    Dem Europarat, der sich als Hüter der Menschenrechte versteht, gehören 46 Länder an. Die Länderorganisation mit Sitz in Straßburg setzt sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein. Der nun veröffentlichte Bericht folgt auf einen Besuch von Mijatovic Ende des vergangenen Jahres in Deutschland. Dabei traf sie Bundesminister und Vertreter auf kommunaler Ebene sowie aus der Zivilgesellschaft.
    Diese Nachricht wurde am 19.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.