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Kanadas Moore vor dem Ende

Umwelt.- Kanada hat den Abbau von Ölsanden als lukrative Alternative zur herkömmlichen Erdölförderung entdeckt. In der Provinz Alberta werden 475.000 Hektar Land nach und nach in eine Mondlandschaft verwandelt. Für die lokale Vegetation bedeutet dies das Ende - und auch für die Moore.

Von Volker Mrasek | 13.03.2012
    So muss man sich die ursprüngliche Landschaft im Norden der Provinz Alberta vorstellen:

    "Die Tagebaustätten für den Ölsand-Abbau befinden sich in der borealen Nadelwald-Zone. Als Landschaftstyp dominieren dort Moore. Sie nehmen rund 62 Prozent der gesamten Fläche ein. Das Besondere an ihren Torfböden ist, dass sie große Mengen organisches Material speichern, und zwar bis in mindestens 40 Zentimeter Tiefe."

    Die Ökologin Rebecca Rooney hat abgeschätzt, wie groß die Moorfläche ist, die Alberta am Ende durch den Ölsand-Abbau verloren gehen könnte. Genehmigt sind bisher zehn Gruben auf einer Fläche von über 4700 Quadratkilometern. Bei vier Projekten hat die Regierung auch schon die Pläne für die spätere Rekultivierung der Landschaft abgesegnet.

    Die Forscherin von der Universität von Alberta in Edmonton schaute sich die Konzepte im Detail an und machte eine Art Vorher-Nachher-Betrachtung. Die findet sich in der neuen Ausgabe der amerikanischen Fachzeitschrift "PNAS":

    "Die Betreiber müssen die Landschaft wieder renaturieren. Dabei sind sie aber nicht verpflichtet, Feuchtgebiete wiederherzustellen. Stattdessen wollen sie die Gruben mit Fichten und Zitterpappeln aufforsten. Wir schätzen, dass es am Ende 65 Prozent der ursprünglichen Moorfläche sein werden, die verloren gehen."

    Moorböden speichern enorme Mengen Kohlenstoff. Er entweicht, wenn der Torf abgetragen wird, und zwar in Form von Kohlendioxid. Dabei handelt es sich um ein Treibhausgas, das heißt, die Zerstörung der Moore durch den Ölsand-Tagebau schafft auch ein zusätzliches Klimaproblem:

    "Wie viel Kohlenstoff verloren geht, lässt sich nicht genau angeben. Denn die Torfschichten sind unterschiedlich dick. Das schwankt zwischen 40 Zentimetern und sechs Metern. In den Unterlagen der Industrie fehlen Angaben dazu. Deshalb kann man nur sagen: Die möglichen Kohlenstoff-Verluste liegen zwischen elf und 47 Millionen Tonnen. Doch wie auch immer – das ist eine ganze Menge!"

    Die Erdölgewinnung aus den Sanden in Alberta ist sowieso besonders energieaufwendig, der Kohlendioxid-Ausstoß dabei zwei- bis dreimal so hoch wie bei der herkömmlichen Ölförderung. Noch schlechter wird die Klimabilanz, wenn man das CO2 aus den zerstörten Torfböden hinzurechnet. Laut der neuen Studie könnte es sich um Kohlendioxid-Mengen handeln, die so groß sind wie die Emissionen aller kanadischen Ölsand-Gruben über einen Zeitraum von sieben Jahren.

    Dieser Aspekt sei bisher gar nicht berücksichtigt worden, kritisiert Suzanne Bayley, Ökologie-Professorin an der Universität von Alberta. Sie war ebenfalls an der Studie beteiligt:

    "Wir verpachten große Landstriche an Ölfirmen. Sie betreiben dann 30 oder 40 Jahre lang ihren Abbau. Und erst dann versuchen sie, die Landschaft irgendwie wiederherzustellen. Wir haben keine gesetzlichen Regelungen, die die Firmen dazu verpflichten, in diesen 40 Jahren Landschaftsschutzmaßnahmen zu ergreifen oder Geldmittel dafür bereitzustellen. Der kanadische Verband der Ölindustrie behauptet zwar: Wir stellen den früheren Zustand genau so wieder her. Aber das ist absolut nicht wahr."

    Die Ökologin verweist auch auf negative Folgen für Tierwelt in Alberta:

    "Nehmen Sie zum Beispiel Karibus. Sie gelten als bedrohte Art in den meisten borealen Regionen Kanadas. Es ist nicht nur so, dass ihr Lebensraum durch die Tagebaustätten komplett zerstört wird. Drum herum entstehen auch neue Straßen, Wald wird gerodet. Deswegen geht es Karibus in Alberta besonders schlecht, wie eine neue Untersuchung gerade gezeigt hat."

    Ob es der Ölsand-Abbau wert ist, dass so große Naturräume zerstört werden, müsse die Bevölkerung entscheiden, sagen die kanadischen Forscherinnen. Das wahre Ausmaß der ökologischen Folgen sei den Leuten aber bis heute gar nicht bekannt.

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