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Kampf gegen Mohn- und Coca-Felder

Ein Besuch der kanadischen Menschenrechtsorganisation "Recht und Demokratie" vor einigen Wochen in Kolumbien brachte es erneut an den Tag: ein Großteil der Entwicklungsgelder der USA für Kolumbien fließt an das Militär und an die Polizei, die die Finanzhilfen einsetzen im Kampf gegen die Koka- und Mohnfelder, in dem sie von Flugzeugen aus Gift verspritzen. Dabei werden aber nicht nur die Felder zur Rauschgiftproduktion zerstört, sondern auch andere Äcker, Wälder und Flüsse vergiftet, heißt es in dem Bericht der Organisation.

Von Stefan Haufe |
    Die Drogenpolitik der Amerikaner folgt der Devise, dass der Handel mit Rauschmitteln, wie Haschisch oder Kokain bereits im Keim erstickt werden muss. Das ist nicht nur sprichwörtlich zu verstehen. Denn seit Ende 1999 sprühen US-amerikanische Flugzeuge in Kolumbien in verstärktem Maße Herbizide, um Felder mit Koka, Marihuana oder Schlafmohn zu zerstören. Diese Maßnahmen sind Teil des sogenannten Plan Colombia, der von Kolumbien und den USA 1999 initiiert wurde, um das lateinamerikanische Land zu befrieden.

    Bettina Reis von der Deutschen Menschrechtskoordination Kolumbien erklärt, was in dem Plan zum Thema Drogen festgehalten wird:

    In dem Plan ist eigentlich vorgesehen, dass in einem Zeitraum von 6 Jahren die Drogenanbaufelder vernichtet werden sollen. In Kolumbien ist es so, dass bis jetzt schon fast 40 Prozent der Anbaufläche von Koka durch Sprühaktionen vernichtet worden, - 50.000 Hektar.

    Insgesamt rechnet man mit ungefähr 160.000 Hektar. Die Anbaufläche hat sich damit in den letzten 25 Jahren verachtfacht - trotz Sprühaktionen.

    Im Juli dieses Jahres forderten darum 6 Gouverneure, die Sprühaktionen zu stoppen. Die Gouverneure prangern die Erfolglosigkeit der Besprühungen an und weisen auf die Gefahren für Mensch und Umwelt hin.

    Das Gift, welches gesprüht wird, heißt Glyphosat. Es ist ein übliches Mittel zur Unkrautbekämpfung. Seit längerem allerdings steht der Vorwurf im Raum, das dem Sprühstoff weitere Chemikalien hinzugefügt werden, unter anderem Cosmo-flux. Das ist ein Zusatzstoff, der nach Aussagen der kolumbianischen Umweltaktivistin Elsa Nivia, die Giftigkeit von Glyphosat um das Achtfache steigert. Der Leiter der für die Drogenbekämpfung in Kolumbien zuständigen Behörde Gabriel Merchan, bestätigte dass das Zusatzmittel Cosmo-flux, der Sprühflüssigkeit zugefügt wurde. Die Wirkung des Gemisches sei aber getestet worden und Schädigungen nicht feststellbar gewesen.

    Ein Sprecher des Umweltministeriums in Bogota widersprach dieser Ansicht. Seine Behörde ist dafür verantwortlich, alle eingesetzten Chemikalien auf ihre Wirkungsweise zu überprüfen. Ein Test von Cosmo-flux ist seines Wissens bisher nicht erfolgt. Daraufhin räumte auch Merchant, den Bedarf weiterer Tests ein. Diese widersprüchlichen Bewertungen führten im August dieses Jahres dazu, dass die Sprühaktionen von einem kolumbianischen Gericht gestoppt wurden. Nach 11 Tagen widerrief das Gericht sein eigenes Urteil. Ann Patterson, die US-Botschafterin in Kolumbien, hatte zuvor gewarnt, dass die Hilfszahlungen der USA aussetzten, wenn die Sprühaktionen nicht fortgesetzt würden.

    In den USA, wo das Gift hergestellt wird, lässt die amerikanische Regierung jetzt die Wirkung von Glyphosat erneut untersuchen. Bisher wurde von dieser Stelle eine schädliche Wirkung des Mittels bestritten.

    Die von den Sprühaktionen betroffen Menschen klagen über Hautreizungen und Magenbeschwerden. Es kommt zu Verstümmlungen bei Neugeborenen. Auch bei Tieren werden solche Erscheinungen beobachtet. Laut Aussagen von Dr. Doris Sarasty, der Leiterin des Krankenhauses in Pasto, der Hauptstadt der Drogenprovinz Narino, häufen sich solche Krankheiten immer, nachdem die Sprühaktionen erfolgt sind. Ihrer Meinung nach sollten deshalb mindestens neue Untersuchungen der Sprühsubstanzen vorgenommen werden.

    In den Drogenanbaugebieten steht zudem Gewalt auf der Tagesordnung. Paramilitärische Verbände kämpfen, unterstützt vom Staat gegen linke Guerillagruppen, wie z.B. das nationale Befreiungsheer ELN. Doch die Fronten verwischen sich. Denn beide Gruppierungen finanzieren ihren Kampf über den Drogenhandel. Die kriegerischen Auseinandersetzungen führen dazu, dass die amerikanischen Sprühflugzeug nicht die für den Erfolg der Besprühungen vorgeschriebene Tiefe fliegen können. Denn je niedriger sie fliegen, desto größer ist die Gefahr, dass sie von einer der Rebellengruppen abgeschossen werden. In der Gebrauchsanweisung für Glyphosat wird darauf hingewiesen, dass das Gift aus nicht mehr als zehn Meter Höhe gesprüht werden darf.

    Die Gifte aus der Luft werden weit über ihren Bestimmungsort hinaus verbreitet und greifen auf andere Felder mit Kartoffeln, Maniok oder Bananen über. Erst vor kurzem wurden Kaffeefelder eines GTZ -Projektes für Biokaffee durch das Gift vernichtet.

    Viele Kleinbauern bestellen einen Teil ihrer Felder mit Drogenpflanzen, weil sie oftmals die einzige Einnahmequelle darstellen. Bettina Reis macht die Liberalisierung der Agrarmärkte dafür verantwortlich:

    Kolumbien ist ein sehr, sehr reiches Land, was die Möglichkeiten von Landwirtschaft angeht. Aber sie haben in Kolumbien heute das sie Reis importiert haben. Der Reis kommt aus den USA, aus Venezuela, aus Thailand. Es fehlt an Alternativen.

    Schon seit langem ist deutlich geworden, dass die Sprühaktionen nicht ihren Zweck erfüllen, sondern mehr und mehr in ein Dilemma führen. Nichtregierungsorganisationen wie auch kolumbianische Gouverneure fordern darum, die Drogenpflanzen ausschließlich mit der Hand auszureißen. An erster Stelle aber ist es ihrer Meinung nach notwendig, den Bauern echte Alternativen für Koka, Marihuana oder Mohn anzubieten.

    Einige Abgeordnete im kolumbianischen Parlament fordern zudem eine gewisse Freigabe des Drogenhandels, um die Lage zu entschärfen.

    Die Gouverneure warnten davor, dass bis zu 35 000 Bauern in einen Aufstand rücken könnten, wenn sich die Situation weiter zuspitzt.

    Die Herausforderung liegt in den globalen Ausmaßen des Problems. Bettina Reis fordert, dass sich Konsum- und Anbauländer zu ihrer geteilten Verantwortung bekennen. Sie hält es für verfehlt, das schwächste Glied in der Kette, die Kokabauern, anzugreifen und dort wo die wirklich großen Umsätze vonstatten gehen, getrost weiter zu machen, wie bisher. Reis kommt so zu dem Schluss:

    Das Drogenanbauproblem ist ein soziales Problem, das nur durch einen integralen Ansatz von Maßnahmen der alternativen Entwicklung und eben überhaupt nicht durch Besprühungsaktionen gelöst werden kann.