Mittwoch, 24. April 2024

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Kampfhähne der Wissenschaft

Wissenschaftler ruhen nicht eher, bis sie mit wohl ausgedachten Experimenten oder schlüssigen Beweisketten die Natur der Welt ergründet haben - so jedenfalls denkt man sich das. Wer jedoch jemals auf einer Tagung erlebt hat, wie die Herren und Damen Professoren einander mit spitzen Bemerkungen zusetzen und versuchen, die Ergebnisse der anderen niederzumachen, der weiß, dass auch unter den Talaren Eifersucht und Eitelkeit sitzen können - und dass auch Forscher vor Verblendung nicht sicher sind.

Rezension: Dagmar Röhrlich | 12.12.2010
    Heinrich Zankl hat sich in "Kampfhähne der Wissenschaft" der Aufgabe angenommen, über die manchmal für Außenstehende durchaus bizarr anmutenden Auseinandersetzungen zu berichten. Etwa über den Streit, der ausbrach, als der junge Alfred Wegener 1912 auf einer Tagung die Kontinentaldrift vorstellte und sich damit gegen die etablierte Lehrmeinung stellte. Er legte sich mit der im Saal versammelten Geologenwelt an - und die Herren schlugen mit voller Wortgewalt zurück: Phantasiegebilde, bloße Gedankenspielerei, völliger Blödsinn, Gewäsch - man ließ ihn noch nicht einmal zu Ende reden. Und das war erst der Anfang einer Schlacht, die erst ein halbes Jahrhundert nach dem Tod Wegener entschieden werden sollte.

    Andere berühmte Kampfhähne, denen sich Zankl widmet, sind Newton und Leibniz, die sich bis ins Grab stritten. Sigmund Freud reagierte ätzend selbst auf die kleinste Kritik an seiner Psychoanalyse. Der Physiker Philipp Lenard führte einen regelrechten Kleinkrieg gegen Conrad Röntgen und die gesamte "jüdische Physik". Einsteins Relativitätstheorie wurde als "wissenschaftlicher Dadaismus" bezeichnet, der so berühmte Lord Kelvin machte jeden lächerlich, der nicht seiner Meinung war, Rudolf Virchow führte sich wie ein Platzhirsch auf, und Antiprotonen landen vor Gericht, als Oreste Piccioni Emilio Segrè verklagt.

    Kurzweilig und durchaus amüsant beschreibt Heinrich Zankl 28 heftig geführte Auseinandersetzungen zwischen Wissenschaftlern - und sie ließen sich problemlos um viele andere erweitern. Die Gründe sind immer gleich: Es geht um Prestige, Forschungsgelder, Posten oder man erträgt es einfach nicht, dass ein anderer auch einmal eine gute Idee hat. Sie sind halt auch nur Menschen, diese Wissenschaftler - und aus der Sicht eines Lesers ist ihr Streit auch recht unterhaltsam.

    Heinrich Zankl: Kampfhähne der Wissenschaft
    ISBN: 978-3-527-32579-5
    Wiley-VCH Verlag, 220 Seiten, 24,90 Euro