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Kampieren mit dem Rechner

Dass Hacker nicht nur im fahlen Licht ihres Monitors im heimischen Keller vegetieren, beweist das Sommerlager des Chaos Computer Club. In Finowfurt nahe Berlin verlegten die Anhänger der Siliziumchips Kabel, führten neue Programmier- und Hack-Kunststücke vor und kritisierten die Politik.

Von Wolfgang Noelke |
    Von eigenbrötlerischen, kontaktscheuen Computerfreaks keine Spur! Auf dem alten Militärflughafen geht es selbst bei Regenschauern zu wie auf einem riesigen, mehrtägigen Campusfest - dass man fast als "Woodstock der Generation Digital" bezeichnen könnte. Es wird gefeiert - aber es wird auch ernsthaft in Workshops gearbeitet und Innovationen, von denen die normalen User vielleicht erst in einigen Jahren erfahren, probiert man hier selbstverständlich sofort aus. Beispielsweise bekommt jeder Besucher ein DECT Telefon, mit dem man nicht nur kostenlos ins Deutsche Festnetz telefoniert, sondern auf der Wiese oder am heutigen ersten Regentag bequem im Zelt den Referaten aus den ausgedienten Bunkern zuhören kann. Sascha Ludwig, dessen Unternehmen dieses Audiostreaming über Telefon anbietet, wundert sich darüber, dass diese Technik im normalen Telefonnetz unbekannt zu sein scheint:

    "Das wäre mit Sicherheit möglich, dass man sowas auf das normale Telefonnetz überträgt, aber ich glaube, da ist einfach nicht das Verständnis bei den Providern, dass es da eventuell Bedarf gibt, dass man so etwas machen kann. Deswegen machen wir das. Und es funktioniert wunderbar! Bis auf kleinere Startschwierigkeiten, die es immer gibt, weil irgendwelche Antennen noch nicht so funktionieren, wie wir das wollen, klappt das normalerweise am ersten Veranstaltungstag. Von da an läuft das wunderbar und läuft auch bis zum Ende der Veranstaltung durch."

    Man sollte auf der Veranstaltung auf die kleinen Dinge achten, über die man stolpern könnte, beispielsweise eine rasende Kamera auf Rädern, die einem Menschen fast unbemerkt folgen kann. Sven, der seinen Nachnamen nicht nennen will, verweigert sich nicht der Technik, sondern will wissen, was dahinter steckt. Deswegen baute er diese rasende Kamera und beobachtet nun über Funk auf seiner Bildschirmbrille deren Weg aus der Froschperspektive:

    "Man liest öfters darüber, dass das Militär daran geforscht, so etwas zu miniaturisieren, am besten sogar noch flugfähig, so dass man so eine Art Motte hat, mit Livebild und das fliegt dann unbemerkt in die Wohnung und überwacht einen zum Beispiel. Das ist sicher noch nicht Realität, aber nur eine Frage der Zeit."

    Schließlich schreiben wir das Jahr 2007 und das Thema "Überwachung" dominiert dieses Treffen in fast allen Vorträgen und natürlich auch in der Vorführung der technischen Möglichkeiten. Statt der Überwachungsmotte existieren bereits die ganz dicken Brummer, so genannte Quadrokopter: Quadrokopter sehen aus wie ein liegendes Kreuz, in dessen Mitte sich Elektronik und Batterie und meist auch noch eine Kamera befinden. An den vier Enden des Kreuzes sorgen vier Propeller für den nötigen Auftrieb. Der Pilot an der Fernsteuerung dieses Quadrokopters sieht auf seiner Bildschirmbrille die Umgebung unterhalb dieses sehr leise fliegenden Kreuzes. Andreas Steinhäuser vom Chaoscomputer Club Berlin:

    "Damit ist es Leuten, die das möchten, möglich, über den Zaun zu schauen, mit einer schwenkbaren Kamera, mit einem fliegenden Auge sozusagen. Das hat natürlich auch moralisch verwerfliche und bedenkliche Komponenten. Uns geht es nicht darum, jetzt zu schüren und zu ermöglichen, dass Leute in Nachbars Garten gucken. Das sollen die nicht, aber so ist es mit ganz vielen Technologien: was man damit macht, ist jedem selbst überlassen. Wir müssen damit leben, dass es das jetzt gibt. Wir müssen verstehen, dass es das gibt und damit umgehen und das ist Aufgabe des CCC, das den Leuten nahe zu bringen und verstanden zu haben und nicht zu sagen: oh, das ist Teufelszeug, das fassen wir nicht an. Damit ist niemand geholfen."

    Aus diesem Grund nehmen CCC Mitglieder wie Andreas Steinhäuser alle Komponenten solch technischer Innovationen, im wahrsten Sinne des Wortes auseinander:

    "Erstens mal hat es eine komplett automatische Lagekontrolle, das heißt, es weiß zu jedem Zeitpunkt, in welcher Fluglage es sich befindet, da sind mehrere Sensoren drin: Accelerometer, also Beschleunigungssensoren, Rotationssensoren in jeweils drei Achsen, in drei Achsen Erdmagnetfeldsensoren, Druck, Temperatur, Luftfeuchte et cetera und obendrein ein GPS - und ein Computersystem, das dieses Gerät jetzt anhand von GPS an "Way Points" fliegen lassen kann. Man könnte jetzt auch Google Maps klicken und sagen: Flieg von hier nach da, mach zwei Fotos und komm zurück. Das kann dieses System heute."

    Und CCC Mitglieder, wie Ingo Busker aus Ostfriesland zeigen hier bereits eine verbesserte Version, die ungefähr 20 Mal preiswerter sein soll als das Vorbild:

    "Sowohl die Hardware als auch die Software ist komplett selbst entwickelt. Wir haben in einigen Teilen auf Modellbau-Komponenten zurückgegriffen, zum Beispiel Motoren oder Batterien, aber der Rest ist von uns selbst entwickelt. Also, die kommerzielle Lösung nicht irgendwo in den Bereich von 10000 bis 25.000 Euro und wir liegen deutlich unter 1000 €. Ich würde mal sagen, wenn man noch gar nichts hat: irgendwo bei 750 Euro ist realistisch."