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Kampf um Galapagos

Umwelt. - Als Irenäus Eibl-Eibesfeld mit einer Forschergruppe die Galapagos-Inseln in den 50er Jahren besuchte, fand er ein sterbendes Tierparadies vor. Viele einmalige Tier- und Pflanzenarten drohten zu verschwinden. Seine aufrüttelnden Berichte führten zur Gründung der Charles-Darwin-Foundation und des Nationalparks. Nun ist das einzigartige Ökosystem der Inseln erneut ernsthaft bedroht.

Von Udo Vieth | 08.06.2009
    Es ist sieben Uhr früh am Morgen, erste Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die für Galapagos so typischen, nasskalten Nebelschwaden. Zahlreiche Bewohner der kleinen Hafenstadt sind an Bord, um ihre bestellten Waren direkt an Deck in Empfang zu nehmen. Der Frachter Carmina liegt in der Bucht von Puerto Ayora auf der Insel Santa Cruz. Nahezu alle Versorgungsgüter müssen nach Galapagos importiert werden. Vom Dieseltreibstoff für die Stromversorgung bis zu den Nahrungsmitteln für Touristen und Siedler. Alle Waren werden von staatlichen Inspektoren untersucht.

    "Auf dem Festland inspiziert man alle Arten von Fracht, die auf das Schiff geladen werden. Das ist ein erster Filter, der zweite Filter findet hier auf den Galapagos-Inseln statt."

    Der Biologe Randy Rivera interessiert sich besonders für die Lebensmittellieferungen. Gerade mit diesen Gütern gelangen oft Parasiten, Krankheitskeime, Tiere und Pflanzen auf die Inseln. Vor einigen Wochen ist die mediterrane Fruchtfliege eingschleppt worden. Wahrscheinlich in einer Ladung Orangen, die für einen Supermarkt bestimmt waren.

    "Die Fruchtfliege Ceratitis capitata ist eine gefährliche Plage, denn sie kann sehr viele verschiedene Kulturarten befallen und ihre Früchte verfaulen lassen. Sie ist eine riesige Bedrohung für die Galapagos-Inseln."

    Über 200 neue Arten kamen in den letzten zehn Jahren nach Galapagos.. Darunter Parasiten, die das Blut von Finkenjungen saugen oder Malariaerreger, die Pinguine befallen. Wie die mediterrane Fruchtfliege wurden auch sie frühzeitig entdeckt und konnten bisher effektiv bekämpft werden. Aber die Erfahrungen zeigen, dass nicht alle invasiven Arten in den Griff zu kriegen sind.

    In den Hügeln über der Hafenstadt Puerto Ayora gehen Ranger des Nationalparks mit ihren Macheten gegen einen der zähesten "Invasoren" der Galapagos-Inseln vor. Die Brombeere. Mit Touristen und Siedlern kam sie auf die Insel. Jetzt breitet sie sich immer weiter aus und bedroht die einmaligen Scalesia-Wälder auf Galapagos. Die Scalesiapflanzen bilden die Lebensgrundlage in dieser Inselhöhe und gehören zur Familie der Gänseblümchengewächse. Auf Galapagos wachsen ihre dünnen und brüchigen Stämme bis zu sechs Meter hoch. Der dichte Brombeerteppich erstickt nun großflächig die Pflanzen und verhindert die Regeneration des Waldes nach den regelmäßig auftretenden Winterstürmen.

    "Deswegen hat man heute angefangen diese Wälder von der Brombeere wieder zu befreien und versucht sie mit Herbiziden auszurotten oder auch mit mechanischen Mitteln, also der Machete. Aber das ist ein ziemlicher Kampf und eigentlich kann man botanisch besser davon sprechen, dass man die Pflanze nicht mehr ausrotten kann, sondern nur kontrollieren kann. Also wenn man die Pflanze kontrollieren könnte, wäre damit sehr viel gewonnen."

    Der Biologe Frank Bungert vom Charles Darwin Institut in Puerto Ayora befürchtet, dass in Zukunft noch mehr invasive Arten ankommen werden, die schwer oder gar nicht mehr zu bekämpfen sind. Ursache, so sein Kollege Felipe Cruz, ist der rapide anwachsende Personen - und Warenverkehr auf die Inseln

    "Galapagos rückt in den Fokus von großen Companies, die hierher kommen wollen, die wollen Massentourismus, den Galapagos nicht unterstützen kann. Wenn wir zurückschauen - früher, da hatten wir 12.000 Besucher und ungefähr 3000 Einwohner. Jetzt haben wir 160.000 Besucher und 25.000 vielleicht 30.000 Einwohner."

    Wer auf Galapagos nur paradiesische Ruhe und Abgeschiedenheit erwartet, wird überrascht sein. Auf drei der großen Inseln gibt es heute Hotels, Restaurants und Internetcafes. Alle zehn Jahre verdoppelt sich die Bevölkerungszahl, viele leben hier illegal.

    "Wir haben hier so eine Frontier-Mentalität, kommt hierher, nehmt soviel ihr kriegen könnt und dann wieder weg. Die wenigsten Leute, die hier ankommen, wollen hier bleiben, die meisten wollen Geld machen und wieder weggehen."

    Seit Jahren gibt es strenge Zuzugsregeln, aber es ist niemand da, der sie durchsetzt. Und so gelten mittlerweile mehr als die Hälfte aller endemischen Tierarten und jede fünfte Pflanzenart als bedroht. - In den Verteilungskämpfen bleibt der Umweltschutz zunehmend auf der Strecke.