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Kampf gegen die Erdnussallergie

Schon kleinste Spuren von Erdnuss können für Allergiker bedrohlich werden - vor allem für Kinder. Auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag in Münster wurden nun Studienergebnisse präsentiert, die bei der Entwicklung einer möglichen Impfung helfen könnten.

Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek im Gespräch mit Monika Seynsche | 10.09.2012
    Monika Seynsche: Es gibt mittlerweile schon viele Schulen, in denen es verboten ist, ein Pausenbrot mit Erdnussbutter mitzubringen. Die Erklärung dafür ist: Zu viele Kinder leiden mittlerweile an Erdnussallergie und für sie wäre ein Biss in ein solches Pausenbrot oder alleine der Geruch verhängnisvoll. Auf dem Lebensmittelchemikertag in Münster wird heute eine neue mögliche Behandlungsmethode dieser Krankheit vorgestellt. Volker Mrasek ist für uns in Münster und jetzt auf dem Studio dort zugeschaltet. Herr Mrasek, um welche Behandlungsmethode handelt es sich.

    Volker Mrasek: Man muss sagen, es handelt sich noch nicht um eine Behandlungsmethode, sondern um Forschungsergebnisse, die vielversprechend sind und eine Behandlungsmethode in der Zukunft mal möglich erscheinen lassen. Einer der besten, erfahrendsten Experten in Deutschland auf diesem Gebiet ist Stefan Vieths. Der ist Vize-Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts - das ist das Bundesinstitut für Impfstoffe - und schon seit knapp zwei Jahrzehnten auf dem Feld der Allergien tätig. Und er hat einen Ansatz vorgestellt, der am Paul-Ehrlich-Institut verfolgt wird. Da hat man es schon im vergangenen Jahr geschafft, in Laborversuchen mit Mäusen diese Tiere praktisch gegen Allergien zu impfen - und zwar gegen einen Hühnereiweiß-Allergie. Also Hühnereiweiß, die Proteine von Ei, können auch Allergien auslösen. Und in einem zweiten Schritt werden jetzt auch Impfstoffe entwickelt, die eben eine Erdnuss-Allergie verhindern sollen - und auch übrigens eine gegen Garnelen. Das sind zwei Typen der Lebensmittelallergien, die besonders gefährlich sind. Nur ein Beispiel: Erdnussallergien, da gibt es Schätzungen in den USA: 150 Todesfälle pro Jahr.

    Seynsche: Und wie funktioniert diese Impfung im Maus-Versuch?

    Mrasek: Das ist ein ganz raffinierter Ansatz. Man nimmt diese allergieauslösende Substanz, also dieses sogenannte Allergen, und das wird auf gentechnischem Weg an ein Bakterienprotein gekoppelt. Das nennt sich Flagellin. Das stammt nämlich aus den Flagellen, also aus den Geißelfäden von bestimmten freischwimmenden Bakterien, die in der Umwelt vorkommen. Und dieses Flagellin appliziert man dann. Da steckt das Allergen dran, das bindet an einen bestimmten Rezeptor an der Oberfläche von Immunzellen, also dieses Flegellin. Und dadurch wird ein Botenstoff freigesetzt, der nennt sich Interleukin. Und der bremst die körpereigene Abwehr und der verhindert, dass die Immunzellen überreagieren. Es kommt also eben nicht zu so einer übertriebenen allergischen Reaktion des Körpers auf das Allergen aus der Erdnuss oder aus der Garnele.

    Seynsche: Sie sagen, es werden Bakterien, beziehungsweise Stoffe aus Bakterien genutzt. Das klingt ein bisschen nach diesem alten Ratschlag Dreck macht gesund.

    Mrasek: Das ist genau der Ansatz. Also das nennt man Hygienehypothese. Man weiß, dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufgewachsen sind oder allgemein auf dem Land aufgewachsen sind, seltener Allergien haben. Und das liegt wohl einfach daran, dass ihr Immunsystem immer mit Dreck, förmlich mit Dreck in der Umwelt zu tun hatte und dass es eben deswegen quasi normal trainiert wurde und reagiert eben entsprechend auf Dreck. Der ist ja nicht bedrohlich. Also keine Überreaktionen. Dieses Bakterienprotein, dieses Flagellin im Impfstoff, kann man jetzt praktisch gewissermaßen als einen Klumpen Dreck auffassen. Und der soll dann eben dazu führen, dass auch das Immunsystem von Allergikern wieder normal reagiert und nicht überreagiert und man zu diesen schrecklichen allergischen Reaktionen kommt.

    Seynsche: Sie sagen, es gibt diese Impfung jetzt für Mäuse. Wann könnte man denn mit einer möglichen Impfung für Menschen rechnen?

    Mrasek: Also was jetzt gemacht wird, sind eben diese Versuche mit Labormäusen. Es gibt schon welche mit Humanzellen, also mit menschlichen Immunzellen in der Petrischale, in der Kulturschale. Aber das wird noch eine Weile dauern. Die Impfstoffe für Erdnussallergene und Garnelen werden gerade entwickelt am Paul-Ehrlich-Institut. Dann schließen sich ja natürlich sowieso noch diese klinischen Studien am Menschen an. Und das wird wahrscheinlich... man könnte schätzen acht bis zehn Jahre dauern.

    Seynsche: Gehen wir mal ganz kurz noch auf andere Strategien ein. Wurde auch darüber diskutiert - zum Beispiel über Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung, also solche Strategien?

    Mrasek: Ja auch. Das nennt man in dem Fall orale Immuntherapie. Da geht man so vor, dass man zum Beispiel einem Erdnussallergiker dieses Allergen tatsächlich gibt. Der isst das erstmal in ganz, ganz kleinen Konzentrationen. Dann steigert man die und hat dann die Hoffnung, dass er irgendwann mal auf diese höheren ... wie sie in Lebensmitteln vorkommen, nicht mehr reagiert. Da gibt es tatsächlich Studien in Deutschland, in den USA. Und die werden begleitet von relativ optimistischen Aussagen der Forscher. Aber Stefan Vieths hat heute gesagt, er wäre da noch ein bisschen vorsichtig. Es hat sich nämlich angedeutet, dass das nicht dauerhaft funktioniert, das heißt, Patienten oder Allergiker, die so etwas machen würden - und würden irgendwann damit aufhören - bei denen stellt sich dann wieder dieses Allergiepotenzial ein. Man müsste das also lebenslang machen, wenn diese Hinweise stimmen. Das andere Problem ist: Man hat da gar keine Asthmatiker in den bisherigen Studien. Und Asthmatiker sind Hochrisikogruppen. Also die meisten Erdnussallergie-Todesfälle findet man bei Asthmatikern. Und die sind bisher nicht berücksichtigt, deshalb sagt der Experte Stefan Vieths: alles noch ein bisschen voreilig.