Becker: Jung sein ist keine besondere Leistung, das ist eigentlich klar. Tatsache ist trotzdem, dass Arbeitnehmer, die älter als 45 sind häufig als zu alt, als zu unflexibel und als schwer vermittelbar gelten. Eine andere Tatsache ist, dass wir alle in Zukunft länger arbeiten müssen, Stichworte sind leere Rentenkassen und Geburtenrückgang. Der Trend geht also hin zu Arbeiten bis 67 oder länger. In Berlin werden heute die Forschungsergebnisse eines dreijährigen europäischen Forschungsprojekts mit dem Titel, "respect", vorgestellt. Unternehmen wie Daimler-Chrysler, die Deutsche Bank und Fin Air haben zusammen mit wissenschaftlichen Instituten Konzepte entwickelt, wie Ältere locker länger arbeiten können. Vor der Sendung habe ich darüber mit Peter Knaut gesprochen, Leiter der Abteilung Arbeitswissenschaft im Institut für Industriebetriebslehre der Universität Karlsruhe. Ich habe ihn gefragt, ob er an die Einschätzung glaubt, dass ältere Arbeitnehmer weniger leistungsfähig sind?
Knaut: Nein, natürlich nicht. Ältere haben einiges zu bieten, denken Sie nur an das Erfahrungswissen, denken Sie daran, dass Ältere verantwortungsbewusst arbeiten, überlegter handeln und Ähnliches. Nur das Problem ist, dass viele Führungskräfte ein Defizitmodell im Kopf haben, das heißt für sie ist Älterwerden gleich schlechtere Leistung, in der Regel nehmen sie sich dabei selbst aus. Diese Denkhaltung muss verändert werden, wenn man überhaupt etwas verändern will.
Becker: Würden Sie denn sagen, nach diesen dreijährigen Forschungsarbeiten, dass Ältere regelrecht diskriminiert werden?
Knaut: Es gibt sicher einige Bereiche, wo Ältere diskriminiert werden. Das gilt zum Beispiel bei der Einstellung. Es werden also kaum Personen über 45 eingestellt, da gäbe es sehr viel zu tun.
Becker: Als da wäre? Was würden Sie vorschlagen, was gäbe es da zu tun, was kann man konkret ändern, um diese Einstellungspraxis oder auch eben dieses Bild in den Köpfen eben zu verändern?
Knaut: Wir können da sehr viel von Finnland lernen, die haben schon vor 20 Jahren angefangen, sich mit dieser Problematik zu befassen, haben dann ein nationales Programm gemacht mit den Sozialpartnern und haben dann so genannte Age-Awareness-Seminare, da ging es darum Führungskräfte für die Problematik zu sensibilisieren, durchgeführt. Und haben damit etwas in Gang gesetzt, was wirklich nachahmenswert ist. Wir haben das Gleiche auch hier in Deutschland gemacht, wir haben solche Sensibilisierungsworkshops für Führungskräfte gemacht.
Becker: Was genau haben Sie da gemacht?
Knaut: Da hat man erst mal die Führungskräfte sich eine ganze Weile mit ihrem eigenen Älterwerden beschäftigen lassen und erst dann kommen so Aha-Erlebnisse, Wunschvorstellungen, Ängste und so zu Tage. Erst dann hat man eine gewisse Offenheit, wenn man dann mit der Führungskraft zum Beispiel sich anschaut, wie sieht denn die Altersstruktur in ihrer Abteilung aus, wie wird die in fünf Jahren aussehen, was kann ich denn alles tun, um da ein Konzept zu entwickeln? Wenn man so ein ganztägiges Seminar gemacht hat, dann stehen zum Schluss ganz klare Aktionsfelder und ganz klare Programme, was alles getan werden kann, fest.
Becker: Was könnte das sein? Oder welche Problem- und Aktionsfelder haben Sie dabei herausgearbeitet?
Knaut: Es gibt im Wesentlichen drei Aktionsfelder. Einmal die Arbeitsorganisation, zum Zweiten Qualifizierung und zum Dritten Gesundheit. Arbeitsorganisation zum Beispiel, wenn ich körperliche Arbeit habe, sagen wir, am Fließband, dann ist es natürlich sinnvoll, dass man eine alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung macht, dass man die Arbeitsplätze so gestaltet, dass man da älter wird und nicht verschlissen wird und dann nach einer Weile abgeschoben wird. Ein zweiter Punkt ist zum Beispiel die Arbeitszeitgestaltung. Wir haben neue Schichtplanpläne, die für Ältere günstiger sind, zum Beispiel bei der Fin Air eingeführt und ganz fantastische Ergebnisse nach einem Jahr. Wir haben dann nach einem Jahr noch einmal nachgefragt.
Becker: Das heißt, das sind kürzere Arbeitszeiten oder wie sehen die neuen Schichtzeiten aus?
Knaut: Die sehen einfach anders aus. Da sind zum Beispiel nur eine Frühschicht, eine Spätschicht, eine Nachtschicht hintereinander, während früher zum Beispiel ein Wochenwechsel war oder längere Schichtfolgen. Ein weiterer Punkt bei der Arbeitsorganisation sind zum Beispiel Kurzpausen, ältere Menschen brauchen mehr Erholungsphasen und wenn man mehr Kurzpausen in die Arbeitszeit einstreut, dann sind die abends nicht so kaputt. Zweiter Punkt ist: Qualifizierung, professionelle Kompetenz. Stellen Sie sich vor, ein Älterer sitzt in einem Weiterbildungskurs, in dem es um Computerwissen geht. Der hat natürlich mordsmäßig Angst, dass er sich blamiert vor den jüngeren Teilnehmern, die sind da alle flotter. Deshalb haben wir altersgemäße Didaktik entwickelt, sodass Ältere adäquat trainiert werden. Dazu mussten wir dann erst die Trainer trainieren und den Trainern beibringen, wie denn Ältere lernen. Dann ein ganz wichtiger Punkt ist zum Beispiel Erfahrungsaustausch zwischen Erfahrenen und weniger Erfahrenen, die Erfahrenen sagen sich, warum soll ich einen Jüngeren schlau machen, wenn ich danach entlassen werde, da mache ich mich ja nur überflüssig. Da haben wir dann so Modelle ausprobiert, wo beide Seiten von profitieren, der Jüngere und der Ältere. Mal ein Beispiel: wir haben dann so Tandems gebildet, ein Älterer und ein Jüngerer werden zusammengespannt, da muss natürlich die Chemie stimmen. Dann hat zum Beispiel der Jüngere dem Älteren Computer beigebracht und der Ältere hat dem Jüngeren gezeigt, wie die informellen Netzwerke in der Firma sind, wie bestimmte wichtige Kunden angesprochen werden müssen und solche Dinge. Also solches Wissen kann man nicht in Datenbanken ablagern, das wird von Person zu Person weitergegeben und das klappt halt nur, wenn beide Seiten davon profitieren.
Becker: Gibt es auch Ratschläge, die Sie älteren oder vielleicht auch jüngeren Leuten heute schon mit auf den Weg geben würden, was sie selber tun können, um auch als ältere Arbeitnehmer attraktiv zu sein für Arbeitnehmer?
Knaut: Es gibt dieses Schlagwort vom lebenslangen Lernen oder von der employability, man muss sich arbeitsmarktfähig halten. Dieses Bewusstsein ist in vielen Generationen nicht ausgeprägt bei uns. Da wird man gar nicht dran vorbeikommen, früher hat man halt einen Beruf gelernt und hat den bis zum Lebensende durch machen können, aber in Zukunft wird man sehr viel häufiger wechseln müssen, also völlig neue Tätigkeiten machen müssen, das heißt man muss sich neben der normalen Tätigkeit auch immer noch weitere Standbeine oder weiter Qualifikationen aneignen, damit man halt arbeitsmarktfähig bleibt.
Becker: Vielen Dank, Peter Knaut, Leiter der Abteilung Arbeitswissenschaft im Institut für Industriebetriebslehre der Universität Karlsruhe.
Knaut: Nein, natürlich nicht. Ältere haben einiges zu bieten, denken Sie nur an das Erfahrungswissen, denken Sie daran, dass Ältere verantwortungsbewusst arbeiten, überlegter handeln und Ähnliches. Nur das Problem ist, dass viele Führungskräfte ein Defizitmodell im Kopf haben, das heißt für sie ist Älterwerden gleich schlechtere Leistung, in der Regel nehmen sie sich dabei selbst aus. Diese Denkhaltung muss verändert werden, wenn man überhaupt etwas verändern will.
Becker: Würden Sie denn sagen, nach diesen dreijährigen Forschungsarbeiten, dass Ältere regelrecht diskriminiert werden?
Knaut: Es gibt sicher einige Bereiche, wo Ältere diskriminiert werden. Das gilt zum Beispiel bei der Einstellung. Es werden also kaum Personen über 45 eingestellt, da gäbe es sehr viel zu tun.
Becker: Als da wäre? Was würden Sie vorschlagen, was gäbe es da zu tun, was kann man konkret ändern, um diese Einstellungspraxis oder auch eben dieses Bild in den Köpfen eben zu verändern?
Knaut: Wir können da sehr viel von Finnland lernen, die haben schon vor 20 Jahren angefangen, sich mit dieser Problematik zu befassen, haben dann ein nationales Programm gemacht mit den Sozialpartnern und haben dann so genannte Age-Awareness-Seminare, da ging es darum Führungskräfte für die Problematik zu sensibilisieren, durchgeführt. Und haben damit etwas in Gang gesetzt, was wirklich nachahmenswert ist. Wir haben das Gleiche auch hier in Deutschland gemacht, wir haben solche Sensibilisierungsworkshops für Führungskräfte gemacht.
Becker: Was genau haben Sie da gemacht?
Knaut: Da hat man erst mal die Führungskräfte sich eine ganze Weile mit ihrem eigenen Älterwerden beschäftigen lassen und erst dann kommen so Aha-Erlebnisse, Wunschvorstellungen, Ängste und so zu Tage. Erst dann hat man eine gewisse Offenheit, wenn man dann mit der Führungskraft zum Beispiel sich anschaut, wie sieht denn die Altersstruktur in ihrer Abteilung aus, wie wird die in fünf Jahren aussehen, was kann ich denn alles tun, um da ein Konzept zu entwickeln? Wenn man so ein ganztägiges Seminar gemacht hat, dann stehen zum Schluss ganz klare Aktionsfelder und ganz klare Programme, was alles getan werden kann, fest.
Becker: Was könnte das sein? Oder welche Problem- und Aktionsfelder haben Sie dabei herausgearbeitet?
Knaut: Es gibt im Wesentlichen drei Aktionsfelder. Einmal die Arbeitsorganisation, zum Zweiten Qualifizierung und zum Dritten Gesundheit. Arbeitsorganisation zum Beispiel, wenn ich körperliche Arbeit habe, sagen wir, am Fließband, dann ist es natürlich sinnvoll, dass man eine alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung macht, dass man die Arbeitsplätze so gestaltet, dass man da älter wird und nicht verschlissen wird und dann nach einer Weile abgeschoben wird. Ein zweiter Punkt ist zum Beispiel die Arbeitszeitgestaltung. Wir haben neue Schichtplanpläne, die für Ältere günstiger sind, zum Beispiel bei der Fin Air eingeführt und ganz fantastische Ergebnisse nach einem Jahr. Wir haben dann nach einem Jahr noch einmal nachgefragt.
Becker: Das heißt, das sind kürzere Arbeitszeiten oder wie sehen die neuen Schichtzeiten aus?
Knaut: Die sehen einfach anders aus. Da sind zum Beispiel nur eine Frühschicht, eine Spätschicht, eine Nachtschicht hintereinander, während früher zum Beispiel ein Wochenwechsel war oder längere Schichtfolgen. Ein weiterer Punkt bei der Arbeitsorganisation sind zum Beispiel Kurzpausen, ältere Menschen brauchen mehr Erholungsphasen und wenn man mehr Kurzpausen in die Arbeitszeit einstreut, dann sind die abends nicht so kaputt. Zweiter Punkt ist: Qualifizierung, professionelle Kompetenz. Stellen Sie sich vor, ein Älterer sitzt in einem Weiterbildungskurs, in dem es um Computerwissen geht. Der hat natürlich mordsmäßig Angst, dass er sich blamiert vor den jüngeren Teilnehmern, die sind da alle flotter. Deshalb haben wir altersgemäße Didaktik entwickelt, sodass Ältere adäquat trainiert werden. Dazu mussten wir dann erst die Trainer trainieren und den Trainern beibringen, wie denn Ältere lernen. Dann ein ganz wichtiger Punkt ist zum Beispiel Erfahrungsaustausch zwischen Erfahrenen und weniger Erfahrenen, die Erfahrenen sagen sich, warum soll ich einen Jüngeren schlau machen, wenn ich danach entlassen werde, da mache ich mich ja nur überflüssig. Da haben wir dann so Modelle ausprobiert, wo beide Seiten von profitieren, der Jüngere und der Ältere. Mal ein Beispiel: wir haben dann so Tandems gebildet, ein Älterer und ein Jüngerer werden zusammengespannt, da muss natürlich die Chemie stimmen. Dann hat zum Beispiel der Jüngere dem Älteren Computer beigebracht und der Ältere hat dem Jüngeren gezeigt, wie die informellen Netzwerke in der Firma sind, wie bestimmte wichtige Kunden angesprochen werden müssen und solche Dinge. Also solches Wissen kann man nicht in Datenbanken ablagern, das wird von Person zu Person weitergegeben und das klappt halt nur, wenn beide Seiten davon profitieren.
Becker: Gibt es auch Ratschläge, die Sie älteren oder vielleicht auch jüngeren Leuten heute schon mit auf den Weg geben würden, was sie selber tun können, um auch als ältere Arbeitnehmer attraktiv zu sein für Arbeitnehmer?
Knaut: Es gibt dieses Schlagwort vom lebenslangen Lernen oder von der employability, man muss sich arbeitsmarktfähig halten. Dieses Bewusstsein ist in vielen Generationen nicht ausgeprägt bei uns. Da wird man gar nicht dran vorbeikommen, früher hat man halt einen Beruf gelernt und hat den bis zum Lebensende durch machen können, aber in Zukunft wird man sehr viel häufiger wechseln müssen, also völlig neue Tätigkeiten machen müssen, das heißt man muss sich neben der normalen Tätigkeit auch immer noch weitere Standbeine oder weiter Qualifikationen aneignen, damit man halt arbeitsmarktfähig bleibt.
Becker: Vielen Dank, Peter Knaut, Leiter der Abteilung Arbeitswissenschaft im Institut für Industriebetriebslehre der Universität Karlsruhe.