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AfD ringt um Ausrichtung bei Europawahl

Der Volkswirtschaftler Joachim Starbatty hat mit seiner scharfen Eurokritik die Talkshows im Flug erobert. Der Einzug in den Bundestag blieb ihm mit seiner Partei AfD aber verwehrt. Nun wird der Eurogegner wohl sein Glück bei der Europawahl versuchen.

Von Uschi Götz | 09.01.2014
    "Und das bewegt mich nun jetzt zu sagen, das, was ich mir bisher erarbeitet habe, darüber nicht nur klug zu reden und zu schreiben, sondern dafür auch etwas zu tun."
    Der Tübinger Volkswirtschaftler ist Vorstandsvorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft. Mittlerweile ist er 73 Jahre alt. Wahrscheinlich kann er nicht anders, als sich jetzt auch auf die politisch aktive Seite zu konzentrieren. Er begann seine Karriere in den 60er-Jahren als wissenschaftlicher Assistent von Alfred Müller-Armack, dem geistigen Vater der Sozialen Marktwirtschaft. Er lehrte in Tübingen und hatte mehrere Gastprofessuren, unter anderem in den USA und in Japan. Über 100 Vorträge hat er seit seiner Emeritierung gehalten, mittlerweile reist er für die AfD quer durch die Republik - und wird dort fast wie eine Ikone verehrt:
    "Die Alternative für Deutschland hat klare Themen. Beispielsweise was die Leute wirklich bewegt. Sie bewegt, ob das, was wir jetzt an Rettungsmaßnahmen finanziell tragen, ob das nicht einfach zu viel ist."
    Freundlich wird er in den Medien bisweilen Euro-Fighter genannt. Im Flug hat Starbatty die Talkshows erobert, unter den Eurokritikern kann er am lustigsten und wortreichsten erklären, warum Europa mit dem Euro doch noch abstürzen wird.
    Ahnungslosigkeit verwundert
    Starbatty ist in Düsseldorf geborene, verheiratet und hat vier Kinder. Er gilt als glänzender Unterhalter. Manche halten ihn für einen Wolf im Schafspelz. So berichtet der "Spiegel", Starbatty habe im Juni vergangenen Jahres einen Vortrag bei den Marburger Rheinfranken gehalten. Die Rheinfranken laden gern auch rechtsradikale Redner ein, schreibt "Zeit online". Starbatty selbst erklärte gegenüber dem "Spiegel", er habe sich über die deutschtümelnde Verbindung nicht genauer informiert. Er hält weiterhin Vorträge bei Burschenschaften, allerdings informiert er sich jetzt:
    "Wenn mich Leute fragen, dann schaue ich mir an, wer das ist, dann sage ich auch zu. Und diese Burschenschaften haben mir gezeigt, wer vorher bei ihnen gewesen ist. Egon Bahr, beispielsweise, Pöttering, Kretschmann auch. Dann sage ich: ja, gut. Dann halte ich einen Vortrag, und ich halte immer dieselben Vorträge. Ich lasse mir auch nicht den Mund verbieten, dafür leben wir in einem freien Land."
    Doch auch ultrarechte Burschenschaften sollen zum Unterstützerkreis der AfD gehören. Mag sein, dass Starbatty davon nichts weiß. Allerdings verwundert es bisweilen, dass dieser scharfsinnige Wissenschaftler in manchen Dingen scheinbar so völlig ahnungslos ist. 1994 trat er aus der CDU aus und in die Partei "Bund freier Bürger" ein. Er trat für die als zunächst liberal-konservativ geltende Partei auch als Kandidat bei der Europawahl an. Die Partei kam knapp über ein Prozent und Starbatty verließ nach weniger als einem Jahr wieder den Bund freier Bürger. Dieser geriet dann wegen rechtspopulistischer Tendenzen ins Visier des Verfassungsschutzes.
    "Ganz bürgerliche Partei, was hinterher passiert ist, weiß ich gar nicht, wusste gar nicht, dass die vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Das ist mir völlig neu."
    Genau erinnert sich Starbatty allerdings daran, wie es damals bei der Neugründung der Partei zuging. Hier sieht er durchaus Parallelen zur Gründung der AfD:
    "Es war ganz ähnlich: Wir hatten einen Vorstand, das können sie sich vorstellen, da waren sechs Ordinarien im Präsidium. [Lacht] Das hat es auf der Welt noch nicht gegeben, einen solchen Vorstand. Das war aber auch das Problem, weil wir dann eben nur Häuptlinge hatten und keine Indianer hatten, die die Arbeit gemacht haben."
    AfD auf Kurssuche
    Wenige Monate vor der Europawahl ist auch bei der AfD noch nicht klar, wer jetzt genau Häuptling und wer Indianer ist. Noch ringt die Partei um eine genaue Ausrichtung zwischen rechtskonservativ und neoliberal und keiner weiß bis jetzt, wo das alles enden wird:
    "Wir haben in der Tat in der AfD auch Flügel, das ist richtig. Ich würde das so bezeichnen: Wir haben einen wirtschaftsliberalen Flügel, dem ich zugehöre, und wir haben einen nationalkonservativen Flügel. Der nationalkonservative Flügel betont eben die Familie, Frau von Storch beispielsweise, und auch die Nation. Aber auch die Nation ist wichtig, man muss sich irgendwo zuhause fühlen. Man kann die Welt nicht von einem ortlosen Punkt aus betrachten, man muss schon einen Punkt haben."
    "Beatrix von Storch ist im stramm konservativen Milieu vielleicht Deutschlands einflussreichste Netzwerkerin", schrieb die "Welt" über die in Berlin lebende Juristin. Bundesweit in die Schlagzeilen geriet von Storch jedoch durch finanzielle Unregelmäßigkeiten, die im Zusammenhang mit dem gemeinnützigen Verein "Zivile Koalition" stehen. Starbatty blickt lieber auf den baden-württembergischen Landesverband. Denn dort geht es geordnet zu. Doch nach Brüssel wollen ja doch alle gemeinsam. Sollte der Ökonom mit seiner Prognose recht haben, dann kommt die AfD bei der Europawahl auf sechs Prozent. Dann sitzen möglicherweise bald der Starökonom, Frau von Storch und der frühere BDI-Chef Olaf Henkel nebeneinander. Gemeinsam müssen sie dann möglicherweise doch mit Parteien nach Mehrheiten suchen, mit denen zumindest der Ökonom Starbatty nichts zu tun haben möchte:
    "Ja, ich glaube, das werden wir nicht tun. Also, Richtung Le Pen, das ist nicht mein Ding, wenn ich das so salopp formulieren darf. Sondern wir wollen eben für Europa etwas tun. Auch Fremdenfeindlichkeit ist nicht mein Ding. Das hat mit mir nichts zu tun. Ich weiß nicht genau, was man bewegen kann, aber wenn wir nicht da sind, bewegen wir nichts."