Mein Lebensweg begann mit einer glücklichen Kindheit, in der ich ein tiefes Bewusstsein für die Ungleichheiten in meiner Umgebung entwickelte. Ich begriff, was systematische und brutale Diskriminierung, was Krieg und Tod für Millionen von Menschen bedeutete, die seelisch schwer beschädigt wurden, bevor sie das Erwachsenenalter erreicht hatten. Ich war umgeben von den Freunden und Weggefährten meiner Eltern, die vor Lust auf das Leben sprühten und zugleich voller Ernst für die Veränderungen der Welt, in der sie lebten kämpften.
Denis Goldberg wurde am 11. April 1933 als Jude mit litauischen Vorfahren in Kapstadt geboren. Die Großeltern waren vor Pogromen gegen Juden in Litauen über England nach Südafrika geflüchtet. Politik wurde im Hause Goldberg groß geschrieben. Ständig gingen Freunde seiner Eltern - mit allen möglichen Hautfarben und aus unterschiedlichen linken Gruppierungen - bei ihnen ein und aus. Das politische Bewusstsein seiner Eltern infizierte auch ihn, politisch aktiv wurde er aber erst gegen Ende seines Studiums - gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau Esmé organisierte der 20-Jährige Alphabetisierungskurse, nahm an Demonstrationen teil. Von da an habe es kein Zurück mehr gegeben, schreibt Denis Goldberg:
Wir wollten Weiße von ihrer Unterstützung der Apartheid abbringen, den Rassismus im Prozess der Befreiung langsam abbauen und gemeinsam lernen, wie man sich und andere organisiert, Menschen mobilisiert und zum Widerstand gegen die Unterdrückung motiviert. Ich fürchte, wir besser gestellte Weißen hielten uns für eine eigene besondere "Aktionsgruppe", die andere aufrief, für die eigenen Interessen einzutreten, während diese bei Protesten die volle Wucht der Repressionen ertragen mussten, stellt Denis Goldberg selbstkritisch fest. Eine Gewissensfrage, die ihn fortan bei seinem weiteren Kampf gegen die Rassentrennung ständiger Begleiter sein sollte, immer wieder klingt sie in seiner Biografie an. Weiße Kämpfer gegen die Apartheidspolitik - in gängige Schubladen waren sie nicht einzuordnen. Von vielen Schwarzen misstrauisch beäugt, weil sie sich ausgerechnet als Weiße im Freiheitskampf engagierten, wurden sie von vielen Weißen andererseits als "Verräter der eigenen Rasse" beschimpft. Nach dem Studium gründete Goldberg mit rund 200 Genossen den weißen "Congress of Democrats", der den African National Congress, den ANC, unterstützt. Doch als die Repressionen des Staates gegen den gewaltlosen Widerstand der Anhänger immer stärker wurden, war für Goldberg schnell klar, auf diese Weise nichts erreichen zu können - und trat dem bewaffneten Flügel des ANC bei. Der friedliche Widerstand, wie ihn sein großes Vorbild Mahatma Gandhi gelebt hatte - für Goldberg in Südafrika ohne Chance auf Erfolg:
Mir war im Kampf nicht jedes Mittel recht, aber ich hatte keine Zweifel, dass in Südafrika gegen die Polizei- und Militärkräfteein bewaffneter Kampf notwendig war. Ein von Prinzipien geleiteter Kampf: Wir wollten nicht mit terroristischen Methoden vorgehen, etwa gegen Individuen oder unbeteiligte Zivilisten. Wir kämpften für ein politisches Ziel, die Freiheit, und niemals zum eigenen persönlichen Vorteil. Unsere Gegner waren die Polizei- und Militärkräfte des Staates. Nur so konnten wir der weißen Minderheitsbevölkerung zeigen, dass sie nicht bis in alle Ewigkeit regieren konnte.
Von da aus war es kein langer Weg mehr zu dem Entschluss, in den Untergrund zu gehen. Denoch keine leichte Entscheidung für Denis Goldberg. Er schildert detailreich die inneren Konflikte, Frau Esmé und ihre beiden Kinder alleine zu lassen, die Angst davor, sich von der Familie zu entfremden, kein guter Vater sein zu können. Doch der Wille, in Südafrika politisch etwas verändern zu wollen, sei stärker gewesen, schreibt der weiße Widerstandskämpfer. Also lernte er Landminen und Handgranaten zu bauen und leitete ein militärisches Trainingscamp. Sein Spitzname: Mister Technico. Doch schon kurze Zeit später flog die Gruppe auf. Fast die gesamte Leitung des militärischen ANC-Flügels wurde auf ihrem heimlichen Sitz, einer Farm in Rivonia gefasst - und des Hochverrats und der Sabotage angeklagt. Der berühmte Rivonia-Prozess in Pretoria endete nach acht Monaten im Juni 1964 für Denis Goldberg mit viermal lebenslänglich. Eine unglaubliche Erleichterung, schreibt er. Denn er und Mitstreiter wie Nelson Mandela hatten mit dem Todesurteil gerechnet:
Während der Richter sprach, erhellten sich die Gesichter meiner Comrades vor Erleichterung und Freude zum schönsten Lächeln und am Ende lachten wir alle laut auf. Ich war überglücklich, am Leben zu bleiben, auch wenn es für lange Zeit hinter Gittern sein würde. Ich war erst 31 Jahre alt und ich konnte mich nicht damit abfinden, dass mein Leben zu Ende sein sollte. Meine Mutter war im Gerichtssaal und hatte im Tumult nicht hören können, was der Richter gesagt hatte. Sie rief: "Was ist?" Und ich rief zurück: "Leben! Leben ist wunderbar".
22 Jahre dauerte die Haft. Detailliert beschreibt Goldberg den Alltag - immer getrieben von der inneren Unruhe, nichts mehr ausrichten zu können.
Obwohl Denis Goldberg bis lange nach seiner Haftentlassung gebraucht hat, um seine "Stimme" zu finden - wie er schreibt - ist ihm seine Biografie eine Herzensangelegenheit. Offen und warmherzig erzählt er seine Geschichte, seinen "Auftrag" stets im Blick: An die Südafrikaner zu erinnern, die den Sieg über die Apartheid nicht mehr erlebten, weil sie zuvor in den Gefängnissen oder bei Verhören getötet worden waren. Unzählige Fotos seiner Mitstreiter begleiten den Leser durch Goldbergs Geschichte, und reihen den persönlichen Lebensbericht ein in die gesamte Anti-Apartheids-Bewegung. Zusätzliche Informationen, Originaldokumente und Interviews finden sich auf der beigelegten DVD.
Wer den Kampf um Gleichberechtigung aus der Innensicht verstehen will, kommt an Denis Goldbergs AutoBiografie nicht vorbei. Denn sie zeigt vor allem eins: Es braucht einen unerschöpflichen Optimismus, die Welt verändern zu wollen.
Melanie Longerich über Dennis Goldberg: "Der Auftrag. Ein Leben für die Freiheit in Südafrika". Das Buch ist erschienen bei Assoziation A, 304 Seiten kosten 19 Euro 80, ISBN: 978-3-935936-90-3.
Denis Goldberg wurde am 11. April 1933 als Jude mit litauischen Vorfahren in Kapstadt geboren. Die Großeltern waren vor Pogromen gegen Juden in Litauen über England nach Südafrika geflüchtet. Politik wurde im Hause Goldberg groß geschrieben. Ständig gingen Freunde seiner Eltern - mit allen möglichen Hautfarben und aus unterschiedlichen linken Gruppierungen - bei ihnen ein und aus. Das politische Bewusstsein seiner Eltern infizierte auch ihn, politisch aktiv wurde er aber erst gegen Ende seines Studiums - gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau Esmé organisierte der 20-Jährige Alphabetisierungskurse, nahm an Demonstrationen teil. Von da an habe es kein Zurück mehr gegeben, schreibt Denis Goldberg:
Wir wollten Weiße von ihrer Unterstützung der Apartheid abbringen, den Rassismus im Prozess der Befreiung langsam abbauen und gemeinsam lernen, wie man sich und andere organisiert, Menschen mobilisiert und zum Widerstand gegen die Unterdrückung motiviert. Ich fürchte, wir besser gestellte Weißen hielten uns für eine eigene besondere "Aktionsgruppe", die andere aufrief, für die eigenen Interessen einzutreten, während diese bei Protesten die volle Wucht der Repressionen ertragen mussten, stellt Denis Goldberg selbstkritisch fest. Eine Gewissensfrage, die ihn fortan bei seinem weiteren Kampf gegen die Rassentrennung ständiger Begleiter sein sollte, immer wieder klingt sie in seiner Biografie an. Weiße Kämpfer gegen die Apartheidspolitik - in gängige Schubladen waren sie nicht einzuordnen. Von vielen Schwarzen misstrauisch beäugt, weil sie sich ausgerechnet als Weiße im Freiheitskampf engagierten, wurden sie von vielen Weißen andererseits als "Verräter der eigenen Rasse" beschimpft. Nach dem Studium gründete Goldberg mit rund 200 Genossen den weißen "Congress of Democrats", der den African National Congress, den ANC, unterstützt. Doch als die Repressionen des Staates gegen den gewaltlosen Widerstand der Anhänger immer stärker wurden, war für Goldberg schnell klar, auf diese Weise nichts erreichen zu können - und trat dem bewaffneten Flügel des ANC bei. Der friedliche Widerstand, wie ihn sein großes Vorbild Mahatma Gandhi gelebt hatte - für Goldberg in Südafrika ohne Chance auf Erfolg:
Mir war im Kampf nicht jedes Mittel recht, aber ich hatte keine Zweifel, dass in Südafrika gegen die Polizei- und Militärkräfteein bewaffneter Kampf notwendig war. Ein von Prinzipien geleiteter Kampf: Wir wollten nicht mit terroristischen Methoden vorgehen, etwa gegen Individuen oder unbeteiligte Zivilisten. Wir kämpften für ein politisches Ziel, die Freiheit, und niemals zum eigenen persönlichen Vorteil. Unsere Gegner waren die Polizei- und Militärkräfte des Staates. Nur so konnten wir der weißen Minderheitsbevölkerung zeigen, dass sie nicht bis in alle Ewigkeit regieren konnte.
Von da aus war es kein langer Weg mehr zu dem Entschluss, in den Untergrund zu gehen. Denoch keine leichte Entscheidung für Denis Goldberg. Er schildert detailreich die inneren Konflikte, Frau Esmé und ihre beiden Kinder alleine zu lassen, die Angst davor, sich von der Familie zu entfremden, kein guter Vater sein zu können. Doch der Wille, in Südafrika politisch etwas verändern zu wollen, sei stärker gewesen, schreibt der weiße Widerstandskämpfer. Also lernte er Landminen und Handgranaten zu bauen und leitete ein militärisches Trainingscamp. Sein Spitzname: Mister Technico. Doch schon kurze Zeit später flog die Gruppe auf. Fast die gesamte Leitung des militärischen ANC-Flügels wurde auf ihrem heimlichen Sitz, einer Farm in Rivonia gefasst - und des Hochverrats und der Sabotage angeklagt. Der berühmte Rivonia-Prozess in Pretoria endete nach acht Monaten im Juni 1964 für Denis Goldberg mit viermal lebenslänglich. Eine unglaubliche Erleichterung, schreibt er. Denn er und Mitstreiter wie Nelson Mandela hatten mit dem Todesurteil gerechnet:
Während der Richter sprach, erhellten sich die Gesichter meiner Comrades vor Erleichterung und Freude zum schönsten Lächeln und am Ende lachten wir alle laut auf. Ich war überglücklich, am Leben zu bleiben, auch wenn es für lange Zeit hinter Gittern sein würde. Ich war erst 31 Jahre alt und ich konnte mich nicht damit abfinden, dass mein Leben zu Ende sein sollte. Meine Mutter war im Gerichtssaal und hatte im Tumult nicht hören können, was der Richter gesagt hatte. Sie rief: "Was ist?" Und ich rief zurück: "Leben! Leben ist wunderbar".
22 Jahre dauerte die Haft. Detailliert beschreibt Goldberg den Alltag - immer getrieben von der inneren Unruhe, nichts mehr ausrichten zu können.
Obwohl Denis Goldberg bis lange nach seiner Haftentlassung gebraucht hat, um seine "Stimme" zu finden - wie er schreibt - ist ihm seine Biografie eine Herzensangelegenheit. Offen und warmherzig erzählt er seine Geschichte, seinen "Auftrag" stets im Blick: An die Südafrikaner zu erinnern, die den Sieg über die Apartheid nicht mehr erlebten, weil sie zuvor in den Gefängnissen oder bei Verhören getötet worden waren. Unzählige Fotos seiner Mitstreiter begleiten den Leser durch Goldbergs Geschichte, und reihen den persönlichen Lebensbericht ein in die gesamte Anti-Apartheids-Bewegung. Zusätzliche Informationen, Originaldokumente und Interviews finden sich auf der beigelegten DVD.
Wer den Kampf um Gleichberechtigung aus der Innensicht verstehen will, kommt an Denis Goldbergs AutoBiografie nicht vorbei. Denn sie zeigt vor allem eins: Es braucht einen unerschöpflichen Optimismus, die Welt verändern zu wollen.
Melanie Longerich über Dennis Goldberg: "Der Auftrag. Ein Leben für die Freiheit in Südafrika". Das Buch ist erschienen bei Assoziation A, 304 Seiten kosten 19 Euro 80, ISBN: 978-3-935936-90-3.