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Kampf gegen die Endlichkeit

Energie.- Die Ölindustrie hat ihr Interesse auf sogenannte Ölschiefern gerichtet. Aus dem Sedimentgestein sollen bis zu 3,3 Trillionen Barrel des schwarzen Goldes gewonnen werden können. Doch wie kann dieser Schatz geborgen werden, und was würde das für die Umwelt bedeuten?

Von Dagmar Röhrlich |
    Gleichgültig, aus welcher Lagerstätte Öl oder Gas kommen: Sie entstanden, als Mikroben oder Kleinlebewesen auf den Meeresboden sanken, im Sediment eingeschlossen wurden, sich zersetzten und in Kohlenwasserstoffe verwandelten. In die porösen Gesteine einer "klassischen" Lagerstätten sind sie eingewandert und stecken darin wie Wasser in einem Schwamm. Ölschiefer seien da anders, erklärt Jeremy Boak von der Colorado School of Mines: In ihnen entstehe Öl, sie seien sehr viel dichter, gäben die Kohlenwasserstoffe nicht so einfach her:

    "Öl aus Ölschiefern wird in China produziert, in Estland oder Brasilien. Länder wie Jordanien oder Marokko haben Verträge abgeschlossen, ihre beträchtlichen Vorräte zu fördern. Je nach Entstehungsgeschichte der Ölschiefer gibt es verschiedene Formen von Lagerstätten. In ihnen kann Öl stecken oder Gas. Die Kohlenwasserstoffe können aber auch sozusagen unreif sein, noch fest, nicht die vom Öl bekannten Tröpfchen. Je nach Lagerstätte bohrt man in das Gestein und sprengt es mit chemikalienbeladenem Wasser, um das Öl oder Gas zu fördern. Oder man kocht die Kohlenwasserstoffe regelrecht heraus."

    Dafür werden die Ölschiefer meist abgebaut, in Elektro-Öfen gesteckt und erhitzt. Bei diesem Prozess zerbrechen die Moleküle der Kohlenwasserstoffe, lassen sich herauslösen und am Ende hat man Öl. Gleichgültig, welches Verfahren angewandt wird, es gibt immer Umweltprobleme:

    "Wenn die Ölschiefer im Bergbau über- oder untertage gefördert werden, muss der ausgekochte Abraum ordentlich behandelt oder abgelagert werden, damit weder Ölreste noch andere Schadstoffe ausgewaschen werden, das Grundwasser kontaminieren oder in die Atmosphäre gelangen."

    Aber auch Seen und Flüsse können belastet werden. In Estland etwa erinnert ein bunt schillernder See an die Förderung zu Sowjetzeiten: Die Umwelt spielte keine Rolle, und so verdankt er sein Farbenspiel der Ölverschmutzung:

    "Außerdem entsteht beim Bergbau immer Staub, an dem Reste von schädlichen Kohlenwasserstoffen kleben. Wird dieser Staub vom Wind davongetragen, kann er Böden und Oberflächengewässer verschmutzen."

    Um die Umweltprobleme zu verringern, lässt sich Öl und Gas auch direkt vor Ort aus dem Untergrund kochen. Etwa indem man überhitzten Dampf oder heißes Wasser injiziert. So sollen die Kohlenwasserstoffe vom Stein gelöst und ausgetrieben werden. Die Methode ist seit Jahren erprobt, birgt aber die Gefahr der Grundwasserkontamination. Deshalb laufen Versuche, das Fördergebiet mit einem Ring aus Eis abzuschotten:

    "Zunächst werden um das Fördergebiet herum eine ganze Reihe von Bohrlöchern gebohrt, durch die dann extrem kalter, flüssiger Stickstoff in den Untergrund gepumpt wird. Dadurch gefriert das Grundwasser zu einer schützenden Wand. Dann wird Wasser in das in der Tiefe sehr heiße Gestein gepumpt. Dampf entsteht, der die Kohlenwasserstoffe nach oben schafft. In den Experimenten wurde anschließend noch einmal Wasser durch den Ölschiefer gepumpt, um das Gestein sozusagen dampfzureinigen. Es blieben keine organischen Schadstoffe zurück."

    Die Schadstoffe werden ausgespült, an der Oberfläche gesammelt und entsorgt - und das, worauf es ankommt, das Öl, wird vom Wasser getrennt:

    "Das ist ein neuer Ansatz. Das Öl, das bei diesen ersten Versuchen gewonnen wird, lässt sich sehr viel einfacher weiterverarbeiten als das, was sonst aus Ölschiefern kommt. Nach wenigen Prozess-Schritten kann es in einer Pipeline zur Raffinerie gebracht werden."

    Der Prozess muss jedoch effizienter werden, weniger Energie verbrauchen. Pilotversuche laufen. An einem wird das nichts ändern: Die CO2-Bilanz für Öl aus Ölschiefern ist noch schlechter als bei konventionellen Lagerstätten, denn es verschlingt reichlich Energie, noch ehe es in der Raffinerie landet.