Dienstag, 23. April 2024

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Kampf gegen hohe Mieten
Schwimmender Plattenladen in London

Einen Plattenladen an Land kann sich Luke Guilford bei den horrenden Londoner Mieten nicht leisten. Deswegen er ist auf das Wasser ausgewichen und verkauft seine Platten auf einem Schiff. Er entscheidet spontan, wo er anlegt. Die Käufer stoßen zufällig auf ihn oder müssen ihn suchen.

Von Anne Demmer | 04.09.2018
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    Luke Guilford auf seinem schwimmenden Plattenladen in London (Anne Demmer )
    Luke legt mit seinem "Floating Record Deck" – seinem schwimmenden Plattenladen - da an, wo es ihm gerade gefällt. Auf Facebook schreibt er, dass er an diesem Tag irgendwo am Kanal in der Nähe der U-Bahnhaltestelle Angel im Londoner Stadtteil Islington zu finden ist. Man muss ihn erst einmal suchen. Am Rande des Kanals liegen die Hausboote Reling an Reling. Nach wenigen Minuten sieht man den schwimmenden Laden schon von Weitem. Luke hat acht verschiedene Platten-Kisten vor sein grün gestrichenes Boot an Land gestellt. Ein großer roter Sonnenschirm ist darüber aufgespannt. Luke Guilford:
    "Ich habe von allem etwas. Das meiste ist natürlich Second Hand, aber es gibt auch neue Sachen. Das hier sind einige Singles. Aretha Franklin habe ich hier ganz vorne, weil sie ja gerade gestorben ist."
    Meat Loaf in der Schnäppchenkiste
    Die Platten sind nach Genre sortiert. Country, Rock, Reggae, Folk, in der Kiste für Sammler, da gibt es beispielsweise Jimi Hendrix für 75 Pfund, in der Schnäppchenbox Meat Loaf für drei Pfund. Durch das Fenster können die Leute auch in die Plattenkisten im Boot greifen. Marvin angelt sich eine Scheibe.
    "Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn man hier in den Plattenkisten von draußen aus in dem Boot wühlt. Ich will gerade eine Platte fassen und dann ist das Boot auf einmal zu weit weg."
    Im Bootsinneren durchforstet Peter die Plattenkisten. Er spielt in einer Indie-Rock-Band, hat demnächst einen Auftritt in Düsseldorf. Er legt manchmal selbst auf, weiß aber gerade auch nicht so recht, wonach er sucht. Er testet verschiedene Platten an: "Das ist hier aus der DJ-Dancing-Kiste. Wer weiß vielleicht bringt uns das ja zum Tanzen."
    Keine Liegegebühr
    Seit rund fünf Jahren betreibt Luke den "Floating Record Store". Er lebt auch auf dem Boot. Einen richtigen Plattenladen in London kann sich der 43-Jährige nicht leisten. Die Londoner Mieten sind einfach zu hoch.
    "Ich habe zwar nur wenig Platz, alles ist eher bescheiden, aber am Ende habe ich sicher mehr Wohnraum als andere Freunde, die ein Zimmer in einer WG haben. Oder selbst eine kleine Wohnung ist möglicherweise kleiner als mein Boot. Mit dem Floating Record Deck kann ich reisen, es ist gesellig und ich habe viel Freiheit. Ich denke, ich habe genau das gefunden, was zu mir passt."
    Luke ist circa 1,90 sagt er. Bis er das passende Boot gefunden hatte, in dem er auch aufrecht stehen kann, ist einige Zeit vergangen. 12.500 Pfund hat er dafür bezahlt. Einmal im Jahr muss er eine Pauschale über 1.000 Pfund bezahlen, damit er die Kanäle nutzen kann. Solange er nicht länger als zwei Wochen an einem Ort ist, muss er auch keine Liegegebühren bezahlen.
    Die Kisten stehen direkt neben dem Bett
    Dass seine Kunden in Kisten wühlen, die direkt neben seinem Bett stehen, stört Luke nicht. Martin und seine Frau sind von dem schwimmenden Laden ganz angetan. Sie haben bereits über 1000 Platten zu Hause im Regal, unter anderem sind das Hinterlassenschaften von Ex-Partnern: "Das ist hier ein super Laden. Er hat eine wirklich gute Folk-Sektion - Martin Carthy, von dem bin ich ein großer Fan. Hier findet man Platten, die man sonst nicht sieht und gerade Folk, da sollte man zugreifen. Ich habe mal angefangen Platten zu verkaufen und es dann sehr bereut. Auf Vinyl hört sich Folk einfach am besten an."
    Er greift nach Martin Carthy, zückt das Portemonnaie. Ein anderer Kunde entscheidet sich für einen britischen Comedian. "Das ist Harry Enfield. 'Doin up the house'. Ich glaube nicht, dass Luke dachte, dass er diese Platte heute verkaufen wird. Danach habe ich eigentlich gar nicht gesucht, ich wusste noch nicht einmal, dass sie existiert."
    In einigen Tagen wird Luke wieder ablegen - wo er das nächste Mal hält, weiß er noch nicht.