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Kampf-Kultur im Käfig oder brutaler Live-Horror?

In "Mixed Martial Arts" geht es um Käfigkämpfe. Ein neuer Kampfsport ist das, eine Art moderner Gladiatorenkampf, bei der sich die Kontrahenten so richtig weh tun dürfen: Fast alles ist da erlaubt . Auch wenn ein Kämpfer bereits am Boden liegt, darf der Gegner noch zuschlagen.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    In den USA sind diese modernen Gladiatorenkämpfe angeblich bereits populärer als Boxkämpfe - das behaupten jedenfalls die Veranstalter, die nun in Köln das erste "Mixed Martial Arts"-Spektakel auf deutschem Boden präsentierten.

    Eine achteckige Bühne und ein Gitterzaun, der sie zum Käfig macht: das sind Inszenierungselemente, die es in sich haben. Das Achteck verdoppelt die Gestalt des herkömmlichen Boxrings, und während dieser von gespannten Seilen umgeben wird, ist es nun Maschendraht, der die Kampfstätte begrenzt.

    Ein Hauch von Gefängnis weht durch die Halle – oder auch von Löwennummer im Zirkus. Sind die MMA-Kämpfer so tierisch gefährlich, dass sie auszubrechen drohen und man das Publikum mit solchen Installationen vor ihnen schützen muss? Das metallene Gehege wirkt wie der Maulkorb von Hannibal Lecter: bildstark, gruselerzeugend, umsatzfördernd.

    Schon im Vorfeld ist der zuverlässige Volksmotor der Empörung angesprungen, und die üblichen Öffentlichkeitsagenten haben alles Übliche gesagt über Schmutz aus den USA, über sittliche Verrohung und über Jugendschutz. Wenig gesagt wurde über die Kategorie der Freiwilligkeit, die dem Gewalt-Gerede einen Großteil des Bodens entzieht. Denn Gewalt definiert sich gerade dadurch, dass sie gegen den Willen des oder der davon Betroffenen gerichtet ist. Boxen ist keine Gewaltanwendung gegen Boxer, jedenfalls nicht im sportlichen Kontext.

    Und doch fließt beim Boxen manchmal Blut und manchmal passiert Schlimmeres. Nicht Gewalt, sondern Gefahr bildet daher den Hintergrund, an dem das Publikum Geschmack findet. Das gilt allerdings auch für Formel 1-Rennen oder Skispringen, auch dort gibt es eine Tendenz zur Verschärfung des Kitzels. Und selbstverständlich kann man auch darin Verrohungstendenzen erkennen und sich darüber moralisch entrüsten.

    Dieser Entrüstungsdiskurs führt seinerseits ein Eigenleben, zu dem er bloß ab und zu eine Ladung Brennstoff braucht. Die liefert unsere Spektakelgesellschaft mit ständig neuen Tabubrüchen und Grenzüberschreitungen: hier die Ausstellung plastinierter Leichen, dort eine Fernsehserie über bis zum Koller in Container eingesperrte Menschen oder über Teenies mit geliehenen Babies.

    Die dadurch angestoßenen Moraldebatten ersetzten als Bürgerbeschäftigung mehr und mehr die klassischen Politikdebatten. Die gesellschaftliche Selbstverständigung dreht sich nicht mehr um Freiheit oder Sozialismus und schon gar nicht um Krieg oder Frieden, sondern zunehmend um Fragen wie: Soll man Ekelsendungen verbieten? Oder wie wirkt sich die Mischung von Boxen, Ringen, Karate und Taekwondo auf ungefestigte Seelen aus.

    Die Transgression liegt in der Mischung selber. Der nächste Schritt wäre eine Kampfsportart mit Babies und plastinierten Leichen im Container. Das wäre zugleich die ideale Wahlkampfsportart.